"Anfeindungen unfassbar"
KSV 1870
KSV-Chef Johannes Nejedlik
RETAIL Redaktion 16.12.2015

"Anfeindungen unfassbar"

Kreditschutzverband kritisiert Vorwürfe im Zusammenhang mit Zielpunkt-Insolvenzeröffnung von allen Seiten

WIEN. Die Experten vom Kreditschutzverband KSV1870 sind heute für Zielpunkt und das Unternehmertum insgesamt in die Bresche gesprungen. Am Beispiel Zielpunkt zeige sich, wie es um das Image des Unternehmertums bestellt sei. "Es ist unfassbar, mit welchen Anfeindungen Unternehmen konfrontiert werden", sagte KSV-Chef Johannes Nejedlik. KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner kritisierte die "alarmierenden Kommentare" der Arbeiterkammer (AK) - aber auch seitens der Gewerkschaft oder von Sozialminister Rudolf Hundstorfer - im Zusammenhang mit der Insolvenzeröffnung von Zielpunkt. Zahlreiche Vorwürfe seien laut geworden, wie, dass dahinter ein Masterplan des Eigentümers Pfeiffer stehe oder die Geschäftsleitung durch die Wahl des Antragszeitpunktes die Zahlung des Weihnachtsgeldes auf das öffentliche Budget übergewälzt habe. Auch der Immobilien-Deal, den Pfeiffer kurz vor der Insolvenzeröffnung tätigte, wurde in der Öffentlichkeit scharf kritisiert.

 Der Leiter eines Unternehmens sei dazu verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, das bedeute sofort, die Insolvenz zu beantragen, stellte Kantner klar. "Ausschließlich, um eine Sanierung sorgfältig zu betreiben, darf mit dem Antrag für eine maximale Dauer von 60 Tagen zugewartet werden." Erscheine dem Management keine Sanierung möglich, gebe es keinerlei Spielraum durch das Gesetz, betonte der Insolvenzexperte. Zielpunkt war buchmäßig überschuldet, weshalb eine Fortbestehensprognose erstellt werden musste bzw. diese laufend überprüft werden musste. Im November konnte die Fortbestehensprognose nicht gehalten werden, was ein Insolvenzgrund ist. Der Chef der Zielpunkt-Konzernmutter Pfeiffer, Georg Pfeiffer, bezifferte den Kapitalbedarf mit 60 Mio. Euro. "Hätten wir uns auf dieses Risiko eingelassen, wären in zwei bis drei Jahren Unimarkt, der Großhandel Nah & Frisch und die ganze Pfeiffer-Gruppe tot gewesen. Dann hätten wir insgesamt fast 5.000 Arbeitslose gehabt. Ich weiß nicht, ob dann die Volksseele zufrieden gewesen wäre", sagte Pfeiffer kürzlich in einem "Kurier"-Interview.

Zur Kritik, die 2.700 Beschäftigten hätten über andere Quellen das Geld bekommen können, meinte Kantner, dass es Unternehmen untersagt sei, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit alte Zahlungen zu leisten. Das wäre eine Gläubigerbevorzugung. "Wer das verletzt, wird persönlich haftbar", so Kantner. Auch der Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung kurz vor Weihnachten sei nicht überraschend gewesen. Eine KSV-Analyse der Insolvenzeröffnungen der letzten 24 Jahre habe ergeben, dass bei Pleiten mit mehr als 150 Mitarbeitern die Spitzen in den Monaten Juni, Juli, Oktober und vor allem Dezember erreicht wurden. "Daher darf mit Fug und Recht konstatiert werden, dass Insolvenzverfahren bei Unternehmen mit vielen Mitarbeitern typisch in zeitlicher Nähe zu Sonderzahlungen stattfinden", sagte Kantner.

Auch der Vorwurf, die Zahlung der November-Gehälter und des Weihnachtsgeldes sei auf das öffentliche Budget überwälzt worden, stimme nicht. Der Insolvenzentgeltfonds sei eine Pflichtversicherung, der nicht aus Steuermitteln befüllt werde, sondern von den Dienstgebern im Wege eines Aufschlages auf die Lohnsumme.

Zum viel diskutierten Immobiliendeal verwies Kantner auf frühere Aussagen von Pfeiffer, wonach dieser ein Verlustgeschäft sei. "Circa 30 Standorte sind so schlecht, dass wir da möglicherweise gar keine Mieter mehr finden. Durch die Insolvenz ist das gesamte Paket weniger wert", sagte Pfeiffer. Pfeiffer übernahm 68 Zielpunkt-Filialen vom früheren Eigentümer Tengelmann. Der Deal wurde praktisch zeitgleich mit der Insolvenz abgeschlossen und nährte den Vorwurf, Pfeiffer investiere lieber in Immobilien, statt in den Fortbestand von Zielpunkt. "Der Vorwurf, die hätten sich nur Filetstücke gesichert, diesen Eindruck konnte man nicht finden", so Kantner. Der KSV ist ein Verein und finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Auftraggeber-Gebühren sowie Zuweisungen durch Insolvenzgerichte. Derzeit hat der Kreditschutzverband 22.000 Mitglieder. (APA)

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