„2026 wird ein gutes Jahr für die Branche“
© Katharina Schiffl
Heimo Hammer
MARKETING & MEDIA Redaktion 12.12.2025

„2026 wird ein gutes Jahr für die Branche“

Heimo Hammer (kraftwerk) über den Einsatz von KI – und welche Events 2026 die Werbebranche beleben werden.

Die Kreativbranche blickt auf ein Jahr zurück, das von der rasanten Entwicklung und vom starken Einzug von Künstlicher Intelligenz (KI) geprägt war.  medianet hat zum Jahresabschluss Heimo Hammer, den CEO der kraftwerk Group, um ein paar Antworten rund ums Thema KI gebeten.

medianet : Herr Hammer, wir sind am Ende eines Jahres, das in der Kreativbranche ganz im Zeichen von KI gestanden ist. Wie so oft bei neuen Technologien stellt sich die Frage, was dadurch ersetzt wird und was bleibt. Welche Teile der kreativen Arbeit werden bei kraftwerk noch von Menschen gemacht?
Heimo Hammer: Die kreative Arbeit liegt bei uns weiterhin klar bei den Menschen. Das komplette kreative Fundament – von der ersten Idee über die konzeptionelle Anlage bis hin zur Textierung und eigentlichen Konzeptarbeit – entsteht bei kraftwerk nach wie vor in den Köpfen des Kreativteams. KI-Tools kommen dann in der Ausarbeitung, also bei Gestaltung, der Suche nach Bildern und Videos und bei Animationen für Logos, stark zum Einsatz. Natürlich könnte man rein technisch auch den gesamten Prozess mit KI machen lassen. Aber uns geht es um den kreativen Prozess von Menschen für Menschen.

medianet : Können Sie den Ablauf anhand eines konkreten KI-Projekts skizzieren?
Hammer: Wir starten mit einer Kampagnenidee, einem passenden Storyboard und überlegen uns einen klaren Plot. Das übersetzen wir dann in Prompts und die KI liefert uns dazu Sequenzen, Bilderwelten, Animationen oder Effekte. Unsere Aufgabe ist dann das Kuratieren: Passt die Tonalität? Wird die Geschichte richtig erzählt? Bei unserem Projekt für E.Gon, eine Online-Plattform für die Verwaltung von Energiegemeinschaften, stammt das komplette Konzept aus unserer Entwicklung, die Inszenierung der Marke wurde dann mithilfe von KI-Tools gemacht. Die Kampagne wird mit dem Kunden laufend abgestimmt und gekennzeichnet.

medianet : Das heißt, Sie haben der KI eine Art Grundmaterial gegeben und die baut daraus dann Vorschläge?
Hammer: Genau, wir haben uns sequenziell entlang unserer Plots voran gearbeitet und uns KI-Variationen für Anzeigen, Sujets, digitale Ads, Musik, Texte oder Effekte liefern lassen. Bei E.Gon basieren große Teile des Videos auf nur wenigen Kundenfotos und einem kurzen Artlist-Clip, der Rest ist KI-generiert. Wir selbst haben keine einzige Minute gedreht. Der nächste Schritt, wo die KI hilft, ist die Regionalisierung. Aus einem Basisfilm entstehen unzählige Versionen, die automatisch, durch die Geolokalisierung, auf Bundesländer oder Regionen zugeschnitten werden. So wird aus einem Spot kein einzelnes Werbemittel mehr, sondern eine Vielzahl an maßgeschneiderten Varianten, die sehr gut performen.

medianet : Fürchten Sie, dass KI Agenturen in naher Zukunft einmal komplett ersetzen könnte?
Hammer: Nein, aber KI wird Agenturen massiv verändern. Die Gefahr für uns ist eher, dass wir Kreativität verlernen und zu ‚kreativen Trottel‘ werden, wenn wir uns zu sehr auf KI verlassen. Daher trainieren wir unsere Mitarbeiter im Umgang mit KI. Nicht um sie fauler zu machen, sondern um ihre Kreativität und Medienkompetenz zu stärken. Sie sollen verstehen, was wir uns von ihnen erwarten und wie sie bestmöglich KI einsetzen. Gerade weil heute jeder automatisiert Inhalte generieren kann und der Werbemarkt zugespammt wird, braucht es kreative Menschen, die erkennen: Was ist im kreativen Prozess wichtig und erreicht Leute wirklich.

medianet : Sehen Sie schon jetzt konkrete Veränderungen durch den Einsatz von KI?
Hammer: Wir sehen, dass die Briefing-Qualität bei manchen stark nachgelassen hat. Viele ausschreibende Unternehmen und manche Auftraggeber verlassen sich zu sehr auf die KI und vernachlässigen die Basics der Werbung. Ein professionelles und gut durchdachtes Briefing sollte klar formuliert werden. Der Briefingprozess ist Key für erfolgreiche Kampagnen und erfolgreiche Markenentwicklung. KI führt nicht zwangsläufig zu den besten Briefings aller Zeiten.

