••• Von Evelyn Holley-Spiess
WIEN. Erstmals wurde nun in einer breit angelegten Studie erfasst, in welchem Ausmaß Menschen mit psychischen Störungen körperlich erkranken – und welche Spitalskosten dies nach sich zieht.
Unter der Leitung von Judit Simon von der Abteilung für Gesundheitsökonomie am Zentrum für Public Health der MedUni Wien wurden Daten aus 32 europäischen Ländern analysiert. Sie zeigen, dass die stationäre und notfallmäßige Behandlung von körperlichen Begleiterkrankungen bei Alkoholkonsumstörungen, Depressionen, bipolaren Störungen und Schizophrenie im Jahr 2019 europaweit insgesamt rund 30,5 Mrd. € an Krankenhauskosten verursacht hat.
Dieser Aufwand entsteht laut der Untersuchung eben nicht durch die psychiatrische Versorgung selbst, sondern durch körperliche Beschwerden, die bei psychisch Erkrankten überdurchschnittlich häufig auftreten und stationär oder in der Notaufnahme behandelt werden müssen.
In vielen Fällen handelt es sich dabei um Verletzungen, etwa infolge von Stürzen, Substanzkonsum oder Suizidversuchen. Weiters sind Erkrankungen des Verdauungstrakts wie Leberleiden oder chronische Entzündungen, die insbesondere bei Alkoholsucht auftreten, zu beobachten. Auch Erkrankungen des Nervensystems, Atmungssystems, Bewegungsapparats oder Herz-Kreislauf-Systems kommen demnach bei Menschen mit psychischen Erkrankungen deutlich häufiger vor, beschreibt die Studie, die im Fachjournal The Lancet Psychiatry veröffentlicht wurde.
Enormes Sparpotenzial
Im Umkehrschluss liefern die Forschenden Schätzungen zum wirtschaftlichen Einsparungspotenzial: So würde eine Reduktion der körperlichen Erkrankungen um nur ein Prozent in dieser Patientengruppe europaweit zu jährlichen Einsparungen von mehr als 190 Mio. € bei den Spitälern führen. „Die Zahlen unterstreichen die Bedeutung integrierter Präventions- und Versorgungsansätze, bei denen körperliche und psychische Gesundheit nicht getrennt voneinander betrachtet werden”, fasst Studienleiterin Simon zusammen.
