Luxusgüterfirmen reiben sich wegen Chinesen-Rückkehr schon die Hände
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RETAIL Redaktion 10.01.2023

Luxusgüterfirmen reiben sich wegen Chinesen-Rückkehr schon die Hände

Beobachter glauben aber nicht an rasche Rückkehr von Verkaufszahlen von vor der Coronakrise.

PEKING. Das bevorstehende Ende der Reisebeschränkungen in China dürfte die Nachfrage in den Luxusgüter-Geschäften nach drei Jahren ohne Touristen aus dem für die Branche wichtigen Land ankurbeln. Die Aktienkurse von global tätigen Luxusgüterunternehmen wie LVMH, Richemont oder Prada stiegen in der vergangenen Woche sprunghaft an, nachdem Peking angekündigt hatte, die Reisebeschränkungen ab dem 8. Jänner zu lockern.

Die Branche hofft, dass Besucherinnen und Besucher aus China in Scharen in die globalen Einkaufszentren von Paris, New York und Tokio pilgern. Doch Analysten und Branchenvertreter warnen, dass eine unmittelbare Rückkehr Reisender aus China auf das Niveau vor der Pandemie unwahrscheinlich sei. Denn viele Fluggesellschaften haben ihren Betrieb noch nicht wieder vollständig hochgefahren und im Land selbst gehen die Preise für Schmuck, teure Uhren und edle Kleidung zurück. Daher sei es wichtig, dass die großen Luxusmarken in China vermehrt in das Kauferlebnis investieren.

Bevor die Grenzen Anfang 2020 wegen der Pandemie zugingen, kauften chinesische Kunden 70 Prozent ihrer Luxusartikel im Ausland. Die Reisebeschränkungen zur Eindämmung des Virus führten dann zu einem Geschäftsboom in China selbst: Bain & Co zufolge verdoppelte sich der Umsatz mit Luxusgütern in China im Zeitraum 2019 bis 2021 auf umgerechnet 68,25 Milliarden Dollar. Gleichzeitig ging der Marktanteil der chinesischen Verbraucher weltweit von 25 auf 21 Prozent zurück. Dass chinesische Käufer künftig wieder 70 Prozent ihrer Luxuswaren im Ausland kaufen werden, hält Jonathan Yan, Direktor bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Shanghai, für unwahrscheinlich. "Ich bin mir sicher, dass ein Teil der Luxusausgaben weiterhin in anderen Ländern getätigt werden wird, weil die Menschen auf Reisen natürlich gerne einkaufen", sagte er. "Aber es wird eher 50:50 sein."

Luxusmarken wie Louis Vuitton, Gucci, Burberry oder Coach haben ihre Präsenz in China in den vergangenen drei Jahren signifikant ausgebaut, neue Flagship-Stores eröffnet und große Modeschauen veranstaltet, um Kunden zu erreichen, die nicht ins Ausland reisen können. Mitarbeitende vor Ort konnten damit Beziehungen zu Chinas VIP-Kunden aufbauen und vertiefen, die zuvor lieber im Ausland zugeschlagen hatten. Einer Studie der in Hongkong ansässigen Beratungsfirma Oliver Wyman zufolge greifen 70 Prozent der chinesischen Luxusgüter-Käufer auf Assistenten zurück, um sie bei ihren Einkäufen zu unterstützen, und 40 Prozent haben mindestens einmal pro Woche Kontakt mit dem Verkaufspersonal. Laut Oliver-Wyman-Experte Kenneth Chow hat die Hälfte der chinesischen Konsumenten, die im Jahr 2021 Luxusartikel kauften, dies zum ersten Mal getan. "Es wird interessant zu sehen, wie die neuen Luxusgüter-Konsumenten den Unterschied zwischen Luxuseinkäufen im Inland und in Übersee wahrnehmen werden."

Die internationalen Reisebeschränkungen und lokalen Bemühungen zur Ankurbelung des Konsums trieben viele Käufer von Luxuswaren auch auf die chinesische Insel Hainan, wo sie steuerfrei einkaufen können. 2021 stieg Hainans Anteil an den inländischen Ausgaben für Luxusgüter auf 13 Prozent von sechs Prozent vor der Pandemie. Und die steuerlichen Bestimmungen für die Insel sollen weiter gelockert werden. Bis 2025 soll es Luxusmarken möglich sein, eigene Duty-Free-Shops zu betreiben, statt sich auf Partnerschaften mit lokalen Anbietern wie der China Duty Free Group zu verlassen. Roland-Berger-Experte Yan zufolge wird die Popularität von Hainan weiter zunehmen, auch, weil nur 13 Prozent der Chinesen einen Reisepass besitzen.

Hainan und die Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Senkung der Einfuhrzölle auf Luxusgüter in den Jahren 2018 und 2019 haben den Anreiz für preisbewusste Kunden, im Ausland einzukaufen, gedämpft. So sind Handtaschen in China jetzt nur noch rund zehn bis 20 Prozent teurer als in Übersee, nachdem sie zuvor bis zu 60 Prozent mehr kosteten. Luca Solca, Analyst bei Bernstein, erwartet, dass Luxusgüterhersteller weiter daran arbeiten werden, die grenzüberschreitenden Preisunterschiede zu verringern, obwohl die Bemühungen durch die Abwertungen des Yuan gegenüber dem Dollar erschwert werden. "Die Rückkehr der Chinesen nach Europa, wo die Preise niedriger sind, wird einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte er und rechnet erst 2024 mit einer breiten Wiederaufnahme von Langstreckenreisen.

Seit der Ankündigung, dass die Quarantäne aufgehoben wird, haben die Suchanfragen und Buchungen für Auslandsreisen eine Präferenz für internationale Kurzstreckenziele gezeigt, angeführt von Hongkong, Südkorea und Japan. Für viele Konsumenten bedeutet jedoch das breitere Angebot an Luxusgütern in Übersee in Verbindung mit den günstigeren Preisen, dass Shopping-Urlaube definitiv wieder auf der Tagesordnung stehen - eine gute Nachricht für die Pariser Boutiquen und Geschäfte. "Der Bulgari-Ring, den meine Freundin haben möchte, ist in Dubai 20 Prozent billiger", sagte die 31-jährige Lucy Lu, die in Shanghai in der Modebranche arbeitet und die ihre Reisepläne bereits geschmiedet hat. "Und meine andere Freundin hat mir eine Liste mit Make-up-Produkten gegeben, die in China oft nicht vorrätig sind, sodass es einfacher ist, sie im Ausland zu kaufen." (APA/Reuters).

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