Die Gedanken sind frei
© Valerie Voithofer
MARKETING & MEDIA Redaktion 25.06.2021

Die Gedanken sind frei

Message Control, fehlende Förderungen, Drohungen – Rubina Möhring im Interview zur kritischen Lage der Informationsfreiheit in Österreich.

••• Von Tanja Holz

WIEN. Die Presselage in Österreich ist besorgniserregend. Medien werden unter Druck gesetzt, Medienschaffende bedroht, verklagt oder gar abgesetzt, wenn sie sich nicht beugen.

Einen negativen Einfluss nehmen diese Vorfälle auf die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen, wo Österreich heuer auf Platz 17 landete. Das ist zwar einen Platz besser als im letzten Jahr, dennoch sei es für Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, kein Grund zu jubeln. „Insgesamt hat sich die Lage der Informationsfreiheit verschlechtert, zumal auch in Europa. Auf diese Weise sind wir zwar einen Platz hochgerutscht, sieht man sich aber die einzelnen Punkte der Bewertung an, gibt es eine negative Entwicklung”, bedauert Möhring die Ergebnisse. Zum Vergleich: Nach der Analyse des Jahres 2017 belegte Österreich noch Platz 11 und gehörte der „weißen Gruppe”der Pressefreiheit an.
Den Hauptgrund für die Verschlechterung sieht Möhring in den Interventionen der damaligen türkis-blauen Regierung, „einen großen Rutsch gab es dann nochmal durch das Ibiza- Video”, so Möhring.

Einfluss der Regierung

Dass Medien von Regierungsseite enorm unter Druck gesetzt werden, ist gang und gäbe und ein offenes Geheimnis. Der einstige Herausgeber und Chefredakteur des Kurier, Helmut Brandstätter, widmete sich der Problematik bereits 2019 in seinem Buch „Kurz & Kickl”, kürzlich legte auch Thomas Schrems, ehemaliger Krone-Ressortleiter, offen, wie Sebastian Kurz die Zeitung manipulierte.

„Der Versuch von Politikerinnen und Politikern, Einfluss auf die Medien zu nehmen, schafft kein gutes Bild für die Freiheit der Information und sollte eigentlich in einer liberalen Demokratie auch nicht sein”, kritisiert Möhring. Auch habe sich ein Trend an Einschüchterungsklagen gegen Journalistinnen und Journalisten eingeschlichen, dessen Wurzeln die Journalistin in den Anfangszeiten von schwarz-blau unter Haider sieht.
„Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, sich mit Medien auseinanderzusetzen als über die Klage, dann zeigt das, dass es keine Gesprächsbasis gibt. Differenzen sollten ausdiskutiert werden können. Es muss ja nicht damit enden, dass die andere Seite überzeugt ist, aber mit purer Gewalt zu versuchen, jemanden mundtot zu machen, ist nicht die Lösung.”

Zweifelhafte Förderkriterien

Ein weitere Problematik sieht Möhring in der österreichischen Medienförderung. „Es ist gut, dass wir hier eine Förderung haben, allerdings geht diese nach der gedruckten Auflage von Tages- und mittlerweile auch Wochenzeitungen, und da sind die Boulevardblätter an erster Stelle und bekommen das meiste Geld”, beanstandet Möhring den Vergabeprozess. Sinnvoll fände sie stattdessen, ein regierungsunabhängiges Gremium einzusetzen, das die Qualität der Berichterstattung beurteilt und Gelder danach vergibt.

Weiters müsse zur Verbesserung der Lage Einhalt für die Schaltung von Werbung der Parteien und der Regierung geboten werden. „Das Budget für Inserate wurde zwar radikal heruntergesetzt, aber auf der anderen Seite gibt es ja ein Budget von der Regierung für Werbemittel bis zu den Wahlen in Millionenhöhe”, erklärt Möhring.
Diese „Unsitte” hätte sich bereits unter den sozialdemokratischen Regierungen eingeschlichen und es gehöre gesetzlich geregelt, „zumindest, wie oft es passieren darf”, so Möhring. Ein Negativbeispiel bietet hier das Magazin News, das sich in der vergangenen Ausgabe kritisch mit der türkisen Regierungsspitze auseinandersetzte und als angebliche Reaktion darauf vom Finanzministerium mit einem Schaltstopp für alle Titel der VGN Medien Holding sanktioniert wurde; das Finanzministerium dementiert die Vorwürfe.

Korruptionsanfälligkeit

Eine hohe Schuld an der aktuellen Lage gibt Möhring auch Donald Trump, der während seiner Amtszeit versuchte, Medienschaffende zum Feindbild der Gesellschaft zu machen. „Das sind böse Verleumdungen und hier wird es ja inzwischen auch ganz gern gemacht, indem man die Presse als gekauft darstellt.”

Apropos gekauft: Dass es in Österreich tatsächlich mehr Korruption gibt als im EU-Schnitt, zeigt das kürzlich veröffentlichte Global Corruption Barometer von Transparency International. Demnach wurden mehr Menschen hierzulande für öffentliche Leistungen bestochen und Freundschaftsdienste angenommen als in anderen EU-Ländern. Einen der Gründe hierfür sieht Möhring in der Größe Österreichs: „Diese Korruptionsanfälligkeit ist in kleinen Ländern häufiger als in großen Ländern. Hier hat man ja manchmal das Gefühl, jeder kennt jeden und das ganze Land ist eine politische Familie – da kann diese Freunderlwirtschaft natürlich viel leichter passieren.”

Relativierung

Dass Österreich im Ranking trotz der kritischen Lage relativ gut abschneidet, liegt zum Teil auch daran, dass in anderen Ländern weitaus schlimmere Zustände herrschen.

Ein Blick über die EU-Grenzen nach Russland, wo Regierungsgegner wie Nawalny vergiftet und in Zwangslager gesteckt werden, oder nach Belarus, wo Machthaber Lukaschenko ein Flugzeug zur Landung zwang, um den regierungskritischen Blogger Protassewitsch und dessen Freundin festzunehmen, zeigen akuten Handlungsbedarf.
Die EU reagierte bereits mit Flugraumsperren, weitere Sanktionen wie Einreisesperren sowie Wirtschaftssanktionen wurden auch umgesetzt. Möhring bewertet besonders die schnelle Reaktion der EU positiv. „Die Sanktionen werden wehtun und es ist gut, dass sie konsequent durchgezogen werden, einfach um zu vermeiden, dass so etwas noch einmal passiert.”

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