WIEN. Österreich befindet sich mitten im dritten harten Lockdown, zumindest bis 7. Februar 2021 muss der heimische Non-Food Handel noch geschlossen bleiben. Damit wird sich die Zahl der Corona-bedingten Schließungen für viele Händler auf insgesamt 90 Einkaufstage summieren. Der Handelsverband hat die Verlängerung des Lockdowns zum Anlass für eine Blitzumfrage genommen.
Non-Food-Handel drohen 2021 Umsatzeinbrüche von
40 Prozent
"84 Prozent der heimischen Händler rechnen auch 2021 mit heftigen Umsatzeinbußen von durchschnittlich 40 Prozent im Vergleich zu 2019. Gleichzeitig werden die Hilfsanträge vieler betroffener Händler immer wieder aus Formalgründen abgelehnt, obwohl Steuerberater die Anträge einbringen. Monate vergehen und die Gehälter und Mieten sind weiterhin zu berappen. Sollten die Corona-Hilfsmaßnahmen nicht unbürokratischer zugestanden werden und rascher auf die Konten gelangen, wird die Hälfte der Non-Food-Händler die nächsten sechs Monate nicht überstehen", fasst Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, die zentralen Ergebnisse der Befragung zusammen.
Status quo: Massive Verluste im stationären Handel
84% aller österreichischen Händler im Non-Food-Handel rechnen heuer mit Verlusten im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019, ein Viertel befürchtet Verluste von mehr als 50% bis hin zum Totalausfall. Besonders beängstigend ist, dass fast drei Viertel aller Händler (73%) im heurigen Jahr weitere Verluste auch im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 erwarten.
Zwar sind die Umsätze im Onlinehandel 2020 im Vergleich zu 2019 um mehr als 30% und im Jänner 2021 sogar um 50% gestiegen, doch damit kann nur ein Bruchteil der Verluste im geschlossenen stationären Handel abgedeckt werden.
Corona-Hilfen: Viel beantragt, wenig ausbezahlt
Bei keiner einzigen Kategorie an staatlichen Hilfen gaben mehr als 22% der Händler an, die Gelder bereits vollständig erhalten zu haben. Die Kurzarbeit wurde in knapp 21% der Fälle vollständig ausgezahlt, bei einem Drittel der Beantragungen wurden Auszahlungen noch gar nicht oder nur teilweise vorgenommen.
Der Lockdown-Umsatzersatz wurde laut Befragung erst an 14% jener Unternehmen, die diesen beantragt haben, vollständig ausbezahlt. Die Hälfte der befragten Unternehmen hat noch keine oder nur einen Teil der Hilfe erhalten, 19% erfüllen die Voraussetzungen nicht.
Knapp ein Viertel der Befragten hat das Gefühl, dass die Hilfen zwar in vollem Umfang ankommen, jedoch zeitverzögert. Mehr als jeder zweite Befragte (51%) hat das Gefühl, die Hilfen würden nur teilweise ankommen. Ein weiteres Viertel geht davon aus, dass die Hilfen eher nicht oder gar nicht ankommen.
Zufriedenheitsranking: Kurzarbeit gut, aber bürokratisch, Unzufriedenheit bei Ausfallsbonus & Verlustersatz
60% der betroffenen Händler nutzen zurzeit die Corona-Kurzarbeit, 35% Steuerstundungen, 60% den Fixkostenzuschuss, 40% den Verlustersatz und 75% den Lockdown-Umsatzersatz. Wie zufrieden sind die österreichischen Händler mit den Corona-Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung?
