••• Von Petra Steinke
Kürzlich fand in Cannes die weltweit größte Programm- und Content-Messe MIPTV statt. Unter den knapp 10.000 Besuchern waren auch wichtige Programmeinkäufer angereist, aber obwohl das gesamte Programm mit den vorgelagerten Konferenzen MIPdoc und MIPformat sowie mit dem im vergangenen Jahr eingeführten Serien-Festival „Canneseries” und den „In Development”-Sessions recht vielfältig war, konnten trotzdem keine wachsenden Besucherzahlen verzeichnet werden, und große Aussteller wie BBC Studios, Fox Networks und Endemol Shine blieben sogar ganz aus.
Die ORF-Enterprise reiste mit hochkarätiger Kultur, „Universum”-Naturfilmen in Ultra HD 4K-Bildern sowie Fiction-Erfolgen an die Côte d’Azur, um internationale Sendeanstalten und Video-on-Demand-Plattformen anzuwerben – mit Erfolg: gleich zu Beginn der MIPTV verzeichnete ORF-Enterprise einen großen Deal mit dem „Tatort”; Discovery Italia sicherte sich für den Sender Giallo drei neue Folgen des beliebten Austro-„Tatort”.Die hochwertigen ORF-„Universum”-Produktionen (History-Linie und Naturfilme) sind gleichbleibend international sehr beliebt. Armin Luttenberger, Head of Content Sales International bei ORF-Enterprise: „Gute und interessante Geschichten mit kreativen, originären Inhalten funktionieren im TV, aber keine Schablonenwerke.”
Verkäufe bis nach Südamerika
Die südamerikanische Video-on-Demand-Plattform Encripta startet eine umfangreiche Zusammenarbeit mit ORF-Enterprise und wird mehrere ORF-„Universum”-Naturfilme ausstrahlen. Luttenberger dazu: „Die Video-on-Demand-Plattformen haben mit der enorm großen Fläche an Angeboten die Grenzen von Content durchlässiger gemacht, deshalb sehen wir die VoD-Plattformen als Türöffner in viele Märkte.”
Besonderes Highlight der ORF Enterprise war die neue Comedy-Serie „Walking on Sunshine”, die das turbulente Leben der Mitarbeiter einer Wetterredaktion eines Fernsehsenders urkomisch ausmalt.
Gefragt nach dem Erfolgsgeheimnis, antwortet Beatrice Cox-Riesenfelder, Geschäftsführerin ORF-Enterprise, folgendermaßen: „Man muss grundsätzlich zwischen fiktionalen Inhalten und Factual Content, also Dokumentationen, unterscheiden. Bei Letzteren hat der ORF insbesondere in Europa und Asien einen sehr guten Ruf, was die journalistische Qualität betrifft, was nicht bei allen Dokumentationen, die am Markt sind, der Fall ist. Diese sind of ‚reißerisch' und ‚kommerz-orientiert', während sich der ORF auf gute Recherche, eindeutige Quellen und gute Erzählweise konzentriert. In Zeiten der Fake News ist das wieder sehr gefragt, ob bei den ‚Weltjournal'-Beiträgen, bei Kulturdokumentationen, aus dem Bereich Wissenschaft wie ‚Newton' oder auch im Bereich Religion, die einige Abnehmer in Europa und Asien, aber auch Mittleren Osten finden. Das ist eine tolle Auszeichnung für die Redakteure und Produzenten von ORF-Produktionen.”
Spartenkanäle & VOD
Cox-Riesenfelder weiter: „Bei den fiktionalen Inhalten ist es schwieriger, da der ORF verstärkt auf Lokalkolorit und österreichische Sprache & Humor setzt, was außerhalb des D-A-CH-Raums für größere TV-Sender oft schwer zu platzieren ist. Deswegen verkaufen wir zunehmend an Spartenkanäle oder VOD-Plattformen, die für eine spitze Zielgruppe einkaufen und ein höheres Risiko eingehen können. Wobei sich das ‚Tatort'-Duo Neuhauser & Krassnitzer derzeit immer größerer Beliebtheit neben den deutschen ‚Tatorten' erfreut, ebenso wie ‚Soko Kitzbühel' oder ‚Vier Frauen und ein Todesfall', ungebrochen und seit Jahren.”
