LINZ. Fünf namhafte Unternehmen – ein gemeinsamer Plan: Mit Unterstützung von Wirtschaftsinformatikerinnen und Wirtschaftsinformatiker der Johannes Kepler Universität Linz wird eine digitale Steuerungs- und Kommunikationsplattform für die Baustoffindustrie entwickelt. Ziel ist die Implementierung einer digitalen Vernetzung zur Steigerung der Prozess- und Ressourceneffizienz – analog zu den von der EU definierten Klimazielen. Begleitet wird das Projekt vom Cleantech-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria.
Die Baustoffbranche hat mit einem Problem zu kämpfen: Die meisten Unternehmen verfügen über IT-Werkzeuge und können ihre Produktionsabläufe automatisiert unterstützen. Untereinander sind die Firmen und ihre Zulieferer allerdings nur mangelhaft vernetzt: Die Folgen sind Leerfahrten, unproduktive Wartezeiten und damit verbunden eine höhere Umweltbelastung.
Nachhaltige Lösungen im Abwicklungsprozess
Die Europäische Union hat sich vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu soll unter anderem ein Verkehrskonzept für ein klimafreundliches Europa vorgelegt werden, das in erster Linie darauf abzielt, abgas- und CO2-freie Lkw auf die Straße zu bringen. Der dafür erforderliche Umbau der Prozess- und Transportketten muss durch Steuerungsinstrumente begleitet werden, wodurch sich ein evidenter Bedarf an einer adäquaten Green Scorecard auch für die Baustoffindustrie ergibt. Daran wird in dem Gemeinschaftsprojekt gearbeitet.
„Eine durchgängige Digitalisierung des Abwicklungsprozesses von Bauindustrie über Transportpartner bis zum Baustoffhandel ist schlichtweg nicht vorhanden. Letztendlich fehlt ein System, das alle an der Abwicklung beteiligten Prozesspartner inklusive der Baustelle als eigenständige Objekte abbildet und miteinander kommunizieren lässt“, erklärt Martin Schwaiger, CEO der Satiamo GmbH.
Kooperation und Innovation
Die Projektpartner kommen aus drei Stakeholder-Bereichen: Baustoffindustrie, Baustoffhandel und Baustofftransporte. Gemeinsam wird die digitale Steuerungs- und Kommunikationsplattform für die Baustoffindustrie entwickelt. Ziel ist die Erhöhung der Prozess- und Ressourceneffizienz in der Prozesskette. Was kompliziert klingt, ist eine bereits existierende Software-Plattform, die für die Branche optimiert wird. Die Besonderheit ist, dass Player aus der Branche – von Baustoffindustrie über -handel bis zum Transporteur – als Projektpartner an der Optimierung mitarbeiten und den Prototyp gemeinsam testen. Die eigentliche Innovation ist die Realisierung einer Green Scorecard. Sie dient zur Messung der Prozess- und Ressourceneffizienz bezogen auf Haupteinflussfaktoren wie Durchlaufzeit im Werk, durchschnittliche Zustelldistanz, Leerfahrtquote oder den Anteil CO2-neutraler Transporte. Langfristig sollte der Einsatz CO2-freier Fahrzeuge bzw. alternativer Antriebe priorisiert werden. Der finanzielle Aspekt dabei: Der Mehraufwand für umweltschonende Transportsysteme soll durch die Reduktion von unproduktiven Steh- und Leerzeiten (Wartezeiten, Leerfahrten) ausgeglichen werden.
Telemetrie und Ökologie
Der innovative Ansatz bei der Konzeptionierung und Realisierung der Green Scorecard für die kooperative Prozessabwicklung in der Baustoffindustrie liegt auf einer vollständig digitalen Datenerfassung für die einzelnen Parameter auf Grundlage der IT-technischen Anbindung unterschiedlicher Fahrzeug-Telematiksysteme sowie der Verarbeitung mobiler Rückmeldungen der Prozesskettenpartner (Disponenten, Verlader, Fahrer, Übernehmer, Baustellen). Damit soll sichergestellt werden, dass die einzelnen Daten nicht händisch erfasst werden müssen, sondern als valide Grundlage für die Steuerung der Abwicklungsprozesse zur Verfügung stehen.
Neben der Ressourcen- und Prozesseffizienz soll auch Umweltverträglichkeit in der Scorecard verankert werden, um den Einsatz CO2-neutraler Fahrzeuge bzw. alternativer Antriebe sowie darüber hinaus gehende Bündelungs- und Optimierungsansätze angemessen abzubilden und zu einem strategischen Bewertungsinstrument zu machen. Die Abwicklung zwischen den Prozesskettenpartnern ist – trotz des lokalen Einsatzes von ERP-Systemen bzw. Tourenplanungsprogrammen der Transporteure – zumeist durch papier- und telefonbasierte Schnittstellen gekennzeichnet, da systembasierte EDV-Schnittstellen nicht vorhanden bzw. in vielen Fällen auch nicht rentabel sind. Verschiebungen der Anliefertermine durch die Baustellenbetreiber erfolgen kurzfristig und telefonisch; sie ziehen oft eine Reihe unangenehmer Effekte nach sich und sorgen für enorme Planungsschwierigkeiten.
Ziele der Projektpartner
Das vorliegende Projekt soll für Leitl und Kirchdorfer zu einer durchgängigen Digitalisierung in der Prozesskette, einer stärken Fokussierung auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz in der operativen Outbound-Abwicklung sowie zu einer verbesserten Marktpositionierung und Wettbewerbsfähigkeit in einer stark umkämpften Branche beitragen. Strategischer Fokus von Satiamo ist der Ausbau der eigenen Marktposition im Bereich webbasierter Transportmanagementsysteme sowie die Stärkung der inhaltlichen Kompetenzen im Bereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Insbesondere der branchenorientierte Zugang im vorliegenden Projekt stelle eine hervorragende Möglichkeit dar, weitere Kundschaft in diesem Bereich dazuzugewinnen und eine starke Marktpositionierung aufzubauen.
An dem Projekt nimmt die Satiamo GmbH aus Wels – Entwicklerin und Betreiberin einer Transportmanagementplattform – als Konsortialführerin teil, die D3EIF GmbH aus Hagenberg im Mühlkreis – ein Start-up im Bereich digitales Flottenmanagement bzw. Verarbeitung von Live-Telematikdaten, die Komplettanbieterin bei Ziegel und Beton – die Leitl Beton Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. aus Hörsching, die Spezialistin für Bindemittel und Zement – Kirchdorfer Fertigteilholding GmbH aus Wöllersdorf und RWA Raiffeisen Ware Austria AG am Standort Traun. Und – last, but not least – das Institut für Wirtschaftsinformatik – Software Engineering der JKU als externer Dienstleister. (hk)