Kurzfilm “Die Schlüssel zur Freiheit” von Wim Wenders / Mai 2025 / Scholz & Friends Berlin
Die Welt steht Kopf. 186.000 amerikanische Soldaten verloren allein bei der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus ihr Leben. Sie schenkten Europa die Befreiung von der schlimmsten Diktatur der Geschichte – und den Vereinigten Staaten jahrzehntelange Dominanz über den europäischen Kontinent. Sie schufen die Supermacht USA und legten den Grundstein für den Wohlstand Nordamerikas. 80 Jahre später beklagt der neue Präsident Donald Trump, wie schlecht die USA von Europa behandelt werden, beginnt einen Handelskrieg und fühlt sich dem russischen Diktator Putin näher als den europäischen NATO-Partnern. Die Welt steht Kopf. Das Magnetfeld der Erde kippt seit mehr als 100 Tagen. Eine geomagnetische Polaritätsumkehr. Die neue US-Regierung und Tech-Oligarch Elon Musk stellen sich in europäischen Wahlkämpfen offen hinter – vom deutschen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ klassifizierte – Parteien. Trump erklärt die Ukraine zum Kriegsaggressor. Die Welt steht Kopf – und das ist für uns inakzeptabel.
Das Desinformationszeitalter. Die von uns Journalisten mittlerweile als „asoziale Medien“ bezeichneten Plattform-Giganten quellen über vor frei erfundenen Behauptungen. Erzählungen und Narrative entbehren jeglicher faktischen Grundlage. Und das beginnt beim Präsidenten der USA höchstpersönlich. Die Betreiber der Plattformen haben dem neuen Zeitgeist entsprechend sofort Kosten eingespart und jede Kennzeichnung von Fake News eingestellt. „Free Speech“ regiert nun die Welt. Die Wahrheit – einer der schwierigsten Begriffe überhaupt – liegt in der Meinung des Absenders. Jedes wissenschaftliche Argument wird mit Nonsens entkräftet. Schulen, Universitäten, Wissenschaftler werden angegriffen; Erinnerungen an die Kommunistenjagd der Mc-Carthy-Ära und an die Nazis in Europa werden wieder Realität.
Die Klugscheißer. Der Dunning-Kruger-Effekt, 1999 von den US-Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger beschrieben, erklärt die häufig beobachtete Tendenz zur Selbstüberschätzung in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten. Er beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der Personen trotz geringem Kenntnisstand dazu neigen, ihre Fähigkeiten stark zu überschätzen. Gleichzeitig unterschätzen sie die Fähigkeiten anderer, kompetenterer Personen. Mit anderen Worten: Je weniger jemand weiß, desto mehr glaubt er zu wissen. Das Gefährliche an diesem Effekt: Dumme Menschen sind von dem, was sie sagen, so beeindruckt und überzeugt, dass sie auch andere leichter für ihren Unsinn begeistern können als Wissenschaftler und Experten, die nach der sokratischen Methode handeln. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ drückt Demut, Selbstreflexion und intellektuelle Bescheidenheit aus – hat aber den Nachteil, dass in allen Debatten die selbstbewussten Dummen gewinnen. Wir Kommunikatoren müssen den Change schaffen, damit kluge Köpfe sich in Debatten wieder durchsetzen.
Hitlers neues Massenmedium. Aus diesen ersten drei Kapiteln ergibt sich folgende erschreckende Tatsache: Der Aufstieg radikaler politischer und gesellschaftlicher Kräfte war immer mit einem Technologiesprung der Verbreitungsmedien dieser Ideen verbunden. Die Ideologie des Hasses der Nazis gegen Juden und – aus ihrer Sicht – alle anderen „minderwertigen Rassen“ dieser Erde konnte nur durch Zensur, das Verbot der freien Presse und vor allem durch das neue Massenmedium Radio in so kurzer Zeit verbreitet werden. Der „Volksempfänger“ hämmerte dem deutschen und dem österreichischen Volk die menschenverachtende Ideologie ins Gehirn. Die Ära des neuen „Super-Volksempfängers“ in Form der asozialen Medien räumt den Klugscheißern dieser Erde die Aufmerksamkeit von Milliarden unbedarften Menschen ein und führt zu deren Radikalisierung – politisch, gesellschaftlich und religiös. Und in Rumänien verursachen 25.000 vom russischen Geheimdienst betriebene TikTok-Propaganda-Profile manipulierte Wahlen und einen rechtsradikalen Putin-Freund als Präsidentschaftskandidaten.
Ich bin die Lügenpresse. Ich habe meine erste Zeitung im Alter von 16 Jahren gegründet. Ihr Name war „Sintflut“ – die Schülerzeitung des Realgymnasiums Schuhmeierplatz in Wien-Ottakring. Ich schrieb, war Art Director, habe das Ding mit einer Kugelkopfschreibmaschine gesetzt und mit Letraset tief in der Nacht zusammengeklebt. Ich habe im Papierladen, der Trafik und im Zuckerlgeschäft das Geld für den Druck besorgt. Gemeinsam mit meinen Schulkollegen Udo Huber, Wolfgang Meier, Michael und Alexander Geringer landeten wir beim ORF-Hörfunk. Ich kann mich noch gut erinnern, was uns der gefürchtete Generalintendant Gerd Bacher anlässlich seiner jährlichen Gespräche mit unserer Musicbox-Redaktion beibrachte: „Ihr könnt alles schreiben, sagen und senden. Es gibt kein Tabu. Aber wehe, es ist falsch oder nachweisbar tendenziös. Dann schmeiß ich euch raus. „Professionell“ – das war Bachers Lieblingswort, das er immer mit einer pathetischen Geste unterstrich. Professionell mussten wir sein. Ich mit 17 Jahren, von einem Tag auf den anderen. Und wir lernten schnell. Ich habe heute mehr als 45 Jahre Journalismus auf dem Buckel. Zwei Dutzend Magazin-, zwei Wochenzeitungs- und eine Tageszeitungsgründung später finde ich mich und meine Kollegen in einer Situation wieder, in der wir als „Lügenpresse“ beschimpft werden. Das schlägt schon auf den Magen.
Die Werbung & die Medien. Die Verlagerung von Werbeinvestitionen von den streng regulierten, per Mediengesetz überwachten heimischen Medien zu den völlig unregulierten Internetplattformen führt zum Kollaps des österreichischen Medienmarktes. Ohne die Einnahmen aus der Haushaltsabgabe könnte der ORF ebenso wenig existieren wie die sieben großen Tageszeitungen, die in Summe mit rund 45 Mio. € gefördert werden und trotzdem kaum mehr schwarze Zahlen schreiben können. Derzeit fließen rund zwei Mrd. € an heimischen Mediainvestments ins Ausland. Es gibt bereits eine Handvoll österreichischer Mediaplaner, die ihren Kunden Mediapläne vorschlagen, die ohne Buchungen in den asozialen Medien auskommen. Diese – für die heimischen Medien nachhaltigen – Mediaplanungen sind genauso effizient wie jene, bei denen große Teile des Geldes in ausländische, fragwürdige Plattformen fließen. Diese Entwicklung wurde aber nur möglich, da die Reichweiten der digitalen Angebote der heimischen Verleger in den letzten Jahren enorm zugelegt haben und Facebook & Co am heimischen Markt überflügelten.
Ohne freie Medien gibt es keine Demokratie. Denkt bitte daran, wenn ihr mit euren Kunden die nächsten Kampagnen und Mediapläne entwickelt.