WKÖ-Handel: Service-Evolution im Handel
© Gerry Frank Photography
Rainer Trefelik, WKÖ.
RETAIL Redaktion 07.09.2021

WKÖ-Handel: Service-Evolution im Handel

Bundespartenobmann Rainer Trefelik: Service ist eine zentrale Komponente im Kaufprozess.

WIEN. „Die Erwartungen der Konsumenten an Services sind in der Covid-19-Krise angestiegen“, weist Rainer Trefelik, Obmann der Bundesparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), auf zentrale Entwicklungen im österreichischen und internationalen Einzelhandel hin. „Für acht von zehn Österreichern spielen Services beim Einkauf in Ladengeschäften und für sieben von zehn beim Online-Shopping eine wichtige Rolle“, erläutert Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der WKÖ.
 
Services sind für Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Johannes Kepler Universität Linz, „das neue und alte Gold auf der Customer Journey – egal ob Online, Offline oder Cross-Channel". Die Forscher vom IHaM rund um Christoph Teller und Ernst Gittenberger haben internationale Service-Trends im Handel analysiert und in fünf Trendfamilien skizziert sowie die Wichtigkeit der Trends in Zukunft für die österreichischen Konsumenten erhoben.
 
#1 Premium Services: Mehr ist immer besser oder etwa nicht?
Trendfamilie #1: Premium Services beschäftigt sich vor allem mit den Human-to-Human (H-2-H) Services. Hierbei steht der Mensch im Fokus und nicht das zu verkaufende Produkt. Services setzen hier einerseits auf Entscheidungshilfen, um einer möglichen Überforderung der Konsumenten aufgrund der Vielzahl an Wahlmöglichkeiten entgegenzuwirken (Subtrend #1: Entscheidungshilfe) und andererseits auf spezielle Expertenservices (Subtrend #2: Return to the Experts). International spielen Entscheidungshilfen bereits eine wichtige Rolle – auch durch den Anstieg der Online-Einkäufe (z.B. durch virtuelle Assistenten mit Chatfunktion, Shopping Apps, etc.). Auf der anderen Seite gewinnt die Expertise der Verkäufer in der persönlichen Kundenbetreuung zunehmend an Bedeutung. Human-to-Human-Services werden bereits als „first class“ angesehen.
 
#2 Digitale Services: Immer und überall – informieren, bezahlen oder beschweren
Digitale Services (Trendfamilie #2: Digitale Services) finden sich in verschiedenen Formen und Ausprägungen und betreffen sowohl den Einkauf in Geschäften als auch via Internet. Diese Trends manifestieren sich in allzeit bereiten digitalen Kunden­diensten, die Konsumenten während des Einkaufs in Form von digitalen real-time-Nachrichtendiensten oder App-Formaten zur Verfügung stehen. Im Offline-Handel sind dies digital begleitende Dienstleistungen wie Click & Collect. Im Online-Handel sind es digitale Dienstleistungen wie virtuelle Assistenten. Die Trendanalyse für Österreich zeigt, dass vor allem jüngere Konsumenten digitale Services verwenden. Die Tendenz ist steigend, so dass künftig mit einer zunehmenden Nachfrage nach digitalen Services im Handel zu rechnen ist. 
 
#3 Labeling & Proving: Wissen was drin ist!
Wissen, was drin ist (Trendfamilie #3: Labeling and Proving) – der Handel hat aus der Not eine Tugend gemacht. Zum einen steigt die Nachfrage nach Qualität und Sicherheit (Subtrend #2: Prove it), zum anderen gibt es eine Vielzahl an neuen Ernährungsformen und Lebensweisen (Subtrend #1: Labels). Um Kunden den Überblick zu erleichtern, verwendet der Einzelhandel Gütesiegel und andere Kennzeichnungen (Labels). Dieser Informationsservice erfreut sich in Österreich sowohl im stationären als auch im Internet-Einzelhandel großer Beliebtheit und wird in Zukunft noch wichtiger werden. Außerdem wollen Händler negative Rezessionen vermeiden und machen lieber einen Schritt nach vorne und bieten Kunden mithilfe von QR-Codes etc. an, sich über Produkte und Herstellungsprozesse zu informieren.
 
