Geflügelbranche wehrt sich gegen Billiggeflügel aus dem Ausland
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Markus Lukas, Maria Pein, Dieter Lugitsch, Rudolf Stückler und Albert Kriwetz
RETAIL Redaktion 09.09.2019

Geflügelbranche wehrt sich gegen Billiggeflügel aus dem Ausland

Maria Pein: Brauchen keinen Backhendl-Salat aus Brasilien oder der Ukraine.

WIEN. Freihandelsabkommen nicht auf Kosten der Bauern und des Klimas; Geflügelfleisch ist im Trend. Mit dem heimischen Maishendl – es steht für Qualität, Tierwohl und gentechnikfreie Fütterung – gelang der Branche erfreulicherweise ein kontinuierliches, moderates Wachstum. „Allerdings ist dieser eingeschlagene Weg jetzt in Gefahr. Geplante internationale Handelsabkommen, insbesondere mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten und der Ukraine, werden die heimischen Märkte mit Billiggeflügel aus fragwürdigen Haltungen mit niedrigeren Standards fluten. Auch der drohende Brexit lässt erheblichen Preisdruck erwarten“, ist Vizepräsidentin Maria Pein sehr besorgt. Für sie steht fest: „Wir lehnen derartige wettbewerbsverzerrende Freihandelsabkommen auf Kosten unserer Bauern, unseres Klimas und der Umwelt entschieden ab.“

Store-Check: Schon jetzt großes Manko bei Herkunft von Lebensmitteln mit Geflügelfleisch. „Wir brauchen keinen steirischen Backhendl-Salat aus Brasilien oder der Ukraine“, macht die Vizepräsidentin auf ein eklatantes Manko bei der Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln mit Geflügel aufmerksam. Der brandaktuell Anfang September von der Landwirtschaftskammer durchgeführte Store-Check lässt jetzt schon die Alarmglocken schrillen: Bei satten 75 Prozent der insgesamt 114 untersuchten Fertig- und Halbfertigprodukten mit Geflügelfleisch wird den Konsumenten die Fleischherkunft verheimlicht – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist bei diesen Produkten anonymes, ausländisches Geflügel drinnen. Und: Auf fast einem Fünftel dieser offensichtlich herkunftslosen Geflügelprodukte (18,9 Prozent) sind rot-weiß-rote Banner sowie Fähnchen (Zusatzangabe: Hergestellt in Österreich) und sogar rot-weiß-rote Herzen angebracht, obwohl höchstwahrscheinlich ausländisches Geflügel drinnen ist.

Markus Lukas: Herkunftsland auf ersten Blick eindeutig sichtbar machen und Konsumenten vor Täuschung schützen. „Niemand will beim Einkaufen beschwindelt werden. Wir wollen die Konsumenten vor Irreführung und Täuschung schützen“, sagt Markus Lukas, Geflügelbauer und Obmann der Österreichischen Geflügelgenossenschaft (GGÖ). Daher verlangt die Geflügelbranche einhellig, dass das tatsächliche Herkunftsland des Geflügelfleisches auf der Vorderseite der Verpackung groß und auf den ersten Blick eindeutig erkennbar angegeben wird. Für Österreich ist das rot-weiß-rote AMA-Gütesiegel, welches beste Qualität, Tierwohl, gentechnikfreie Fütterung sowie die heimische Herkunft (geboren, aufgewachsen und geschlachtet in Österreich) garantiert, die ideale Herkunftskennzeichnung. Eine verpflichtende Kennzeichnung der Fleischherkunft ist auch bei Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung notwendig, verlangt Lukas.

