••• Von Dinko Fejzuli und Laura Schott
Über ein Drittel der österreichischen Bevölkerung zwischen 12 und 49 interessiert sich für politische Diskussionen im TV. Genau darauf reagiert man nun bei der ProSiebenSat.1 Puls 4-Gruppe und startet mit Puls 24 am 1. September einen neuen News-Sender; das Programm soll fast zur Gänze aus österreichischen Formaten und Inhalten bestehen. Ausnahmen werden hier in erster Linie vereinzelte Dokus und Reportagen bilden, die allerdings immer auch Relevanz für Österreich aufweisen müssen.
Das Bild des Senders prägen werden vor allem Talk-Sendungen, News und Events. Vor allem Letzteres bietet reichlich Möglichkeiten für Veranstalter, aber auch für die werbetreibende Wirtschaft, in den diversen Formaten des neuen Senders passende Präsentationsflächen für den eigenen Event oder die eigene Marke zu finden.
Anlässlich des Sendestarts traf medianet Senderchefin Stefanie Groiss-Horowitz und CCO Michael Stix zum Interview.
medianet: Ab ersten September gibt es im österreichischen Fernsehen den neuen Sender Puls 24. Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Michael Stix: Puls 24 wird ein Live-Sender sein, der sich auf österreichische Inhalte konzentriert. Die Kombination aus live und lokal steht als zentrale Strategie hinter Puls 24.
medianet: Trotz lokaler Inhalte handelt es sich aber um einen nationalen Sender?
Stix: Richtig, Puls 24 ist ein nationaler Sender für Österreich. Die Komponenten live und österreichisch erachten wir deshalb als so entscheidend für die Zukunft unserer gesamten Gruppe, weil wir eine zentrale strategische Säule gegen die Internetgiganten und die großen Streamingdienstleister aufbauen wollen. Denn eines ist ganz klar: Was Netflix, Amazon Prime und Facebook in den nächsten Jahren sicher nicht zustandebringen werden, ist, lokal und live direkt bei den Menschen vor Ort zu sein. Das machen wir mit Puls 24 und bieten damit österreichischen Partnern eine neue Präsentationsfläche.
medianet: Was hat den Anstoß für den Aufbau eines weiteren Senders in der ProSiebenSat.1 Puls 4-Gruppe gegeben?
Stefanie Groiss-Horowitz: Wir merken, dass der Nachrichtencontent immer relevanter, komplexer und mehr wird. Und unsere Journalisten stehen vor der Herausforderung, diesen in die vorgefertigten Schemata einer Nachrichtensendung hineinzupressen. Jetzt kann man überlegen, einfach eine zweite Nachrichtensendung zu machen oder die bestehenden zu erweitern. Wir haben aber gesagt, das ist dermaßen relevant, brisant und massiv, was da draußen die ganze Zeit passiert – machen wir doch gleich einen eigenen Sender daraus, dessen Aufgabe und Geist es ist, sich mit den Inhalten dann auseinanderzusetzen, wenn sie passieren. Wir berichten News as they happen – das halte ich für einen ganz wichtigen Mehrwert. Und das ist auch der Kernanspruch an Puls 24.
medianet: Welche Formate wird es geben?
Groiss-Horowitz: Der Programmaufbau ist so gestaltet, dass wir am Vormittag von Café Puls übernehmen, was von der Attitüde schon wie ein kleines Puls 24 gestaltet ist: Alles, was an dem Tag relevant ist, wird bei Café Puls thematisiert, es ist live und wird aus dem Studio moderiert. Und das rollen wir jetzt auf den ganzen Sender Puls 24 aus. Als Ankerpunkte gibt es täglich zwei große Newsshows, eine zu Mittag und eine im Hauptabendprogramm. Um 21:00 Uhr wird es jeden Tag eine große Talkshow geben, die sich um unterschiedliche Themen dreht. Das kann ein Wissenschaftstalk sein, ein Sporttalk oder eine gesellschaftspolitische Diskussionsrunde. Außerdem gibt es zu jeder vollen und halben Stunde News-Updates. Wann immer man also zu Puls 24 schaltet, kann man sicher sein, innerhalb von längstens 30 Minuten einen Überblick darüber zu bekommen, was sich gerade tut.
Stix: Die Inhalte werden sich aber nicht nur auf klassische Nachrichten beziehen, sondern auf verschiedene Genres, wie man sie von internationalen Vergleichsbeispielen gewohnt ist, nämlich Politik, Chronik, Wirtschaft, aber auch Sport und das Thema Gesellschaft beziehungsweise Events, die eine starke Achse darstellen werden.
medianet: Werden die Formate vom Studio, also vom Newsdesk, oder vor Ort moderiert und übertragen?
Groiss-Horowitz: Wir bespielen in Summe drei große Studios und haben dementsprechend viele Studiomoderatoren, die die Nachrichten live sortieren und einordnen, teilweise auch mit Studiogästen und Experten zusammen. Außerdem bauen wir eine große Livereporter-Unit auf. Das heißt, dass permanent bis zu fünf Reporter im ganzen Land unterwegs sind, die wir zuschalten können.
medianet: Viele Sender und Sendungen leben davon, dass es Gesichter zu ihnen gibt. Werden Sie bei Puls 24 auf eigene Gesichter bauen?
Groiss-Horowitz: Ja, wir werden bei Puls 24 massiv auf Anchor setzen und sehr viele Sendungen haben, die wir durch den Einsatz entsprechender Moderatoren personalisieren. Nur Nachrichten zu präsentieren, ist es nicht. Es geht darum, Nachrichtenformate so zu personalisieren, dass der Zuseher diese deshalb konsumiert, weil er sehen möchte, wie der Anchor die Show macht. Nachrichten sind für uns nichts, was vom Hochamt berichtet und distanziert eingeschätzt wird, sondern die spannendsten Geschichten, die es gerade gibt im Land. Und mit dieser Attitüde wollen wir die Formate auch präsentieren.
medianet: Welche Gesichter wird man als Anchormen und -women auf Puls 24 sehen?