medianet : Wie schauen denn die Briefings stattdessen aus?
Hammer: Wir bekommen oft Texte, die offensichtlich von einer KI stammen und nichts mit der Marke oder dem Unternehmen zu tun haben. Da stehen dann Begriffe und Dinge drinnen, die der Kunde selbst nie verwenden würde. Wenn wir im Briefing-Gespräch nachfragen, stellt sich heraus, dass niemand weiß, woher die Inhalte überhaupt kommen …

medianet : Weil Sie vorhin maßgeschneiderte und spezifische Inhalte angesprochen haben: KI-Nutzung führt auch dazu, dass Suchmaschinen nun viel genauer wissen, was Nutzer wirklich wollen. Wird GEO (Generative Engine Optimization) jetzt der neuen zentrale Standard, statt wie bisher SEO (Search Engine Optimization)?
Hammer: Klassisches SEO stößt mittlerweile an die Grenzen, weil es versucht, quasi unendlich viele Inhalte für unendlich viele mögliche Suchanfragen zu optimieren. GEO funktioniert anders: Reporting gegenüber dem Kunden: nicht nur klassische Ranking-Zahl, sondern auch Sichtbarkeit in generativen Systemen (wenn messbar) sowie Marken-Erwähnungen im KI-Kontext.

medianet : Was verändert sich dadurch?
Hammer: Die Priorisierung ist derzeit zuerst Basis-SEO für schnelle ‚Grundsichtbarkeit‘, dann ‚GEO‘ als Wettbewerbsvorteil aufbauen. Die KI lernt aus jedem Prompt, aus jeder Frage und aus jedem Dialog und weiß dadurch immer präziser, was für den jeweiligen Nutzer relevant ist. Statt riesige Datenmengen zu durchsuchen, werden nur Inhalte oder Angebote ausgespielt, die für die Person passen. Das reduziert die Datenmenge und macht den Prozess schneller.

medianet : Dennoch sind es riesige Datenmengen, die durch Interaktionen mit KI erzeugt werden, und dementsprechend viel Strom verbrauchen …
Hammer: Ja, Berechnungen zufolge kommen derzeit ein Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes von der Digitalmarketing-Industrie. Wenn KI jetzt noch weiter in diese und andere Branchen eindringt, geht man davon aus, dass es auf drei bis vier Prozent ansteigen wird.

medianet : Diesbezüglich wurde unlängst spekuliert, dass OpenAI, die Firma hinter ChatGPT, Werbung in ihr KI-System einbauen möchte, um eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Wie bewerten Sie das?
Hammer: ChatGPT und Co. Arbeiten mit dem Freemium-Modell: Das Grundprodukt ist gratis, für mehr Funktionen muss man bezahlen. Hinter KI-Systemen stecken enorme Kosten durch den hohen Energieverbrauch, vor allem wegen der Verarbeitung und Verteilung großen Datenmengen. Weil aber viele nur das Gratisprodukt nutzen, werden Werbung oder ‚Nutzerdaten‘ in Zukunft zu einem zusätzlichen Erlösstrom werden.

medianet : Die Kommunikationsbranche befindet sich in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Wie weit können KI-Tools hier unterstützend wirken?
Hammer: Grundsätzlich eröffnen Krisen immer Chancen für etwas Neues. KI hat unserer Branche natürlich sehr belebt, jeder redet davon, alle benutzen es. Entscheidend ist aber: Bisher hat sich die Nutzung von KI, weder für Kunden noch für Agenturen, wirtschaftlich ausgezahlt. Eigentlich müssen Agenturen durch KI schneller produzieren können und Kunden mehr für ihr Geld bekommen. So weit sind wir aber noch nicht, wenn wir den Maßstab bester Qualität und Kreativität anlegen.

medianet : Blicken wir nach auf das kommende Jahr. 2026 wird für die Kommunikationsbranche spannend, aus österreichischer Sicht allen voran durch den Eurovision Song Contest (ESC) im Mai. Im Juni und Juli steht dann noch die Fußballweltmeisterschaft in Nordamerika an. Welchen Effekt werden diese Megaevents für die Branche haben?
Hammer: Die Aufteilung der Ereignisse im nächsten Jahr ist aus meiner Sicht für die Werbebranche sehr gut. Der ESC und auch die Fußballweltmeisterschaft versammelt die Menschen über mehrere Monate vor dem Fernseher. Wir freuen uns sehr, mit einigen unserer Kunden beide Events werblich national wie international begleiten zu dürfen. 2026 wird ein gutes Jahr.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL