Trotz aller Turbulenzen wachsen die Gewinne
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FINANCENET Redaktion 23.08.2024

Trotz aller Turbulenzen wachsen die Gewinne

Die Experten von Erste Group und Raiffeisen analysieren die Entwicklung der Finanzmärkte für das weitere Jahr.

••• Von Reinhard Krémer

Die internationalen Finanzmärkte haben sich trotz aller Turbulenzen gut gehalten. Crashes blieben aus, Rumpler wie zuletzt Anfang August blieben regional beschränkt. Das könnte auch so bleiben: „Der globale Aktien-marktindex stieg im Juli in Euro um +0,7 Prozent. Die Aussichten für einen mittelfristigen Anstieg des Index sind intakt. Die Umsätze der Unternehmen werden heuer um ca. plus 3,5 Prozent steigen“, melden die Experten des Erste Group Research. Die Konsensus-Schätzung für das Gewinnwachstum ist für 2024 eine Steigerung um +6,2%. Im nächsten Jahr wird das Gewinnwachstum auf +11,4% ansteigen. Das erwartete KGV 2024 des globalen Aktienmarktindex beträgt 19,1x, und die globale Dividendenrendite ist 1,9%. Die für heuer erwartete Gewinnwachstumsrate ist in den letzten Wochen gesunken. Der globale Einkaufsmanager-Index (EMI)für den produzierenden Bereich ist zuletzt unter das neutrale Niveau von 50 Punkten gesunken, so die Erste-Experten.

Kurzfristig im Krebsgang
Dieser EMI signalisiert eine leichte Kontraktion der globalen Industrieproduktion. „Wir erwarten vorerst eine Seitwärtstendenz des globalen Aktienmarktindex“, meint man beim Erste-Group Research. Flott weitergehen soll die Party auch überm „Großen Teich“: Die US-Firmen haben im Laufe der Berichterstattung für das 2Q mehrheitlich höhere Gewinne als erwartet berichtet. Der Anteil positiver Gewinn-überraschungen betrug 78%.

Den größten Anteil positiver Gewinnüberraschungen berichteten die Sektoren Gesundheit, Immobilien und Industrie. Die US-Gewinne sind im 2Q um +11,5% im Jahresvergleich gestiegen. Für das 3. Quartal wird ein Gewinnwachstum von +6,1% im Jahresvergleich prognostiziert. Bei den europäischen Aktien war der Anteil positiver Gewinnüberraschungen mit 54% wesentlich geringer als in den USA.

Europa hinkt hinterher
Er entsprach dem historischen Durchschnitt. Insgesamt sind die Gewinne in Europa im zweiten Quartal um +1,9% auf Jahresbasis gestiegen. Für das dritte Quartal wird bei europäischen Firmen ein Gewinnanstieg um +7,8% prognostiziert. „Wir erwarten eine volatile Seitwärtsbewegung der Leitindizes“, heißt es bei der Erste Group.
Die Zeichen für eine Abkühlung des US-Arbeitsmarktes verdichten sich. Damit werden die Spekulationen auf Zinssenkungen in den USA Auftrieb erhalten. „Für die Eurozone erwarten wir hingegen weniger Bewegung bei den Zinserwartungen, vor allem weil hier die Konjunkturdaten keine Verschlechterung zeigen sollten. Insgesamt spricht dies für eine Abschwächung des Dollar“, meinen die Experten des Erste Group Research.

Die geopolitischen Risiken haben im Juli zugenommen, und die Volatilität des Aktienmarktes ist angestiegen. Beide Faktoren begünstigen steigende Goldpreise. Die realen Renditen von US-Staatsanleihen sind derzeit positiv. „Dieser Faktor mindert aktuell die Attraktivität von Gold etwas. Da die Fed voraussichtlich ab September mit Zinssenkungen beginnen wird, sollte auch die Realverzinsung von Anleihen sinken. Wir erwarten daher für den August einen weiteren Anstieg des Goldpreises“, so die Erste Group-Analysten.

Goldilocks ist verflogen
„Zuletzt konnte man schon feststellen, dass sich die Datenlage zur globalen Konjunktur nach einem Aufwind bis ins Frühjahr ab Sommerbeginn tendenziell eingetrübt hat. Auch am bislang so robusten Arbeitsmarkt zeigen sich mittlerweile vermehrt Anzeichen einer Abkühlung. Der Kapitalmarkt hat diese Eintrübung der Makrodaten bisweilen mit ‚bad news are good news‘ im Hinblick auf baldige Zinssenkungen interpretiert, doch das hat sich nun ganz offensichtlich geändert“, sagt Karin Kunrath, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG
Auch der aktuelle „Reality Check“ im Rahmen der Berichtssaison über die Unternehmensergebnisse im zweiten Quartal fällt eher ernüchternd aus, zumal die Quote an positiven Überraschungen niedriger liegt als in den letzten Quartalen und einzelne Aktien nach enttäuschenden Zahlen brutal abverkauft werden, so Kunrath: „Die gesamte Gemengelage hat das bisherige ‚Goldilocks‘-Szenario, das die beste aller Welten in Kombination von soliden Unternehmensergebnissen bei stabilem Wachstum und niedriger Inflation beschreibt, schnell verfliegen lassen.“ Raiffeisen hat darauf reagiert: „Wir haben Anfang Juli – nahe dem Höchststand am Aktienmarkt – Kursgewinne mitgenommen und zeitgleich Anleihen auf tiefem Niveau mit attraktiven Renditen zugekauft“, sagt Kunrath.
Die Renditen risikoarmer Staatsanleihen sind im Juli abermals gesunken, die Risikoprämien europäischer Peripherie-Anleihen – inkl. Frankreich – hingegen noch nicht. „Wir erwarten weiterhin sinkende europäische Staatsanleiherenditen, gehen jedoch davon aus, dass risikoreichere Staatsanleihen (Frankreich, Italien; Anm.) noch besser performen werden“, erläutert die Raiffeisen-CIO.

Rohstoffpreise gaben nach
Die internationalen Rohstoffmärkte präsentierten sich in den letzten Wochen etwas schwächer. Vor allem die zyklischen Industriemetalle sowie der Energiesektor verzeichneten Preisrückgänge. Schwächere Konjunkturdaten deuten auf ein verhalteneres Nachfragebild hin. „Der Edelmetallbereich konnte hingegen von der Erwartung auf weiter fallende Leitzinsen und einem Rückgang der Renditen profitieren“, sagt Karin Kunrath.

Emerging Markets impulslos
Auch Aktien aus den Emerging Markets haben die letzten Wochen im Einklang mit den entwickelten Märkten deutlich korrigiert. Besonders schwach stellen sich die Sektoren Grundstoffe und Immobilien dar, positiv sticht der Versorgersektor hervor. Das Gewinn-Momentum der Unternehmen muss nach wie vor als mau bezeichnet werden. Die Bewertungen sind regional sehr unterschiedlich, was auch der Sektorstruktur der unterschiedlichen Märkte geschuldet ist.
Dennoch sind für Kursanstiege verbesserte Gewinne notwendig, die bisher jedoch auf sich warten lassen, ist Kunrath überzeugt.

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