••• Von Georg Sohler
Die Vorrundenleistungen des ÖFB-Herrenfußballnationalteams waren elektrisierend. Gegen Frankreich hat man sich selbst geschlagen, Polen wurde besiegt, dann auch die Niederlande – zum ersten Mal seit 1990, der letzte Pflichtspielsieg gegen die „Oranje“ datiert überhaupt auf 1984. Die Erwartungen für das Duell gegen die Türkei waren hoch und sie wurden spielerisch nicht einmal enttäuscht – einzig der Ball wollte nicht oft genug ins Tor. Gute Leistung, trotzdem ausgeschieden – eine differenzierte Europameisterschafts-Bilanz zieht nun auch der heimische Handel.
Laut dem jüngsten Consumer Check von Handelsverband und MindTake Research verfolgten mehr als die Hälfte der Österreicher die Fußball-EM aktiv mit – sei es daheim vor dem Fernseher oder im Rahmen von Public Viewings. Gemäß der Befragung im Mai geben jene Österreicher, die die EM verfolgen, etwa 30 (aktuell: bis 35) € zusätzlich aus. Jene, die zu Sport- oder Fan-Artikeln greifen (15%), kalkulierten dafür mit Ausgaben in Höhe von 42 €. Während Österreich noch dabei war, kommunizierte der Handelsverband Mehreinnahmen von bis zu 250 Mio. € für die Branche. „Unsere Prognose hätte für den bestmöglichen Fall, also den Einzug Österreichs ins Finale, gegolten. Jetzt bewegen wir uns wohl eher in der Größenordnung von 130 Mio. Euro“, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will gegenüber medianet. Er schränkt ein: „Das ist zum Beispiel deutlich weniger, als etwa der Muttertag an Zusatzumsätzen bringt. Man sollte solche punktuellen Großereignisse als Kaufimpulse nicht unter-, aber auch nicht überschätzen.“ Wer hat also etwas von der Euro?
Zufriedenheit im Diskont
Die Möglichkeiten, sich als Unternehmen mit den Spielern zu schmücken, unterscheiden sich. Diskonter Hofer etwa hat als offizieller ÖFB-Partner die Spieler des österreichischen Nationalteams als Testimonials abgebildet und ließ den bekannten Sänger und Moderator Klaus Eberhartinger sogar den EAV-Song „Märchenprinz“ umtexten. Das Unternehmen zeigt sich „mit dem Umsatz zufrieden“, bittet jedoch um Verständnis, „dass wir zu konkreten Umsatzzahlen keine Auskunft geben können.“
Lidl als „offizieller Frischepartner“ der Euro 2024 setzte ebenfalls auf Aktionen und Specials, die, so das Unternehmen auf Anfrage, „super angenommen wurden“, und denkt das Engagement weiter: „Sport ist eine wichtige Säule für unser langfristiges Engagement im Bereich Gesundheit und bewusste Ernährung. Das möchten wir auch weiterhin über unsere Sportsponsorings transportieren.“
Konsumiert würden laut Will dabei in erster Linie kleinere Speisen und Snacks sowie alkoholfreie und alkoholische Getränke: „Jede fünfte Person in Österreich hat aus Anlass der Fußball-EM auch Fleisch eingekauft, um vor oder nach dem Match gemeinsam im Freundes- oder Familienkreis zu grillen.“ Jubel gibt es aber nicht allerorts.
„Keine großen Auswirkungen“
Das Auftaktspiel der Österreicher gegen Frankreich fand am Montag um 21 Uhr statt, das Achtelfinale gegen die Türkei an einem Dienstag um 21 Uhr. Lediglich das Spiel gegen Polen (Freitag, 18 Uhr) sowie mit Abstrichen das Duell mit den Niederlanden (Dienstag, 18 Uhr) eigneten sich für größere Feste.
Vielleicht kommt Spar-Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann deshalb zu ihrem Schluss: „Die EM hat auf den Lebensmittelhandel keine wirklich großen Auswirkungen. Es schnellen weder die Chips noch die Bierverkäufe relevant in die Höhe.“ Oder anders vermutet: Das eine oder andere Grillfest schmeißen die Österreicher sowieso, jetzt wurde eben dabei Fußball geschaut.
Prost drauf!