#4 Neue Einkaufsformate: Konsumenten bedienen sich selbst – rund um die Uhr einkaufen
Immer und überall einkaufen, egal wann. Neue Einkaufsformate (Trendfamilie #4: Neue Einkaufsformate) sind am Vormarsch und erfreuen sich zunehmender Akzeptanz und Nutzung. Konsumenten kaufen von Verkaufsautomaten (Subtrend #1: Vending Machines) und von neuen Geschäftsformaten wie den Rund-um-die-Uhr-Selbst­bedienungsgeschäften, die auch als Unmanned Stores (Subtrend #2 Unmanned Stores) bezeichnet werden. Die bekanntesten Beispiele neuer Unmanned Stores sind in Österreich die Einkaufsboxen der Rewe Gruppe und von Unimarkt. Neue Einkaufs­formate und hier speziell Verkaufsautomaten erleben derzeit in Österreich ein Revival.
 
#5 Erlebnisshopping: Das Kreieren einer exklusiven Customer Experience gilt als Wettbewerbsvorteil
Einkaufen dient längst nicht mehr nur dem Konsumbedürfnis, sondern ist vielmehr dafür da, besondere Ereignisse und Erfahrungen zu erleben. Trendfamilie #5: Erlebnis­shopping befasst sich genau mit dieser Serviceausprägung. Konsumenten streben regelrecht nach Erlebnissen, für Händler ergibt sich somit die oberste Maxime, das Kreieren einer exklusiven Customer Experience (Subtrend #1: Einkaufserlebnis). Besonders zielführend ist in diesem Kontext multisensorisches Marketing. Hierbei werden beim Einkaufen explizit mehrere Sinne involviert und dadurch starke Sinneseindrücke generiert (Subtrend #2: Sensorik). Um sich von anderen Wettbewerbern abzugrenzen und die Aufmerksamkeit der Konsumenten gezielt auf sich zu lenken, greifen Unternehmen nicht nur zum Erlebnis- und Multisensorischem-Marketing, sondern auch zu Kundenbindungs- und Loyalitätsprogrammen (Subtrend #3: Aufmerksamkeit). Anklang findet das Erlebnisshopping sowohl im internationalen als auch im nationalen Kontext. Grundsätzlich ist der Trend mit seinen Subtrends in Österreich angekommen und ist branchenübergreifend von großer Bedeutung.
 
Services als Antwort auf gesteigerte Erwartungen der Konsumenten an mehr Qualität, höhere Sicherheit & mehr Erlebnisse
Kunden im Einzelhandel wollen mehr Qualität, digitale Begleitung im Einkaufsprozess, höhere Sicherheit sowie mehr Effizienz und Flexibilität beim Einkauf bzw. bei Einkaufsentscheidungen und letztendlich mehr Erlebnisse beim Einkaufen mit allen Sinnen. Auf Basis der durchgeführten Konsumentenbefragung werden in Zukunft vor allem die Trends Labeling in einem Offline-Setting (für 70% der österreichischen Konsumenten in Zukunft wichtig), Prove it in einem Online-Kontext (68%), Aufmerksamkeit Offline (66%) und Return to the Experts Offline (62%) zentrale Bedeutung für den Einzelhandel erlangen.
 
„Die internationalen Service-Trends weisen auf die steigende Bedeutung des Menschen im Handel hin. Neu ist jedoch, die Services müssen 'first class' sein und die Expertise der Verkäufer im Zentrum stehen. Aber auch die Digitalisierung im Handel wird weiter voranschreiten und den Unternehmen zusätzliche Service-Komponenten ermöglichen“, so Rainer Trefelik abschließend. (red)

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