Wie der Sportartikelhandel dem Fachkräftemangel entgegenwirkt
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Holger Schwarting
RETAIL Redaktion 17.11.2022

Wie der Sportartikelhandel dem Fachkräftemangel entgegenwirkt

Die Spezialisierung in der Lehre geht auf: Entgegen dem Trend in anderen Handels-Lehren steigen die Zahlen im Sport kontinuierlich.

WIEN. Im April 2022 hat der Fachkräftemangel in Österreich ein Allzeithoch erreicht. 83 Prozent der in einer Studie befragten Betriebe rechnen sogar mit einer Verschlechterung dieses Zustands in ihrer Branche in den nächsten drei Jahren1. Auch an der Sportartikelbranche zieht diese Entwicklung nicht vorbei. Doch die Branche setzt bereits seit Jahren gezielte Schritte in der Ausbildungsstrategie, um die Beschäftigung im Fachhandel zu fördern. Zwei zentrale Pfeiler werden dabei eingeschlagen: Die Weiterentwicklung des Lehrberufs für Jugendliche und umfassende Weiterbildungsmöglichkeiten der Fachkräfte.

Top Beratung und Service funktioniert nur mit qualifiziertem Personal
Der österreichische Sportfachhandel ist europaweit für seine hohe Beratungs- und Servicekompetenz bekannt. Dabei zeichnet die Branche einige Alleinstellungsmerkmale im EU-Vergleich aus. Einerseits liegen die Unterschiede in der vielschichtigen Handelsstruktur: „Anders als in anderen europäischen Ländern sind die Sportgeschäfte zum Großteil regional verankerte, familiengeführte EPU’s und KMU’s – in touristischen Regionen sprechen wir sogar von 94 Prozent2“, erklärt Michael Nendwich, Sprecher des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer des VSSÖ. Andererseits wird wenig online eingekauft: „Die Kundinnen und Kunden in Österreich setzen vor allem bei technisch komplexen Sportartikeln auf die persönliche, professionelle Beratung im Fachgeschäft. Der Online-Anteil im Sportartikelhandel hat sich in den letzten Jahren bei etwa 15 bis 20 Prozent eingependelt. Und hier sehen wir auch mittelfristig die Obergrenze“, führt Nendwich weiter aus.

Diese Besonderheiten setzen voraus, dass die Mitarbeiter:innen gut ausgebildet sind. Deshalb ist der Fachkräftebedarf auch kein neues Thema für die Sportartikelbranche – Personal wird laufend gesucht. Derzeit sind etwa 12.000 Mitarbeiter:innen an 1.960 Standorten im Sportartikelhandel in Österreich beschäftigt.3 „Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt machen aber auch vor unserer Branche nicht Halt“, bestätigt Nendwich. „Auf einen Bewerber bzw. eine Bewerberin kommen schätzungsweise zwei offene Lehrstellen. Die Öffnungszeiten und die Qualität der Serviceleistungen sind durch den hohen Personalbedarf zwar nicht beeinträchtigt. Vergangenen Winter kam es aber in touristischen Regionen vereinzelt zu geschlossenen Geschäften an einzelnen Tagen.“
Spezialisierung des Lehrberufs

Es gibt zwei Möglichkeiten, auf den Fachkräftebedarf zu reagieren: Auf Unternehmensebene liegt es in der eigenen Verantwortung der Geschäfte, positive Arbeitsbedingungen zu schaffen und sich als Arbeitgeber:in zu positionieren. Auf Branchenebene liegt der Fokus auf den Rahmenbedingungen: „Wir müssen jetzt das Personal von morgen ausbilden, um den Mangel frühzeitig zu verhindern. Nach jahrelangem Einsatz haben es der VSSÖ und die Wirtschaftskammer Österreich geschafft, die Lehrberufe genau an dem auszurichten, was sich die Jugendliche wünschen und was der Handel braucht – Arbeitgeber:innen und Kund:innen eingeschlossen – eine spezialisierte, technische Ausbildung.“

Lang war es wie in anderen Handelsbranchen nur möglich, eine Lehre als Einzelhandelskaufmann/-frau mit Schwerpunkt Sport zu absolvieren. Allerdings lässt sich vor allem im Sportartikelhandel bemerken, wie wichtig neben der professionellen Beratung auch die spezialisierten, technischen Kenntnisse sind – so z.B. für das Anpassen von Skischuhen, das richtige Einstellen von Fahrrädern und vieles mehr. In dem neuen Lehrberuf Sportgerätefachkraft erhalten die Lehrlinge sowohl eine kaufmännische als auch eine technische Ausbildung. Als gelernte Sportgerätefachkraft können die Jugendlichen auch ohne Matura eine akademische Laufbahn einschlagen und sich mit einem Master für die Führungsebene weiterbilden. Ähnlich technisch aufgebaut ist die Lehre als Fahrradmechatroniker:in, bei der die Jugendlichen zu Expert:innen für Fahrräder aller Art werden. Durch Maßnahmen wie diese schafft es der Sportartikelhandel bereits seit mehreren Jahren, die Lehrlingszahlen kontinuierlich zu steigern.

Qualifizierung des Personals
Weiterbildungsmöglichkeiten gehören im Sportartikelhandel aber auch für Erwachsene bzw. langjährige Mitarbeiter:innen dazu. Das ist einerseits für die persönliche Weiterentwicklung des Personals wichtig. Andererseits ist es für die hohe Beratungs- und Servicekompetenz des Personals entscheidend, laufend über die Neuigkeiten der Sportartikel informiert zu sein und diese richtig einstellen, montieren und warten zu können. Dabei unterstützt die VSSÖ Akademie den Sportfachhandel mit praxisorientierten Schulungsangeboten. Einige Kurse sind schon lang etabliert und Bestandteil der Weiterbildung des Personals, wie z.B. dem Sportmonteur bzw. der Sportmonteurin für Skibindungen, bei dem die Teilnehmer:nnen lernen, wie sie Bindungssysteme gemäß der ISO Norm selbstständig montieren und einstellen.

Im Zuge der Professionalisierung und Spezialisierung des VSSÖ, ein Prozess, der mit Anfang des Jahres in Gang gesetzt wurde, wurde auch das Schulungsangebot der VSSÖ Akademie weiter ausgebaut. Die neuen Formate sind auf Anregungen aus dem Handel entstanden und richten sich nach dem Bedarf der Branche. Dazu zählen beispielsweise:
• Sportmonteur:in Rezertifizierung – nächste Termine: 22.11.22 und 13.12.22 (online)
• Skitouren: Ski – Bindung – Schuh: Was MUSS ich wissen? – nächste Termine: 22.11.22 (Innsbruck), 15.12.22 (Zell am See)
• Zertifizierte Bootfitting Weiterbildung: nächste Termine im Frühjar 2023
• Führungskräfteseminar: nächste Termine im Frühjahr 2023

„Die Sportartikelbranche ist eine spannende, emotionale und vielseitige Branche mit garantierten Zukunftschancen. In kaum einer anderen Branche kann man technologische Weiterentwicklung so gut mit dem persönlichen Kontakt zu und mit Menschen kombinieren. Wir freuen uns, dass wir mehr und mehr Jugendliche für eine Lehre im Sportfachhandel gewinnen können“, so auch Holger Schwarting, Sprecher des Präsidiums des VSSÖ. (red)

So sieht der Lehrberuf Sportgerätefachkraft aus: https://youtu.be/ZFAhnp07p6w

 

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