Spar-Chef sorgt sich um Energie und Einkaufsvorgaben der Industrie
© APA / Spar / Helge Kirchberger
Fritz Poppmeier.
RETAIL Redaktion 12.05.2022

Spar-Chef sorgt sich um Energie und Einkaufsvorgaben der Industrie

WIEN. Spar-Chef Fritz Poppmeier sorgt sich um die hohen Energiepreise und die Frage, wie gut abgesichert die Versorgung mit Erdgas ist. Ohne Gas würden Molkereien und Fleischverarbeitung stillstehen, warnte er am Dienstag,
10. Mai 2022. Deshalb sollten die Gasspeicher schnell gefüllt werden. Warenlieferprobleme gebe es aktuell keine, zumindest nicht in großem Stil. Wegen der hohen Inflation sollte die sogenannte kalte Progression abgeschafft werden.

Lebensmittel sollten jedoch nicht von der Mehrwertsteuer entlastet werden, meinte Poppmeier am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Denn einerseits sei sicher die Abgrenzungsfrage schwierig, was alles Grundnahrungsmittel seien und was nicht - und zweitens bestehe mehrfach die Gefahr eines zusätzlichen Inflationsschubs, bei der Streichung und bei der Wiedereinführung. Dass die Händler eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht den Kunden weiterreichen würden, sei wegen der großen Konkurrenz aber nicht zu erwarten; Spar würde eine solche Entlastung weitergeben, versicherte er. Spar betreibt in Österreich und vier Nachbarländern 3.000 Märkte - davon mehr als die Hälfte im Inland, hiervon fast 700 von selbstständigen Spar-Kaufleuten. Besser zur Kaufkraftstärkung wäre wohl eine Steuersenkung auf Energie und ein Aus für die kalte Progression in den untersten zwei Stufen, so der Spar-Chef.

Die geplante Herkunft-Kennzeichnungsverpflichtung begrüßte Poppmeier, das sei "eine gute Sache". Damit habe Spar auch an seinen Gastronomie-Standorten kein Problem: Alle 80 Restaurants würden seit 2. Mai die Herkunft ausweisen - Fleisch, Milch und Eier seien zu 100% heimische Produkte. Das Schnitzel in der Gastronomie müsse wegen der Auszeichnung nicht teurer werden, wenn dann eher durch Lieferprobleme. Für die Produzenten in Österreich könnte es aber problematisch sein, dass es - kurz bevor im Herbst auch die EU etwas zur Kennzeichnung plane - jetzt in Österreich etwas Eigenes gebe. Eine Herkunftsbezeichnungspflicht ab 2023 ist derzeit in Begutachtung.

Die Strategie der EU-Kommission für eine nachhaltigere Landwirtschaft ("Farm to Fork"/"Vom Hof zum Teller") sei ein wichtiger Punkt für Spar, sagte Poppmeier. Er wolle gemäß dem "Green Deal" kein Gift im Boden, in der Luft und im Wasser, man sei auch gegen eine Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. "Wir sind für Bio. Am Ende geht es um das Kundenvertrauen." Obwohl man bei Spar selbst "auch Bauern" sei, verwies Poppmeier auf 100 ha Wein in Fels am Wagram in NÖ. Für Herbst kündigte er die Vorstellung des neuen größten heimischen Fischzentrums in Perschling in NÖ an, wo man neue Wege in der Beschaffung gehen wolle.

In der aktuellen Krise durch den Russland-Ukraine-Krieg oder aufgrund von Lieferkettenschwierigkeiten gebe es aktuell keine Warenlieferprobleme, zumindest nicht in großem Stil. Lediglich im Non-Food-Bereich sei man von einigen Lieferverzögerungen durch China betroffen, Stichwort Corona-Lockdown in Shanghai mit einem der größten Häfen der Welt. Einen Run gebe es zeitweise nur auf bestimmte Produkte, etwa Pflanzenöle, bei denen die Ukraine wie auch bei Weizen ein großer Produzent sei. Vermutlich liege viel Speiseöl in Mariupol im Südosten der Ukraine und könne nicht weg, es gebe in Österreich aber sehr viel eigene Erzeugung.

Klopapier, "der Panik-Index", wie es Poppmeier formuliert, schlage derzeit nicht an wie im März 2020 zu Beginn der Coronapandemie. "Bei uns ist die Warenversorgung gesichert" - teils auch besser als beim Nachbarn Deutschland", meinte Poppmeier zu einem Bericht über leere Regale dort vor einigen Wochen. Dort, wo es geht, erhöhe man die Lagerhaltung, das sei bei Lebensmitteln aber nur bedingt möglich. Die Menschen würden jedoch ganz bewusst auf Diskontpreise schauen.

Kritik übte der Spar-Chef an der Vorgangsweise von Markenartiklern, dem Handel vorschreiben zu wollen, in welchem Land bzw. aus welcher Erzeugung man ein bestimmtes Produkt kaufen solle. "Ich kann nicht jedes Markenprodukt für alle fünf Länder dort einkaufen, wo ich will", sagte Poppmeier. Das betreffe "einen wesentlichen Anteil des Sortiments". Es gehöre offensichtlich zur Strategie der Markenartikler, ein Produkt in einer bestimmten Region "wertschöpfungsoptimal" anzubieten. Wäre das nicht so, dann "könnten wir eine bessere Qualität zu einem besseren Preis einkaufen". Zum Glück beginne sich die EU verstärkt mit diesem Thema zu beschäftigen.

Ein besonderes Anliegen ist Poppmaier eine weitere Reduktion der Lebensmittelverschwendung. Viele gekühlte Waren würden länger als das sogenannte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) halten - man solle nichts nur wegen des Datums wegschmeißen. Vermutlich nur fünf bis sieben Prozent der Lebensmittelverschwendung seien dem Handel anzulasten, der Großteil spiele sich in den Haushalten und der Gastronomie ab. Die Spar-Läden hätten zu 96% Vereinbarungen mit Tafeln, also Sozialorganisationen, für eine weitere sinnvolle Nutzung. (APA)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL