Der autonome Gabelstapler
© AIT
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 15.09.2023

Der autonome Gabelstapler

Das AIT und seine Partner automatisieren einen Mitnahmestapler und machen erstmals automatisiertes Be- und Entladen im Outdoor-Betrieb möglich. Das soll die Logistikbranche entlasten.

WIEN. In einer Forschungskooperation haben Wissenschaftler am AIT Center for Vision, Automation & Control (VAC) gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern ein intelligentes Automatisierungskonzept entwickelt, das die Be- und Entladeprozesse im Außenbereich revolutioniert. Durch die Automatisierung eines Mitnahmestaplers, wird die effiziente und flexible Handhabung von Gütern und Objekten ermöglicht, insbesondere in Situationen, in denen es an logistischer Infrastruktur und Personal mangelt.

Im Fokus der mehrjährigen und nun erfolgreich abgeschlossenen Forschungskooperation stand die Automatisierung eines Mitnahmestaplers, der sog. Crayler, der in einer Transportkiste unter dem LKW mitgeführt wird. Er kann überall und flexibel eingesetzt werden, besonders dort, wo keine logistische Infrastruktur vorhanden ist.

Autonome Handhabung von Gütern im Außenbereich
Die Entwicklungsarbeit umfasste Lösungen in Sensorik, Robotik und intelligenter Software mit dem Ergebnis, dass der Crayler nun – im Sinne der gestellten Aufgabe – autonom handeln kann. Er fährt zum Verladegut, erkennt es als solches, positioniert sich, nimmt es richtig auf, bringt es sicher zur Abladeposition und stellt es gemäß der Aufgabe ab. Das Besondere dabei ist, dass sich das Ganze in einer offenen Umgebung im Außenbereich abspielt. Anders als in einem computergestützten Lagerhallensystem mit klar definierten und eingemessenen Bereichen, bieten hier keine Sensoren und Markierungen dem Gerät Orientierungshilfen. „Diese Entwicklung macht erstmalig eine automatisierte Handhabung von Gütern und Objekten bei Be- und Entladevorgängen im Außenbereich möglich. Ähnliche Aufgabenstellungen z.B. in der Landwirtschaft, im Bauwesen oder in kommunalen Dienstleistungen können damit ebenso realisiert werden. Er soll besonders dort eingesetzt werden, wo es an Arbeitskräften mangelt“, so Andreas Vrabl, Leiter des AIT Center for Vision, Automation & Control über künftige Anwendungsmöglichkeiten.

Training mit synthetischen Daten
„Mit Hilfe von KI basierten Methoden ‚lernt‘ der Crayler das Transportgut zu identifizieren. Dazu brauchen wir geeignete Bilddaten. Die Schwierigkeit hier ist, dass wir es mit den verschiedensten Palettentypen zu tun haben. Sie variieren im Aussehen sehr stark. Zudem können sie neu oder abgenutzt sowie auf unterschiedliche Weise beladen sein. Das Anlernen des Systems mit annotierten Bildern wie im Automotive-Bereich wäre hier zu ressourcenintensiv und praktisch kaum umsetzbar. Daher generieren wir synthetische Daten,“ so Csaba Beleznai, Wissenschaftler am VAC und Experte auf dem Gebiet des maschinellen Lernens.

In seinem innovativen Ansatz geht er von der geometrischen Form des Objekts – hier der Palette – aus. Eine Simulationssoftware erstellt im Hintergrund rund 500.000 Datensätze mit unterschiedlichen Ansichten und Varianten in kürzester Zeit und trainiert damit das neuronale Netz äußerst effizient.

Lernfähigkeit der Nutzmaschinen erhöhen
Zum Projektabschluss im Large-Scale Robotics Lab, dem neuen AIT eigenen Outdoor-Testgelände in Seibersdorf, zeigte der Mitnahmestapler sein Können und verlud – automatisiert – Paletten auf einen Lkw. „Diese komplexen Handlungen zu automatisieren, bei denen u.U. mehrere große Geräte involviert sind, die aufeinander abgestimmt sein müssen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Umsetzung erfordert eine zentimetergenaue Operation sowie eine eindeutige Abstraktion der Szene inklusive einer klaren Definition der Objektbeziehungen darin. Wir konnten hier im Konsortium sehr wesentliche Fortschritte erzielen und erfreuliche Ergebnisse präsentieren,“ freut sich Sebastian Wimmer, ACES Program Leader bei Palfinger.

Künftig wollen die Experten die Lernfähigkeit der Stapler erhöhen. Geplant sind unter anderem die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sowie die Interaktion zwischen Maschine und Maschine auszubauen und den Crayler zu befähigen, flexibel auf sich verändernde Situationen einzugehen. „Für autonome mobile Roboter wie wir sie für die Intralogistik entwickeln bieten solche KI-basierten Methoden großes Potenzial, noch besser mit den verschiedenartigsten Szenarien in Warenlagern und Produktionsumgebungen umzugehen“, meint Wolfgang Pointner, R&D Coordinator bei Agilox. „Das Projekt hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, sog. chaotische Situationen durch automatisierte Systeme zu lösen. Wir gehen davon aus, dass dies zukünftig auch für unsere Kunden einen entsprechenden Mehrwert generieren wird.“

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL