Gretchenfrage: Sind Sie mutig genug für Innovation?
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Nikolaus Franke
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.11.2024

Gretchenfrage: Sind Sie mutig genug für Innovation?

Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des Executive MBA Entrepreneurship & Innovation, über die Innovationskraft von Mut.

WIEN. Für Innovation braucht es Mut. Doch viele Führungskräfte unterschätzen die Sicherheitsorientierung ihrer Mitarbeiter und verstärken diese, anstatt aktiv gegenzusteuern. Das Ergebnis sind Innovationsleistungen, die (deutlich) hinter den Anforderungen des Wettbewerbs zurückbleiben. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Innovationen sind Experimente. Jede neue Idee kann sich als nicht durchdacht genug herausstellen. Sie kann auf falschen Annahmen und fehlerhaften Einschätzungen der eigenen Ressourcen basieren. Wichtige Parameter können übersehen werden. Im Verlauf des Entwicklungsprozesses können sich Faktoren im Wettbewerb oder auf Seiten der Kunden ändern. Neue Rechtsvorschriften können entstehen, ein Schlüsselmitarbeiter hat einen Unfall.

Dies bedeutet, dass man Risiken in Kauf nehmen muss, wenn man Innovation will. Es besteht immer die Möglichkeit eines Fehlschlags.

Default Setting: von Natur aus scheut der Mensch Risiken
In einem Workshop mit Führungskräften eines High-Tech-Unternehmens habe ich dazu einmal einen Test gemacht. Ich habe ihnen in einer einfachen Entscheidungssituation zwei Innovationsprojekte zur Auswahl gestellt.

• Projekt A war deutlich profitabler, enthielt aber ein gewisses Risiko (80% Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn von 500.000 Euro für das Unternehmen, 20% für einen Verlust von 100.000 Euro).

• Projekt B war bescheidener, aber eine sichere Sache (100% Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn von 200.000 Euro).

Sie konnten jedoch nur eins wählen. Objektiv vernünftig wäre es, wenn die Manager jeweils Projekt A wählen würden. Der Erwartungswert bei A (380.000 Euro) ist deutlich höher ist als bei B (200.000 Euro), das 20%-Risiko sollte bei so einem Unterschied nicht ins Gewicht fallen.

Doch auch Manager sind Menschen, und Menschen sind risikoavers. Es war nun mal lange Zeit besser, einmal zu oft vor einem unbekannten Tier zu fliehen, als den ersten Säbelzahntiger, der einem begegnet, neugierig zu streicheln. Risiken gewichten wir entsprechend höher als Chancen („Loss Aversion Bias“). Zur Illustration stelle man sich eine Wette vor. Angenommen, ich biete Ihnen an, dass Sie eine Münze werfen. Wenn Kopf kommt, bekommen Sie von mir 10.000 Euro. Wenn Zahl kommt, zahlen Sie mir 9.000 Euro. Würden Sie die Wette eingehen oder zögern Sie? Eben.

Mutlosen Führungskräften entgehen reihenweise Chancen

Dennoch war bei meinem Workshop der anwesende Vorstand des Unternehmens geschockt, als tatsächlich alle 20 Manager des High-Tech Unternehmens Projekt B wählten. Zu Recht! Für das Unternehmen wäre der erwartbare Gewinn nur gut halb so hoch (4 Mio. Euro), wie wenn alle A gewählt hätten (7,6 Mio. Euro). Das Risiko wäre im Fall von 20 Projekten des Typs A jedoch praktisch dasselbe gewesen wie bei 20 Projekten B, nämlich (fast) null.

Der Grund dafür ist, dass sich Risiken kumuliert ausgleichen. Mit Hilfe einer einfachen Bernoulli-Kette lässt sich berechnen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen geringeren Erfolg von 20 Projekten A im Vergleich zu 20 Projekten B nur 0,2% beträgt, Die Wahrscheinlichkeit, dass die 20 A-Projekte insgesamt einen Verlust machen, beträgt sogar nur 0.000000007%. Und bei der Wahrscheinlichkeit des maximal möglichen Verlusts, dass also alle 20 A-Projekte misslingen und ein Verlust von 2 Mio. Euro auftritt, stehen nach dem Komma erst mal zwölf Nullen, bevor eine 1 auftaucht. Selbst ein wahrer Angsthase wird mit so einem Risiko leben können. Nimmt man an, dass die Entscheidungen der Manager im Experiment ihr wahres Verhalten reflektieren, dann stellt das Ergebnis dem Unternehmen ein katastrophales Zeugnis aus. Um ein lächerlich kleines Risiko zu beseitigen, verschenkt es Millionen Euro. Ein solches Unternehmen kann im Innovationswettbewerb kaum bestehen. Ihm fehlt es an Mut.

Fehlerkultur bedeutet, Mut zu stärken
Als wir das Ergebnis auf dem Workshop diskutierten, brachte einer der Manager die Ursachen auf den Punkt: „Erfolge sind gut, da wird einem auf die Schulter geklopft … aber wehe, man setzt mal ein einziges Ding in den Sand – dann ist man bei uns sofort weg vom Fenster“. Kein Wunder, dass das Unternehmen nicht innovativ war. Seine Kultur hatte die ohnehin bestehende Risikoaversion der Mitarbeiter zusätzlich verstärkt.

Fazit:

Eine wichtige Komponente einer innovationsfördernden Unternehmenskultur ist daher, aktiv gegenzusteuern. Es ist entscheidend, dass Mitarbeiter ermutigt werden, Risiken einzugehen. Das bedeutet auch, sie für ihren Mut zu loben, etwas gewagt zu haben – auch wenn mal was danebengeht: und zwar als wertvolles Learning für das gesamte Unternehmen.

Deshalb ist es auch so wichtig, dass es sich individuell lohnt, Projekte des Typs A zu verfolgen, auch wenn vorhersehbar ist, dass sie gelegentlich schief gehen werden. „Lohnen“ bedeutet dabei monetär, in Bezug auf die Karriere und hinsichtlich der Reputation. Es braucht also klare und eindeutig kommunizierte Maßnahmen und Vorbilder. Wer einseitig die Fehler bestraft, wird zwangsläufig Mutlosigkeit ernten.

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