Blackbox Snapchat?
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MARKETING & MEDIA Redaktion 26.02.2016

Blackbox Snapchat?

Snapchat ist für viele Leute aktuell noch eine Blackbox. Vor allem beim sinnvollen Einsatz im Online-Marketing-Mix scheiden sich derzeit die Geister.

Snapchat: Manche Leute sind hellauf begeistert, für andere handelt es sich nach wie vor bestenfalls um einen Zeitvertreib für Teenager. Dabei steigen die Zugriffszahlen derzeit vor allem in der Gruppe der User, die älter als 35 Jahre alt sind. Eignet sich Snapchat also doch für den sinnvollen Einsatz im Online Marketing? Mit dieser Frage befasst sich eine aktuelle Infografik (Siehe Hinweis am Ende des Artikels). Die stammt zwar aus den USA, aber letztendlich lassen sich viele Parallelen auch für den Markt hier ziehen, denn so unterschiedlich ticken die User nun auch wieder nicht.

Was für Snapchat spricht

Zunächst zu den harten Fakten: Snapchat hat mehr als 100 Millionen täglich aktive Nutzerinnen und Nutzer. Die Definition von „aktiv“ ist spätestens seit den regelmäßigen Zahlen von Facebook klar definiert – „aktiv“ ist, wer sich ein einem bestimmten Zeitraum einloggt und dann eben „aktiv“ ist (also etwas tut und nicht „passiv“ ist). Das kann (bei Facebook) die Interaktion mit einem Posting sein oder das eigenständige Erstellen eines Beitrags. Bezogen auf Snapchat gehe ich davon aus, dass es hier auch darum geht, dass eine Person Snapchat eben „aktiv“ nutzt und nicht einfach nur passiv konsumiert – denn dann wäre die Zahl der offiziellen Nutzerinnen und Nutzer mit Sicherheit noch viel größer (Sie kennen das von Twitter, wo Leute den Stream einfach nur mitlesen und niemals selbst posten).

Zudem ist Snapchat in erster Linie noch immer ein Messenger und das Schreiben von Nachrichten mit befreundeten Usern ist eine „Aktivität“. Fotos und Videos können auf Snapchat entweder privat verschickt werden oder eben allen Usern, die einem Account folgen, öffentlich präsentiert werden. Bei Snapchat sind das insgesamt 8.796 Fotos, die geteilt werden – pro Sekunde… am Tag sind das hochgerechnet übrigens 759.974.400 Fotos! Weil Fotos bei Snapchat aber eben nur die halbe Miete sind, müssen dazu auch noch die Videos addiert werden, um die gesamte Dimension der medialen Nutzung von Snapchat zu erfassen. Insgesamt schauen sich die Snapchat-User pro Tag 6 Milliarden Videos an… diese Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Obwohl Snapchat also ein „nur“ Messenger ist, bleibt es mit dem medialen Konsum seiner User etablierten Anbietern für Videos wie YouTube oder Facebook auf den Fersen.
Stichwort Werbung
Das hat auch die Werbeindustrie verstanden (zumindest in den USA). Und so sind immerhin 30 Prozent der Unternehmen in der Werbeindustrie überzeugt, dass sie mit Snapchat gut fahren – zumindest waren sie das im Vorfeld des Super Bowls, was ja schon kein ganz schlechter Gradmesser ist. Weiterer Vorteil für die Werbebranche: Snapchat User sind ihrem „Messenger“ sehr treu! So nutzen 54 Prozent der User Snapchat jeden Tag und 32 Prozent zwei bis fünf Mal pro Woche. Für insgesamt 86 Prozent gehört Snapchat also zum digitalen Alltag fest dazu – allerdings kommt der Charakter eines Messengers immer wieder durch.

Die Kommunikation via Snapchat scheint privater als auf jedem anderen „Sozialen Netzwerk“ zu sein, sehr zum Leidwesen derjenigen, die die User auf Snapchat mit ihren (werblichen, siehe oben) Inhalten erreichen wollen. 55 Prozent der Snapchat-User schauen sich die Live Storys niemals oder selten an, noch deutlicher wird es bei den Discover Storiy, die sich 54 Prozent aller Nutzerinnen und Nutzer niemals anschauen. Auch gesponserte Filter auf Snapchat erfreuen sich noch keiner wirklich großen Beliebtheit. 60 Prozent der Snapchat-User nutzen solche Filter selten oder überhaupt nicht. Immerhin 10 Prozent sind von diesen „werblichen“ Filtern allerdings begeistert und nutzen sie ständig – und 10 Prozent von 100 Millionen ist ja auch schon eine ganz nette Zahl.

„Privates“ Netzwerk

Soziale Netzwerke werden manchmal groß, weil sie von Prominenten genutzt werden. Ein bekannter ­Effekt: Auch Werbetreibende spannen gern einen Promi vor den Karren – und in vielen Fällen klappt das. George Clooney macht zum Beispiel Werbung für Kaffee, und viele Leute finden das gut. Twitter wird von vielen Prominenten in den USA genutzt, und auch Google+ wollte diesen Weg einschlagen … eine sehr traurige Geschichte, die ich vielleicht ein anderes Mal erzählen werde. Snapchat ist allerdings ganz offensichtlich kein Ort, an dem Prominente sonderlich beliebt sind. Laut der Infografik, auf die sich dieser Artikel bezieht, folgen 64 Prozent der Snapchat-User keinem einzigen „Celebrity“. Nur ein Drittel gibt an, ein paar Promis zu folgen und mit drei Prozent ist der Anteil an Usern, die jeder Menge Prominenter folgt, eindeutig in der Minderheit. Auch das spricht also ganz klar für Snapchat als eher privates Netzwerk.
Die User interessieren sich ganz offensichtlich primär dafür, was Leute posten, die sich wirklich kennen – und nicht für die Inhalte von ihnen Unbekannten, selbst wenn es sich um Prominente handelt. Ein schlechtes Umfeld also für die Platzierung von Werbebotschaften? Es scheint fast so, denn 87 Prozent aller Snapchat-User haben noch nie etwas gekauft, das sie auf Snapchat gesehen haben.

Das Fazit

Die bereits erwähnte Infografik ist hoch­interessant – auch wenn sie nur eine aus meiner Sicht geringe Auswahl von Snapchat-Usern befragt hat. Das spielt letztendlich aber keine Rolle, denn der sich so abzeichnende Trend ist viel wichtiger. Snapchat ist aktuell noch immer ein Soziales Netzwerk, bei dem private Inhalte ganz offensichtlich sehr hoch im Kurs stehen.

Ein Grund ist möglicherweise die immer stärkere Transformation traditioneller Sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter zu Plattformen, auf denen es mehr und mehr um Werbung geht. User, die auf Snapchat aktiv sind, schätzen den vertrauten Charakter des Messengers: Sie folgen Leuten, die sie kennen und sind (noch) nicht sonderlich empfänglich für Werbebotschaften. Das heißt allerdings nicht, dass Snapchat sich nicht für Werbung eignet – aktuell scheint es aktuell noch darum zu gehen, die eigentliche Bestimmung von Snapchat zu erkennen. Meiner Ansicht nach eignet sich Snapchat schon heute ganz hervorragend genau dann, wenn es zum Beispiel ums Branding geht. Ob sich Snapchat auch als sinnvoller Kanal für zielgruppenspezifische und mitreißende Werbung etablieren wird, ist aktuell noch nicht eindeutig abzusehen (aber die Chancen stehen gut).

Die Infografik, auf die sich dieser Text bezieht, stammt von NewsCred und ist unter http://­tinyurl.com/h92ezxp abrufbar.

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