ESG: Wenn die Kür zur Pflicht wird
© Werner Streitfelder
Agenturgründer und Managing Partner Daniel Kapp mit Michaela Hebein.
MARKETING & MEDIA Redaktion 12.07.2024

ESG: Wenn die Kür zur Pflicht wird

Die Agentur Kapp|Hebein|Partner hilft, wenn Unternehmen die Worte fehlen – entscheidend ist das aktuell vor allem im Bereich ESG.

••• Von Georg Sohler

Bereits als Daniel Kapp die Agentur 2012 gegründet hatte, lag der Fokus auf Kommunikationsstrategieberatung sowie klassischer Pressearbeit. 2013 stieg Michaela Hebein als Partnerin bei Kapp|Hebein|Partner ein. Die gebürtige Kärntnerin war zuvor unter anderem als Agency Head einer Wiener PR-Agentur tätig, wo sie neben der Betreuung der Leadkunden auch den Aufbau und die Führung der PR-Agentur zu verantworten hatte. Hebein hat in den vergangenen Jahren prominente Fälle in den Bereichen Umwelt- und Strafrecht sowie Verbandsverantwortlichkeit betreut und ist eine der routiniertesten Expertinnen in verfahrensbegleitender Kommunikation (Litigation PR) in Österreich.

Das siebenköpfige Team betreut Kunden vorwiegend aus dem B2B-Bereich, vor allem aus dem Industrie- und Bankenbereich, zudem hat man auch Interessensvertretungen im Portfolio. „Die Tätigkeitsbereiche waren bislang geclustert“, erklärt sie im medianet-Interview, „Reputation und Positionierung, Krisenkommunikation, Verfahrensbegleitung und ESG (Environmental, Social und Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).“ Den vierten und letzten Bereich gibt es seit rund eineinhalb Jahren, mit zunehmender unternehmerischer Relevanz: „ESG ist zum roten Faden geworden, der hineinverwoben ist in unsere gesamte Tätigkeit, von der Positionierung bis in die operative Pressearbeit, von Wordings und Themensetzung bis ins Tagesgeschäft der laufenden Pressearbeit hinein“, betont Hebein den Shift in der Herangehensweise. Die vorgeschriebenen ESG-Berichte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Vergütung und Corporate Governance werden nicht nur vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sie beeinflussen auch Entscheidungen von Investoren, Geschäftspartnern, Kunden und der öffentlichen Meinung. Demzufolge ist ESG hochrelevant für alle Kunden, vor allem aus dem Industriebereich. Auch deshalb sind alle Consultants der Agentur Experten im ESG-Bereich.

Kommunikation neu denken
Das ist auch notwendig, da sich die Vorgaben an die Kommunikation selbst stets ändern. Ein Beispiel dafür ist die im März 2024 erlassene und ab 2026 umzusetzende „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ als Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets der EU zur Umsetzung des Europäischen „Green Deal“. Sie stärkt die Verbraucherrechte und hat unmittelbare Auswirkungen auf die Unternehmenskommunikation. Irreführende Umweltaussagen, auch als Greenwashing bezeichnet, sind dann verboten. Ein Beispiel: Das Label „CO2-neutral“ darf nur noch in sehr engem Rahmen verwendet werden. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass die gesamte Kommunikation, extern und intern, mitgedacht werden muss.

Die Arbeit im Bereich der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kapp|Hebein|Partner generell vorgeht. „Es geht nicht nur darum, einmal im Jahr ein ESG-Reporting zu machen, sondern das Thema das ganze Jahr über integrativ in die Kommunikation einfließen zu lassen“, stellt sie klar. Das gilt auch für andere Bereiche. Wer sich positionieren will, wer PR-Hilfe während einer Krise braucht, der sollte nicht nur punktuell tätig werden, sondern glaubhaft und langfristig. „Die laufenden und verpflichtenden ESG-Anforderungen an Unternehmen sind dann ein erfolgreiches Kommunikationsasset, wenn sie nicht punktuell oder abgegrenzt gedacht werden, sondern bereits bei Positionierung und Strategie ansetzen und sich wie ein roter Faden durch alle Formate der Außenwahrnehmung ziehen“, ist Hebein überzeugt.