Terra Mater Dauerbrenner
Das Wiener Produktionshaus Terra Mater Factual Studios GmbH offerierte auf der MIPTV besonders stolz ihren viel prämierten DokumentarThriller „Sea of Shadows”, für den zwei Jahre in den mexikanischen Gewässern und in China gedreht wurde.
In dem beim renommierten Sundance Film Festival in Utah/USA mit dem Audience Award ausgezeichneten Dokumentarfilm begleitete der österreichische Filmemacher Richard Ladkani mehrere investigative Journalisten, Naturschützer der Umweltorganisation Sea Shepherd und Wissenschaftler, die unter Einsatz ihres Lebens die Ausrottung der Tiere und Zerstörung eines Ökosystems zu verhindern suchen. Der seltenen Walart Vaquita wird der illegale Fischfang zum Verhängnis, doch für mexikanische Kartelle und die chinesische Mafia ist es ein Millionen-Geschäft.
Für Walter Köhler, „Sea of Shadows”-Produzent und Gründer/CEO der Terra Mater Factual Studios, bleibt die Arbeit zum Dokumentarthriller nachhaltig in Erinnerung: ‚Sea of Shadows' war die gefährlichste Dokumentation unter Einsatz meines Lebens.”
Eva Schmidt, Head of Marketing & Communications, ergänzt: „Wir filmen in der Natur, deshalb möchten wir ihr mit unserer Arbeit auch etwas zurückgeben, da wir schließlich ein große Verantwortung gegenüber der Natur haben.”
Köhler: „Wir wollen die Zuschauer mobilisieren, etwas zu tun. Das ist unsere Vision und unsere Dokumentarspielfilme zeigen treffend auf, wo Handlungsbedarf ist.” Genau für diesen Einsatz wird Terra Mater Factual Studios GmbH international sehr hoch geschätzt und mit wertvollen Preisen ausgezeichnet. Das internationale Team begann vor acht Jahren mit ihrem Kerngeschäft, den Naturdokumentationen, aber Kooperationen mit bewährten Partnern wie National Geographic, die Zusammenarbeit mit Hollywoodstar Leonardo DiCaprio und der erst kürzlich vereinbarte Vertriebsdeal mit dem Non-Fiction-Vertriebsspezialisten Off the Fence B.V. (OTF), Tochtergesellschaft von ZDF Enterprises, zeugen inzwischen von einer derart gewaltigen Schaffenskraft und kreativem Produktionstalent des österreichischen Unternehmens, dass wir zukünftig noch sehr viele fantastische Projekte auf Filmfestivals und Fernsehmärkten erwarten dürfen.
Pink Carpet für Canneseries
So wie 2018 säumten beim Serien-Festival „Canneseries” wieder rosarote Teppiche und Aufsteller den gesamten Treppen- und Eingangsbereich der Messehalle. 2018 lancierte die Stadt Cannes gemeinsam mit der Reed Midem das Serien-Festival als Reaktion auf den weltweiten Serien-Boom und vermutlich auch, um die Anziehungskraft der MIPTV insgesamt zu stärken. Die spanische Produktion „Perfect Life” konnte sich gegen die neun anderen im Wettbewerb stehenden Produktionen durchsetzen und räumte gleich zwei Preise für die Kategorien „Beste Serie” und „Special Performance” ab. Ausgestrahlt werden die acht Episoden, die von drei Frauen in der Lebenskrise erzählen, beim spanischen Pay-TV-Sender Movistar+.
Als einzige deutschsprachige ZDF- und Arte-Serie gewann „Die neue Zeit”, die von der Gründung des Bauhaus im Jahr 1919 und Walter Gropius erzählt, den Preis für die beste Musik, komponiert von Christoph M. Kaiser und Julian Maas.