Corona-Kurzarbeit (48% Zufriedenheit)
Steuerstundungen (41%)
Lockdown-Umsatzersatz (40%)
Härtefallfonds (34%)
Fixkostenzuschuss (30%)
Ausfallsbonus (14%)
Verlustersatz (13%)
Mit jedem weiteren Tag im Lockdown wächst auch die Verzweiflung der Betriebe. Hauptkritikpunkt beim Ausfallsbonus ist für zwei Drittel, dass die Ersatzrate mit 15% Ausfallbonus und 15% Vorschuss auf den Fixkostenzuschuss II zu gering ist. Für 43% ist die Mindestgrenze beim Umsatzausfall zu hoch. Erschwerend kommt für ein Drittel aller Befragten hinzu, dass die Hilfen auf den Bezugszeitraum Jänner 2019 und Februar 2019 referenzieren, obwohl im Jänner und Februar 2020 noch "normale" Umsätze erwirtschaftete wurden. Hier werden – wie auch beim Umsatzersatz – jene Unternehmen, die in den letzten zwei Jahren Wachstum etwa durch zusätzliche Filialen verzeichnet haben, erneut unfair behandelt und fallen um einen Großteil der Hilfen um. Für 18% der Befragten ist die Deckelung mit 60.000 Euro zu gering, um den kurzfristigen Kapitalbedarf zu decken.
Mietzinsreduktion: Jeder zweite Händler ohne Erfolg
Angesichts deutlich reduzierter Umsätze und Kundenfrequenzen im zweiten und dritten Lockdown haben seit November 52% aller Handelsbetriebe Gespräche mit ihren Vermietern über eine Anpassung des Miet- bzw. Pachtzinses geführt.
Das ernüchternde Fazit der Verhandlungen: Für 55% der Händler verliefen die Gespräche erfolglos;
Weniger als 10% erhielten eine Minderung (meist unter 50%);
Vor allem in Einkaufszentren berichten Händler vielfach bis zuletzt von 0% Minderung, auch aufgrund von Gesprächsverzögerungstaktiken.
Konsequenzen der unzureichenden, verzögerten Corona-Krisenhilfen: Mehr betriebliche Schieflagen & zunehmende Arbeitslosigkeit
Ein Viertel aller österreichischen Händler musste seit Beginn der Coronakrise bereits Mitarbeiter kündigen oder plant, dies in den kommenden Wochen zu tun. Für die nächsten 12 Monate planen 20% der Händler, weitere Stellen zu streichen. 45% planen keine personelle Veränderung und 5% wollen zusätzliches Personal einstellen, was hoffen lässt. Für 30% besteht derzeit keine personelle Planbarkeit.
Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte aller österreichischen Handelsunternehmen im Non-Food Handel gibt an, das nächste halbe Jahr nicht überstehen zu können. Mehr als 30% der Händler geht die Luft schon binnen eines Quartals und somit innerhalb der nächsten 3 Monate aus, wenn die zugesagten Hilfen nicht endlich ankommen.
Fazit: Es braucht eine drastische Vereinfachung & Erhöhung der Corona-Hilfen
"Wir brauchen höhere Deckel für beschäftigungsintensive, mittelständische und große Händler sowie sofortige Liquiditätsspritzen für alle direkt und indirekt betroffenen Unternehmen. Die Hilfen müssen endlich auf den Konten der Betriebe ankommen, nur so können wir die 490.000 Arbeitsplätze im österreichischen Non-Food Handel und das Überleben von 80.000 Betrieben sichern. Daher fordern wir eine drastische Vereinfachung der Beantragung und eine Erhöhung des Fixkostenzuschuss 800.000 auf 1,5 Mio. Euro pro Monat“, sagt Handelssprecher Rainer Will.
Planungssicherheit bedeutet nicht nur zu wissen, wann man genau aufsperren darf, sondern auch sich auf Hilfen verlassen zu können. Und zwar sowohl auf den Zeitpunkt der Auszahlung als auch auf die betragliche Höhe.
"Wir hoffen im zehnten Monat der Krise auf rasche Verbesserungen, damit den mutigen Unternehmerinnen und Unternehmern der Weg zurück und damit das wirtschaftliche Comeback ermöglicht wird. Die ganze Branche sollte zumindest die Möglichkeit bekommen, die Chancen aus der Krise, die durch Digitalisierung und das Regionalitäts- und Nachhaltigkeitsbedürfnis der Kunden erwachsen, zu nutzen", so Rainer Will abschließend. (red)