Die Gründungsrepublik
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Floodprotect Der Mechatroniker und Maschinenbau-Ingenieur Markus Niederdorfer hat nach mehrjähriger Entwicklungszeit ein neuartiges System zum Schutz gegen Flut, Hochwasser und Tsunamis in Verbindung mit umweltfreundlicher Energieproduktion realisiert
PRIMENEWS Redaktion 04.12.2015

Die Gründungsrepublik

Mit einer Geschäftsidee Erfolg zu haben, ist manchmal nicht ganz einfach. Inzwischen ist das Thema Start-ups aber auch hierzulande in der ­öffentlichen Diskussion angekommen. medianet hat Jungunternehmer zu ihren ­Geschäftsideen und ihren Standortwünsch

Innovative Jungunternehmer ohne Eigenkapital haben keine Chance in Österreich“, nimmt sich Markus Niederdorfer im medianet-Interview kein Blatt vor den Mund. Er habe ein „Erfinderschicksal pur“ erlitten – trotz internationaler Auszeichnungen: „Die Banken geben vor dem Markteintritt keinen Cent her. Hohes Risiko ohne Besicherung – Basel II lässt grüßen. Die drei Fs (Family, Fools and Friends) sind längst schon ‚ausgepumpt‘. Für Business Angels sind die Beträge zu hoch, und für Venture Capital, Seed-Financing und Private Equity ist die Wachstumskurve noch nicht steil genug. Die Crowd fährt darauf noch nicht ab, weil das Produkt noch keiner kennt. Die Politik redet viel und schön, möchte zwar gern – kann aber leider nicht. Eine Eunuchenstrategie. Der Förderdschungel ist dicht und für Innovatoren schier undurchdringlich. Geld ist dort zwar vorhanden, es ‚abzuholen‘ dauert lang, ist kompliziert und hochbürokratisch – an die EU in Brüssel gar nicht erst zu denken.“

Als Unternehmer habe Niederdorfer „im Grunde nur die Möglichkeit, mit meiner Innovation ins Ausland zu gehen, um dort für Hochwasserschutz zu sorgen, der sich selbst durch die Erzeugung von umweltfreundlicher Energie nach zehn Jahren bezahlt – und damit dort das Budget entlastet. Denn: Dort, wo der Heller geschlagen wird, dort gilt er bekanntlich nix. Später dann erinnert man sich jedoch an die Helden und Söhne bzw. Töchter der Nation, und klopft ihnen auf die Schulter …“

Es wird doch „alles“ getan?

Vizekanzler Mitterlehner und Staatssekretär Mahrer sehen das naturgemäß anders – sie wollen Österreich gar als „Gründerland Nummer eins“ in Europa etablieren, wie es in der gemeinsam mit 250 Stakeholdern erarbeiteten „Gründerland-Strategie“ vorgesehen ist. „Daher müssen wir Innovationen konsequent fördern, die Finanzierung neuer Produkte und Dienstleistungen erleichtern und bestehende Hürden weiter aus dem Weg räumen“, bekräftigen Mitterlehner und Mahrer unter Verweis auf die Erleichterung des Crowdfundings und die ausgebauten Gründerangebote der Förderbank aws.

Ganz neu ist die Änderung der Verordnung zum Neugründungs-Förderungsgesetz (NeuFöG); darin wird die Sperrfrist für einen neuerlichen Schritt in die Selbstständigkeit von fünfzehn auf fünf Jahre reduziert (Details siehe Kasten rechts). Mitterlehner sieht darin eine wichtige Modernisierung der Fördervoraussetzungen: „Dieser Schritt ist ein Bekenntnis der Politik zum Prinzip der zweiten Chance. Denn zahlreiche nationale und internationale Erfolgsbeispiele zeigen, dass der unternehmerische Erfolg oftmals erst beim zweiten Anlauf klappt. Daher wollen wir Menschen mit Mut, Innovationskraft und Unternehmergeist stärker unterstützen.“ Niederdorfer hingegen wäre wohl schon über die erste Chance froh …

„Mit einer Idee Erfolg zu haben ist nie besonders einfach“, sagt mit Runtastic-(Mit-)Gründer Florian Gschwandtner ein top-erfolgreicher Jungunternehmer. Immerhin ist Runtastic eine der erfolgreichsten Fitness- und Gesundheits-Apps der Welt: Das Unternehmen mit Sitz in Pasching bei Linz ist vor allem für seine Lauf- und Fitness-App bekannt, bietet aber mittlerweile ein buntes Ecosystem an „Health & Fitness”-Apps, Hardware, Services und Content an. Im August 2015 ging das Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit Adidas ein. Gschwandtner: „Für junge Unternehmer gibt es einige Hürden, dessen ist man sich vonseiten der Politik bewusst. Aber um ganz ehrlich zu sein, ich bin nicht sicher, ob wir ein unternehmerfreundliches Land werden. Es wird besser – aber zu wenig und zu langsam.“

