Value #35: Financial Storytelling als Brücke zum Kapitalmarktwissen – Studiogespräch mit Josef Obergantschnig

Im aktuellen Studiogespräch der Talk TV-Reihe „Value – Der Finanz Talk“, einer Initiative der Fachgruppe Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Wien in Kooperation mit mediant.tv, diskutiert Gastgeber und FG-Obmann Eric Samuiloff mit dem Kapitalmarktexperten, Buchautor und Speaker Dr. Josef Obergantschnig über die Relevanz und Wirksamkeit von Financial Storytelling – also der Vermittlung komplexer Kapitalmarktinhalte an Privatkundinnen und Privatkunden durch narrative Methoden.

Vom Konsumenten zum Investor: Der Weg über die Erzählung
„Gutes Storytelling hilft aus dem Elfenbeinturm des Fachchinesisch heraus“, so Obergantschnig, der als CEO der Obergantschnig Management GmbH und Autor mehrerer Sachbücher für verständliche Finanzbildung steht. Finanzberater sehen sich zunehmend in der Rolle von Übersetzern: Sie müssen ein hochkomplexes System – mit über 800.000 verfügbaren Finanzprodukten – in alltagsrelevante Geschichten übersetzen, um Kunden Wissen, Mut und die notwendige Orientierung zu vermitteln.
Besonders unter dem Eindruck von täglich rund 300.000 Finanzmarkt-News stellt sich laut Obergantschnig die Frage: „Wie soll der Kunde denn damit umgehen?“ Die Antwort liegt für ihn klar in der Narration – durch anschauliche, lebensnahe Beispiele kann selbst das Thema Diversifikation greifbar werden, etwa durch Rückgriffe auf historische Marktzyklen oder internationale Vergleichsmodelle.

Der Kapitalmarkt als globaler Leistungsträger
Eine besondere Rolle nimmt in Obergantschnigs Argumentation der Blick auf die realwirtschaftliche Basis von Aktien ein: Weltweit erwirtschaften Unternehmen jährlich Gewinne von etwa 8 Billionen Euro – eine Wertschöpfung, an der Investoren partizipieren. Mit einem plastischen Bild bringt er es auf den Punkt: „Hunderte Millionen Menschen arbeiten täglich dafür, dass der Investor Geld verdient.“

Der norwegische Staatsfonds als Role Model
Auch die Bedeutung langfristiger Investmentstrategien wird im Talk thematisiert. Josef Obergantschnig verweist auf den norwegischen Staatsfonds, der jährlich rund 18.000 Euro Ertrag pro Bürger generiert – ein eindrucksvolles Beispiel für nachhaltige Kapitalmarktpolitik. Dazu passt auch die zitierte Yale-Studie, die belegt, dass sich Aktieninvestments über längere Zeiträume hinweg stets als ertragreich erweisen.

Emotionale Muster erkennen und durchbrechen
Doch nicht nur Wissensvermittlung ist zentral – auch emotionale Reflexe müssen erkannt und hinterfragt werden. „Im Aktienmarkt laufen Kunden weg, wenn ein Ausverkauf stattfindet“, zitiert Obergantschnig ein bekanntes Bonmot eines Fondsmanagers. Dabei sei gerade in Krisenzeiten Geduld und Vertrauen gefragt – und eben jene emotionale Intelligenz, die durch gutes Storytelling kultiviert werden kann.

Der Berater als Erzähler mit Verantwortung
Die Talkrunde macht deutlich: Financial Storytelling ist kein Ersatz für Fachkompetenz, sondern ein Werkzeug zur Vermittlung von Vertrauen, Orientierung und Bildung. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit kommt Beraterinnen und Beratern somit nicht nur die Rolle des Verkäufers oder Analysten zu – sondern zunehmend die des Übersetzers und Geschichtenerzählers, der Komplexität reduziert und langfristiges Denken fördert.

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