Groiss-Horowitz: Wir werden sowohl altbekannte als auch Nachwuchstalente dabeihaben. Vor den Wahlen wird Corinna Milborn das Aushängeschild von Puls 24 sein, viel mehr können wir im Moment dazu noch nicht verraten. Den Anchor für die große tägliche Newsroom-Show um 20:15 Uhr werden wir hoffentlich im Oktober präsentieren.
medianet: Das heißt, Sie haben aufgestockt?
Groiss-Horowitz: Wir sparen Ressourcen durch neue Synergien und stocken gleichzeitig in der Gruppe Personal auf, ja. Neben den Moderatoren bauen wir außerdem gerade eine eigene neue Nachrichtenredaktion auf, die künftig alle Sender außer ATV beliefern wird.
medianet: Was können Sie über das Investment insgesamt sagen?
Stix: Das Investment kann ich in genauen Zahlen natürlich nicht verraten. Aber jeder, der das Medien- und Fernsehgeschäft versteht, weiß, dass es natürlich ein sehr hohes ist. Wir gehen über alle Distributionsebenen.
Dazu kommt, dass live und lokale Berichterstattung immer automatisch teurer ist. Aber wir nehmen das bewusst in Kauf, weil wir glauben, dass wir in einer Zeit, wo man ganz klare Unterscheidungsmerkmale als Pfähle in den Boden hauen muss, in die Investmentphase gehen müssen, um gegen Streaminggiganten und Onlineriesen gewappnet zu sein. Und deshalb glauben wir auch daran, dass das nicht nur für Puls 24 die richtige Taktik ist, sondern, dass Puls 24 die ganze Gruppe stärken wird.
medianet: Sie haben die Streamingdienstleister bereits angesprochen – von vielen Seiten hört man, dass das Fernsehgeschäft seit einiger Zeit durchaus schwierig ist. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen dieser Tatsache auf der einen Seite und steigenden Zuschauerzahlen auf der anderen?
Stix: Ich werde immer wieder gefragt, warum die Fernsehnutzung in Österreich weitgehend stabil ist, während sie etwa in den skandinavischen oder Benelux-Ländern einbricht. Ein Grund ist, dass die Sprachbarriere in diesen Ländern eine kleinere ist – jeder spricht dort nahezu perfekt Englisch, und somit ist auch das Angebot der Streamingdienstleister größer. Der zweite Grund ist, dass die D-A-CH-Region der größte Free-TV-Markt mit dem größten Angebot weltweit ist. Dementsprechend schwierig ist es, hier als Pay-TV-Anbieter Marktanteile zu gewinnen. Die Schwierigkeit ist, dass internationale Werbekunden immer von Kernmärkten ausgehen. Und da lineares Fernsehen in großen Ländern leicht rückgängig ist, wird Österreich aus internationaler Perspektive oft schlechter eingeschätzt, als es lokal dann tatsächlich ist.
medianet: Stichwort ‚Österreich ist anders': Seitens der Politik gibt es gewisse Begehrlichkeiten an Sender, vor allem, wenn es um den Nachrichtenbereich geht. Jetzt machen Sie mit Puls 24 einen Nachrichtensender, was Sie vermutlich auch mehr in den Fokus politischer Akteure rücken wird. Wie halten Sie es mit der politischen Unabhängigkeit oder vereinfacht gesagt: Was machen Sie, wenn jemand anruft?
Groiss-Horowitz: Ich kann mich an keine nennenswerte Intervention erinnern. Die Frage ist immer: Was ist eigentlich eine Intervention? Dass unsere Journalisten im Austausch mit Pressesprechern stehen, dass dabei auch einmal jemand sagt ‚Na, könnten wir nicht?', das ist das journalistische Tagesgeschäft. Das sehe ich nicht als Intervention. Eine Intervention ist aus meiner Sicht, wenn ein journalistischer Inhalt unter Androhung einer Maßnahme verändert werden soll. Das ist aber noch nie passiert, seit ich hier bin. Und das würden wir uns auch nicht gefallen lassen.
Stix: Wir alle kennen die großen Player der österreichischen Medienlandschaft, die vermeintlich beeinflussbar sind – es sind oftmals die üblichen Verdächtigen, das weiß mittlerweile schon jeder. Bei uns kann man aus jeder relevanten Kennzahl herauslesen, dass wir wirtschaftlich komplett unabhängig sind. Mit unseren mehr als 500 Werbekunden haben wir dermaßen diversifizierte Einnahmequellen und hängen eben nicht am Tropf von öffentlich-rechtlichem Geld. Von gewissen Politikern wird es sogar als ein bisschen anormal gesehen, dass man bei uns eben nicht einfach anrufen kann.
medianet: Welche Vorgaben gibt es bezüglich Kennzahlen?
Groiss-Horowitz: Erster werden. Wachsen und Erster werden.
medianet: Und welche konkreten Ziele haben Sie sich diesbezüglich gesetzt?
Stix: Wir fangen ja bei Null an. Aber ich denke, dass wir als Gruppe alle Voraussetzungen haben. Was für uns ein großer Startvorteil sein wird und auch bei den Senderstarts der letzten Jahre immer einen positiven Effekt hatte, ist, dass wir Puls 24 über unsere anderen zehn Sender promoten werden. Mit Puls 24 stärken wir nicht nur inhaltlich die Gruppe, sondern können unsere Werbepartner auch auf einer völlig neuen Corporate-Ebene betreuen. Da werden sich einige neue Geschäftsfelder eröffnen.