Dieter Lugitsch: Kritik an Tiefstpreis-Aktionen mit ausländischem Geflügelfleisch. Auf scharfe Kritik stoßen die laufenden Tiefstpreis-Geflügelfleisch-Aktionen des Handels beim steirischen Geflügelfleisch-Verarbeiter Lugitsch. Dazu Geschäftsführer Dieter Lugitsch: „Als traditionelles und ambitioniertes steirisches Unternehmen kommen wir bei den Aktionen des Handels nicht mehr zum Zug. In großen Mengen bietet der Handel als Aktionsware Billiggeflügel aus Polen, Deutschland oder Ungarn an. Der Schaden für Bauern und Verarbeiter ist groß.“ Vom Gesetzgeber verlangt Lugitsch für die Konsumenten Wahlfreiheit bei der Herkunft und er rät den Verbrauchern im Geschäft, im Gasthaus und in Restaurants sowie in Kantinen und Gemeinschaftspflegeeinrichtungen nach der Herkunft des Geflügelfleisches zu fragen. Gleichzeitig fordert er für die Branche eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Geflügelspeisen bei der Außer-Hausverpflegung. Lugitsch: „In einem heimischen Backhendl darf niemals Polen, Ungarn oder Ukraine drinnen sein.“

Albert Kriwetz: Gäste gehen davon aus, dass Österreich drinnen ist. „Zum Nachfragen, woher das Backhendl tatsächlich kommt“, rät auch der Grazer Gastronom Albert Kriwetz, der das Restaurant Eckstein führt. Kriwetz: „Unsere Gäste gehen davon aus, dass im Backhendl Österreich drinnen ist. Doch das ist nicht überall so.“

Federführend. „Das Maishendl ist hinsichtlich Geschmack, Aufzucht, Haltung und Fütterung weltweit federführend“, unterstreicht Rudolf Stückler von der Agrarmarkt Austria (AMA). Der Mehrwert des heimischen Geflügelfleisches ist neben der Gentechnikfreiheit und seiner unverwechselbaren gelben Farbe, das weltweit größte Platzangebot für die Tiere, tageslichtdurchflutete Ställe sowie die Haltung in verantwortungsvoller Bauernhand.

Details zum Store-Check
Anfang September hat die Landwirtschaftskammer den Store-Check Geflügelfleisch durchgeführt. Unter die Herkunftslupe wurden insgesamt 163 Proben genommen, davon waren 49 Frischgeflügel-Proben und 114 Proben waren Fertig- und Halbfertigprodukte mit Geflügelfleisch wie Wurstwaren, Geflügelnuggets oder küchenfertiges paniertes Geflügelfleisch, Geflügelburger, Pizzen oder fertige Salate mit Geflügelfleisch.

Großes Kennzeichnungsmanko: Lebensmittel mit Gelflügelfleisch. Bei den 114 untersuchten Fertig- und Halbfertigprodukten kommt der Löwenanteil des verwendeten Geflügelfleisches (75 Prozent) mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Ausland. Auf einem knappen Fünftel davon wehen sogar noch rot-weiß-rote Banner und Fähnchen oder rot-weiß-rote Herzen mit dem Zusatz „Hergestellt in Österreich“, obwohl von ausländischem Geflügelfleisch auszugehen ist. Nur ein Viertel (25 Prozent / 29 Proben) ist nachvollziehbar aus Österreich. Damit die Konsumenten Wahlfreiheit haben, verlangt die Landwirtschaftskammer eine auf den ersten Blick gut erkennbare Angabe des Herkunftslandes auf der Vorderseite der Verpackung. Gefordert wird auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Speisen der Gemeinschaftsverpflegung wie Kantinen, Mensen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen.

Frischgeflügel: Das Angebot an heimischem Frischgeflügel ist gut. Knapp drei Viertel (73,5 Prozent) der insgesamt 49 überprüften Frischgeflügelproben kommen aus Österreich. Ein Viertel (26,5 Prozent) sind ausländischer Provenienz. Die Store-Checker der Landwirtschaftskammer bemängeln allerdings, dass häufig zu viele Logos auf der Verpackung sind, das tatsächliche Herkunftsland ist erst nach einem prüfenden zweiten Blick zu finden. Wünschenswert ist, dass das Herkunftsland auf den ersten Blick gut zu erkennen ist.

Ernährung: Weniger Fett, weniger Kalorien, mehr Genuss. Geflügelfleisch ist als gesund, fett- und kalorienarm sowie leicht verdaulich bekannt und ein besonders hochwertiges Lebensmittel, weil sein Eiweiß vom menschlichen Körper besonders gut aufgenommen wird. Aufgrund der hervorragenden Futterverwertung ist Geflügelfleisch ein besonders nachhaltig hergestelltes Lebensmittel. (red)

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