Ein Unternehmen, das sich über die Absätze wiederum freut, ist hingegen Stiegl. Die Privatbrauerei ist allerdings seit 2003 einer der Sponsoren des ÖFB. „Natürlich hat sich die große Euphorie rund um die Erfolge unserer Nationalmannschaft auf den Bierkonsum und damit auf den Absatz ausgewirkt“, erklärt Ingo Wuppinger, Stiegl-Verkaufsleiter Handel. „Der ‚Team-Spirit‘-Funke unserer ÖFB-Elf ist quasi auf das Publikum übergesprungen und beim gemeinsamen Fußball-Schauen gehört für viele einfach ein erfrischendes Bier dazu.“ Bereits im Vorfeld der Fußball-EM gab es entsprechende Begleitmaßnahmen im Handel, wie die EM-Sondereditionen im ÖFB-Design. „Um konkrete Zahlen zu nennen, ist es zum jetzigen Zeitpunkt aber noch zu früh“, so Wuppinger.
Auch Coca-Cola Österreich – ebenfalls ÖFB-Partner – zeigt sich erfreut: „Rund um ein Großereignis wie die Fußball-Europameisterschaft freuen wir uns über signifikante Zuwächse, die im zweistelligen Bereich liegen; das große Plus kommt hier aus dem Handel“, so Unternehmenssprecher Philipp Bodzenta. Allerdings wären Frühling und Sommer nicht zuletzt aufgrund der höheren Temperaturen grundsätzlich sehr starke Saisonen.
Branchen, die gewinnen
In anderen Bereichen, etwa bei TV-Geräten, sei schon ein Umsatzplus von zehn bis 20% drinnen, erklärt Will. „Der Elektro- und Elektronikfachhandel gehört erfahrungsgemäß zu den Gewinnern von sportlichen Großereignissen: Je größer der Bildschirm, umso mehr Spaß macht es, ein Match anzusehen. Jumbo-TVs waren deshalb im Vorfeld der EM ein Renner“, meint der Handelssprecher „So mancher Lokal- und Restaurantbesitzer hat seinen Gastgarten mit neuem Video-Equipment aufgerüstet. Eine weitere Neuheit, die der Elektrohandel gut verkauft hat, waren akkubetriebene, tragbare Fernseher, die man auch im Park, am See oder beim Camping nutzen kann.“
Mit längerfristigen positiven Nachwirkungen sei insbesondere im Sportartikelhandel zu rechnen. Durch die Erfolge der österreichischen Nationalelf könne man sich sicher sein, dass das Interesse am Fußballsport nochmals einen zusätzlichen Push erhalten hat und eine neue Generation an Fußballfans heranwächst. Hervis bestätigt Wills Analyse – die Trikots waren schnell ausverkauft.
Thorsten Schmitz, Geschäftsführer von Intersport Austria, teilt die Analyse für den Sportwarenhandel: „Die Begeisterung hat einen wahren Run auf die Fanartikel der ÖFB-Nationalteams ausgelöst. Bei den Trikots und Schals hat sich der Umsatz vervierfacht. Allein am Tag des Länderspiels Österreich–Niederlande haben wir rund 1.700 Trikots verkauft. Im Handel ist die EM ganz klar ein Frequenzbringer.“ Abseits von den positiven Auswirkungen auf das Teamsport-Segment freut sich Intersport auch, wenn durch das Kicken und die Euphorie viele Kinder zum ersten Mal mit Sport in Berührung kommen: „Das ist für mich der wahre Mehrwert einer Fußball-Europameisterschaft.“ Es ist eben nicht alles in Zahlen zu gießen.
Was bleibt?
Am 14. Juli endet die Europameisterschaft. Dann folgen gleich die Olympischen Sommerspiele in Paris ab 26. Juli, wo es zwar vielleicht nicht in dem Ausmaß Grillfeste, Public Viewing und Co. geben wird, aber vielleicht auch die eine oder andere sportliche Sternstunde.
Denn für Rainer Will ist die Europameisterschaft wegen einer Sache wichtig: „Die Euro 2024 sorgt in wirtschaftlich und politisch eher turbulenten Zeiten für positive Stimmung und verbindende Erlebnisse.“ Er hofft, dass dies anhält: „Der Handel ist ganz stark von der Konsumstimmung abhängig. Verbessert sich die allgemeine Stimmung im Land, steigt auch die Kauflaune.“ Er hofft, dass dies nun so bleibt.