Veränderungen anstoßen
Sei es in der Krisenkommunikation oder auch in derartigen, von Brüssel angestoßenen Change-Prozessen: Hebein und Co. zielen mit ihrer Expertise darauf ab, dass Vorgaben nicht nur eingehalten, sondern positive Veränderungen angestoßen werden. Strukturierte Kommunikation ist dabei der Ausgangspunkt, egal, weswegen die Kunden auf sie zukommen. Das scheint von Erfolg gekrönt zu sein: Im Gegensatz zu anderen Agenturen zeigt man die Kunden nicht prominent auf der Homepage her, sondern vertraut auf klassische Mundpropaganda. Bei einigen Bestandskunden stand auch die Krise am Anfang einer längeren Zusammenarbeit.

„Jede Krise bietet Chancen. Wer das versteht, kann daraus viel Kraft ziehen“, zitiert sie ein altbekanntes Sprichwort und legt es bis zu einem gewissen Punkt auch auf den Themenbereich ESG um: „Das ist jetzt keine Krisensituation, aber auf jeden Fall ein großer Einschnitt in bewährte Abläufe, Settings, Wordings und Herangehensweisen. Je nach Geschäftsmodell und bisheriger Arbeitsweise kann das Thema größer oder kleiner ausfallen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind aber auf jeden Fall sehr ambitioniert, und die Unternehmen müssen sich ohne große Erfahrungswerte und zum Teil fehlender Rahmenbedingungen danach richten.“ Diesen Prozess als Unternehmen zu kommunizieren, ist herausfordernd und da und dort vielleicht genauso disruptiv wie eine plötzlich aufpoppende Krise.

„Stichwort ist Authentizität“
Zunächst wird die allgemeine Unternehmenskommunikationsstrategie auf die neuen Gegebenheiten angepasst; schließlich gibt es ja eine CI, ein eigenes Wording und Co. schon. Diese werden entsprechend adaptiert. Klimaneutralität muss beispielsweise belegt werden und einen bedeutenden Unterschied zum Vorgehen zuvor haben: „In der Kommunikation müssen hinsichtlich ESG-Status quo, Zielsetzungen sowie die Maßnahmen, wie diese zu erreichen sind, transparent vermittelt werden. Diese Nachvollziehbarkeit ist für viele Unternehmen ungewohnt.“
Das betrifft vor allem jene Kunden, die über ihre ESG-Maßnahmen bislang weniger kommuniziert haben. Im Umweltbereich sind Ziele bzw. deren Erreichung leichter und mit Zahlen gut darzustellen. Wenn Maßnahmen dazu führen, dass ein Produkt mit weniger CO2 produziert werden kann, ist das messbar. Darüber hinaus ist die Öffentlichkeit diesen Themen gegenüber sensibilisiert. Governance ist erfahrungsgemäß oft eher ein Thema für die interne Kommunikation, während der Bereich Social nach außen wichtig ist – und gleichzeitig herausfordernd, diesen griffig und greifbar zu zeigen. „Großunternehmen haben sich damit schon lange beschäftigt, weil es für das Employer Branding wichtig ist; für kleinere Unternehmen stellen sich von Anfang an viele Fragen – von Diversity bis Führungsqualität.“ Hierbei geht es stark um Selbstverpflichtung und Glaubwürdigkeit. „Das Stichwort ist hier Authentizität“, hält Hebein fest. Im Gegensatz zu irreführender Produktwerbung gäbe es vielleicht keine rechtlichen Konsequenzen, aber „wenn ich mir Diversity als Ziel auf die Fahne hefte und im Board befinden sich nur Männer, werden Journalisten oder NGOs bzw. die Öffentlichkeit Fragen stellen.“

„Ein Narrativ entwickeln“
Wer CSRD-pflichtig ist, musste sich mit all diesen Fragen schon länger auseinandersetzen und fordert nun auch von den nicht-berichtspflichtigen Unternehmen entlang der Lieferkette Daten, Zahlen und Fakten ein. Sprich, es müssten sich alle Unternehmen dem Thema ESG widmen: „Die spannende Frage ist, wann Unternehmen darauf kommen, dass sie das müssen. Der nächste logische Schritt ist es dann, aus den erhobenen Zahlenmaterial auch eine Erzählung, ein Narrativ zu entwickeln und es konsequent in die Kommunikation einzuflechten. Nur eine Zahl in ein Excel zu schreiben und an ein berichtspflichtiges Unternehmen weiterzuleiten, ist ja zu wenig. Als Kommunikationsplus können Zahlen dann wirken, wenn die dazugehörigen Inhalte Teil des Big Picture werden und die Reputation des Unternehmens positiv beeinflussen.“
Kurz gesagt: Waren diese Themen für Unternehmen früher Kür, werden sie nun zur Pflicht. Gleichzeitig eröffnet ESG auch großes Kommunikationspotenzial. Mit entsprechender Unterstützung kann das gelingen.

 

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL