WIEN. Die Fahrradverkaufszahlen haben sich in den letzten fünf Jahren auf einem hohen Niveau bei etwa 480.000 Stück eingependelt. Davon sind immer mehr Fahrräder qualitativ hochwertige E-Bikes, was sich auch beim Umsatz bemerkbar macht. Diese Entwicklung wird durch Dienstfahrradmodelle begünstigt, denn die Kund:innen im Sport- und Fahrradfachhandel greifen verstärkt zu höherpreisigen E-Bikes mit vielfältiger Ausstattung.
Rasant steigende Wirtschaftskraft
2022 wurden rund 506.000 Fahrräder von der Industrie an den Sport- und Fahrradfachhandel verkauft (+ 3,2%). Welche Wirtschaftskraft die Fahrradbranche einnimmt, belegen die Umsatzzahlen: 2021 wurde mit Fahrradverkäufen zum ersten Mal die Milliardenmarke überschritten. 2022 konnte der Umsatz noch einmal um 36 Prozent auf 1,39 Milliarden EUR gesteigert werden. Mit dem Verkauf von Zubehör und Ersatzteilen wurden schätzungsweise zusätzlich rund 200 Millionen Euro eingenommen. Durchschnittlich zahlte man 2022 für ein E-Bike 4.203 EUR (+ 23,3%), für ein nicht-elektrisches Fahrrad 1.790 EUR (+ 39%) und für ein Kinder- und Jugendfahrrad 473 EUR (+ 4,2%).
„Während andere Handelsbranchen von 2021 auf 2022 weiterhin mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen hatten, ist der Sportfachhandel gewachsen - und das um 5,9% auf 2,38 Milliarden Euro“, erläutert Holger Schwarting, Sprecher des VSSÖ-Präsidiums und Vorstand Sport 2000 Österreich. „Damit liegt der Sportfachhandel auf Platz 3 der Branchen mit dem größten Umsatzplus hinter dem Bekleidungshandel (+19%) und dem Schuhhandel (+10,4%). Rund ein Viertel des Gesamtumsatzes werden mit Fahrradverkäufen generiert. Das zeigt, welche Strahlkraft das Fahrrad für den Wirtschaftsstandort Österreich einnimmt.“
Dienstfahrradmodelle als Umsatztreiber
Grund für die starke Umsatzsteigerung sind die E-Bike-Verkäufe. Mit einem Umsatz von 1,03 Milliarden EUR machen E-Bikes 74 Prozent des Gesamtumsatzes mit Fahrrädern aus. Das ist eine Umsatzsteigerung von 36 Prozent, während die Absatzmenge um 11 Prozent auf 246.728 Stück gestiegen ist. "Die aktuelle steuerliche Vergünstigung fördert den Verkauf von höherpreisigen Dienstfahrrädern in Österreich. Ein Blick auf Deutschland, wo Dienstfahrräder schon sehr viel verbreiteter sind, verrät uns aber, dass das Potenzial beim Fachhandel noch viel größer ist. Mit den richtigen Fördermaßnahmen und einem Ausbau der Radinfrastruktur können noch viel mehr Bevölkerungsschichten in Österreich das Radfahren für sich entdecken“, Hans-Jürgen Schoder, Sprecher der ARGE Fahrrad und CEO von Thalinger Lange.
Diese Beobachtung teilen auch die Sport- und Fahrradfachhändler:innen in Österreich. Eine Blitzumfrage der ARGE Fahrrad und des VSSÖ unter den Expert:innen zeigt, dass bei knapp 80 Prozent der Sport- und Fahrradfachhändler:innen die Kund:innen mehrmals im Monat nach Dienstfahrradmodellen und -anbieter:innen fragen. Bei 40 Prozent passiert das sogar schon mehrmals die Woche.
Jedes zweite, in Österreich verkaufte Fahrrad ist ein E-Bike (Marktanteil = 49%). Dabei sind E-Cityräder und E-Trekkingräder nach wie vor die beliebteste Modellkategorie (127.595 Stück, + 9,8%), dicht gefolgt von E-Mountainbikes (105.400 Stück, + 4,6%).
Großes Potenzial bei E-Transportfahrrädern und Falträdern
(E-)Transporträder werden immer beliebter: Vor allem im urbanen Bereich steigt die Nachfrage durch den vielfältigen Einsatzbereich (privater Transport/Familien, gewerbliche Distribution/Lieferungen). 2022 hat sich der Markt im Vergleich zum Vorjahr das zweite Mal in Folge verdoppelt: Zu den 4.223 E-Transportfahrrädern kommen noch 552 nicht elektrisch betriebe Transportfahrräder (+ 17%). Neben dem klimafreundlichen Transport durch (E-)Cargobikes spielen auch Falträder in Kombination mit dem öffentlichen Nahverkehr eine wichtige Rolle für die Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor. 2022 wurden 3.917 Falträder verkauft (+ 63%).
Damit zeigt sich, dass der Markt für (E-)Transportfahrräder und Falträder zwar noch auf einem recht niedrigen Niveau ist, das Wachstumspotenzial aber groß ist. Einen Schlüsselfaktor, um das Potenzial auszuschöpfen, spielt nicht nur der Kaufanreiz in Form der E-Mobilitätsförderung, sondern auch der Ausbau der Fahrradinfrastruktur. „Erstmals wurden auch Falträder in der Mobilitätsförderung berücksichtigt. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, bestätigt Michael Nendwich, Sprecher des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer des VSSÖ. „Fakt ist jedoch, dass kollektivvertragsgebundene Arbeitnehmer vom Dienstfahrrad aktuell noch nicht profitieren. Das muss sich ändern. Auf der anderen Seite ist es wichtig, in die Fahrradinfrastruktur zu investieren: Cargobikes sind bislang ein urbanes Thema und selbst hier gibt es oft nicht genug Raum. Im ländlichen Bereich haben wir noch deutlich Luft nach oben.“
Positiver Ausblick des Sport- und Fahrradfachhandels auf das kommende Jahr
Die Blitzumfrage der ARGE Fahrrad und des VSSÖ zeigt außerdem: Jetzt ist der ideale Zeitpunkt für den Fahrradkauf. Die Lagerflächen im Sport- und Fahrradfachhandel sind sehr gut bestückt, es sind zahlreiche Modelle direkt im Handel ohne Wartezeiten erhältlich. Mit dieser Stimmung blicken die Händler:innen auch auf die Osterverkäufe. Ein Drittel der Befragten erwartet einen ähnlichen Umsatz im Ostergeschäft 2023 wie im Vorjahr. Ein Viertel (27%) erwartet sogar eine Steigerung der Umsätze zu Ostern 2023 um bis zu 15 Prozent. 39 Prozent der Befragten rechnen jedoch mit einem geringeren Umsatz in dieser Periode im Vergleich zum Vorjahr – die meisten davon bis zu minus 15 Prozent.
Der Wirtschaftsfaktor Fahrrad bringt außerdem Schwung in die Investitionen der Geschäfte: Etwa die Hälfte der Befragten plant für dieses und kommendes Jahr Investitionen zu tätigen. Davon wollen 20 Prozent ihre Werkstätten ausbauen und 19 Prozent ihre Verkaufsflächen.