Aufholbedarf

„Start-up heißt Risiko – und Risiko zu nehmen, heißt auch das Scheitern einzukalkulieren“, sagt auch Peter Ungvari, Geschäftsführer von blitzzcar. „Leider ist bei uns in vielen Köpfen noch der Schuldturm des Mittelalters präsent. Fällt dieser, können wir bei Start-ups noch viel aufholen.“
Die blitzzcar GmbH ist ein junges Unternehmen, das im Bereich Automobilität ein gänzlich neues Konzept anbietet – ganz nach dem Trend: ein Auto zu nutzen, statt es zu besitzen. Mit dem Tesla ­Model S hat blitzzcar das modernste und sicherste Elektrofahrzeug der Welt dafür auserkoren. Über ein Crowd-Investoren-Programm wirken blitzzcar Kunden direkt am Unternehmen mit (medianet berichtete.) Ungvari: „Für blitzzcar ist Österreich ein idealer Testmarkt, um sich im nächsten Schritt auch in anderen Märkten zu bewähren. Denn einer guten Idee zur rechten Zeit steht die Welt offen.“

Die Erfolgschancen der österreichischen Unternehmen könnten besser sein, meint auch ­Johannes Hornig. Er ist noch keine 30 und beschäftigt mehr als ein halbes Hundert Mitarbeiter in der Grazer Spezialitätenrösterei J. Hornig, einem Familienbetrieb mit mehr als einem Jahrhundert Tradition. „Durch zu hohe Steuern, Lohn­nebenkosten und eine ineffiziente Verwaltung werden Unternehmer eher be- und nicht entlastet“, kritisiert Hornig. „Die Zukunft ist digi­tal, global und vernetzt. Um die Abwanderung exzellenter Unternehmen zu verhindern, müssen innovative Ideen gefördert und wirtschaftspolitisch belohnt werden. Das neue Crowdfunding-Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung!“

Das neue Crowdfunding-Gesetz

Dieses neue Gesetz lobt auch Simon Niederkircher von der oekostrom AG, einer Beteiligungsgesellschaft im Eigentum von rund 1.900 Aktionären mit dem Ziel, eine nachhaltige Energiewirtschaft aufzubauen, Kunden österreichweit mit sauberem Strom zu versorgen und den Ausbau erneuerbarer Energiequellen in Österreich zu forcieren. ­Niederkircher: „Wir wollten mit unserem ‚simon Mini Kraftwerk‘ erreichen, dass sich einfach jeder Strom machen kann. ­Österreich hat seit Kurzem eines der fortschrittlichsten Crowdfunding-Gesetze – das hat es uns erleichtert, unsere Idee über eine österreichische Crowdfunding-Plattform erfolgreich zu finanzieren.“

Hervorragende Chancen

Gründer, die eigenes Kapital für die ersten zwei Jahre, berufliche Erfahrungen und Kontakte haben und die in einer der „typisch österreichischen Kernindustriebranche“ gründen, haben sogar hervorragende Chancen, meint der Wiener Investor Gregor Rosinger. „Sie können an international erfolgreiche heimische Netzwerke bzw. Cluster andocken und dadurch Aufträge generieren und sich so die ersten Sporen am Weltmarkt verdienen. Für die Phase danach gibt es auch heimische Investoren und Finanzierungsmöglichkeiten.“
Auch Hansjörg Kofler, Geschäftsführer der furniRent GmbH, meint, dass die Chancen für Jungunternehmer in Österreich „grundsätzlich gut“ stehen. „Wirtschaftlicher Erfolg hängt von einer Geschäftsidee ab, die dem Kunden einen Nutzen oder die Lösung eines Problems bietet, und ist getragen von Fleiß, Beharrlichkeit und Disziplin in der Umsetzung. Die Erkenntnis, zu 100 Prozent selbst verantwortlich zu sein, befreit und ermöglicht Erfolg in jedem Umfeld. Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet ­Gründe.“
Katharina Vokurka hingegen sieht ihren wirtschaftlichen Erfolg – und wohl auch jenen zahlreicher Kollegen – „aufgrund der hohen Sozialabgaben massiv gefährdet“. „Die Sozialversicherung ist derart hoch, dass kleine Betriebe trotz harter Arbeit kaum normal leben können. Die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage für Geringverdiener ist ja nett. Aber gerade EPU, die darüber hinaus sind und noch immer bescheidene Gewinne machen, werden voll zur Kassa gebeten. Das zerstört Österreichs Potenzial!“
„Ich denke, es braucht eine wirklich gute Idee, für die man brennt – wie unser Wohnwagon – und ein Team mit dem richtigen Drive“, rät Theresa Steininger. „Strategischer Vorteil: Wenig Geld brauchen, mit möglichst wenig Fixkosten starten und dann: Dran bleiben! Mit der richtigen Portion Sturheit, Mut und Unternehmergeist geht’s.“

Mut den Gründern!

Mut machen last but not least Wolfgang Deutschmann und Peter Garber, die unter greenrocket.com und homerocket.com zwei der größten Crowdfunding-Plattformen Österreichs betreiben: „Abgesehen von großer Bürokratie und den hohen Lohnnebenkosten, ist Österreich sicherlich nicht die schlechteste Startrampe, um mit einem Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Fast jede Idee hat in Österreich Chance auf eine Förderung!
Für viele Gründer mag das eigene Land langfristig zu klein scheinen, ein guter Ort für den Start kann es trotzdem sein. Mut den österreichischen Gründern!“

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