Regierungsinserate-Studie des Medienhauses Wien
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MARKETING & MEDIA Redaktion 06.07.2023

Regierungsinserate-Studie des Medienhauses Wien

Kommunale Corona-Impfkampagne aus Bundesmitteln nicht erfasst - Regierung investiert 4,51 Euro pro "Österreich"-Leser und 1,17 Euro pro "Standard"-Leser.

WIEN. Das Medienhaus Wien hat eine aktuelle Studie zu den Regierungsinseraten vorgelegt. Fazit der Studienautoren: "Die Ausgaben der Bundesregierung für Inserate in Österreichs Tageszeitungen und deren Onlineportale seien im Vorjahr intransparent, ohne nachvollziehbare gemeinsame Linie und sehr boulevardaffin ausgefallen." Dies geht aus der am Mittwoch präsentierten Studie "Scheinbar transparent IV" des Medienhauses Wien hervor.

Die Ausgaben seien zwar im Vergleich zu 2021 zurückgegangen, doch wurde eine millionenschwere kommunale Corona-Impfkampagne aus Bundesmitteln nicht einbezogen, wie das Medienhaus Wien in einer Aussendung erklärt.

Die Bundesregierung gab 2022 rund 29 Mio. Euro für sogenannte Medienkooperationen aus, 2021 waren es noch 45,4 Mio. Euro. 13,6 Mio. Euro flossen im Vorjahr für Inserate an Österreichs Tageszeitungen (2021: 28,2 Mio. Euro). Nicht als Teil des Regierungsbudgets scheinen in der Medientransparenzdatenbank der RTR 75 Mio. Euro auf, die ab Mitte März 2022 im Auftrag von Gesundheits- und Finanzministerium an Österreichs Gemeinden für eine kommunale Corona-Impfkampagne überwiesen wurden. "Wir wissen nichts Genaueres über den Verbleib dieser Mittel", so Medienhaus-Wien-Geschäftsführer Andy Kaltenbrunner bei einer Onlinepräsentation der Studie

. Am Ende des Jahres musste nicht verpflichtend eingemeldet werden, wie viel der Mittel auch für Informationsleistungen ausgegeben wurden. Aber die Gesamtausgaben des Bundes dürften damit nur scheinbar geringer als 2021 sein, hielt Kaltenbrunner fest.

Die drei Boulevardzeitungen "Kronen Zeitung", "Heute" und "Österreich"/"oe24" erhielten am meisten der Regierungsinserate. Gemeinsam kamen sie auf 58 Prozent der Ausgaben. Rund 3,1 Mio. Euro gingen an die "Kronen Zeitung", ca. 2,5 Mio. Euro an "Österreich"/"oe24" und 2,4 Mio. Euro an "Heute". Kaum inseriert wurde dagegen bei den "Oberösterreichischen Nachrichten" (ca. 0,4 Mio. Euro) und den "Salzburger Nachrichten" (ca. 0,3 Mio. Euro).

Stellt man die durchschnittlichen Leserzahlen der Tageszeitungen auf Basis der Media-Analyse den Gesamtausgaben der Bundesregierung gegenüber, so zeigt sich, dass "Österreich"/"oe24" wie schon in den Vorjahren mit Abstand am meisten Inseratengeld pro Leserin oder Leser erhielt. 4,51 Euro ließ sich die Regierung den Leserkontakt 2022 kosten. Damit sind die Leserinnen der Mediengruppe Österreich der Regierung ein Drittel mehr Wert als jene von nachfolgenden Titeln wie "Heute" (3,37 Euro) oder den "Vorarlberger Nachrichten" samt "Neue Vorarlberger Tageszeitung" (3,28 Euro). Die "Kronen Zeitung" blieb mit 1,48 Euro pro Leserin oder Leser klar unter dem Durchschnitt von 2,08 Euro. Am Ende finden sich die "Oberösterreichischen Nachrichten" (1,24 Euro) und "Der Standard" (1,17 Euro).

Erstmals an der Spitze der ausgabenfreudigsten Ministerien war das Verteidigungsministerium, das ca. 2,4 Mio. Euro für Zeitungsinserate ausgab. Das Bundeskanzleramt investierte rund 2,3 Mio. Euro, das Innenministerium ca. zwei Mio. Euro und das Klimaschutzministerium fast zwei Mio. Euro. Das Finanzministerium setzte seine Ankündigung besonderer Sparsamkeit um und gab eine Mio. Euro aus (2021: 5,3 Mio. Euro). Insgesamt kamen 9,9 Mio. Euro von ÖVP-geführten Ministerien und 3,7 Mio. Euro von Ministerien, die von den Grünen geführt werden.

Die Ministerien gehen höchst unterschiedlich bei der Verteilung der Mittel vor. Inhaltlich begründete Streupläne wurden nicht publiziert. So investierte das Innenministerium mehr als 90 Prozent in die Boulevardmedien "Kronen Zeitung", "Heute" und "Österreich"/"oe24". Das Verteidigungsministerium pumpte mehr als 70 Prozent seiner Inseratenausgaben in diese drei Titel. Breit gestreut waren die Ausgaben dagegen etwa beim Klimaschutzministerium.

In Summe lässt sich laut Kaltenbrunner "keine akkordierte Kommunikationsstrategie der Regierung erkennen, aber jeweils ganz individuelle Interessen und Medienbeziehungen der Ressorts und ihrer Ministerinnen und Minister annehmen."

Mangels transparenter Kommunikationsberichte bleiben Kampagnen der Regierung sowie die Streupläne und deren Begründung unbekannt. Die EU-Kommission äußerte bereits 2020 und 2022 Bedenken, "hinsichtlich der hohen Ausgaben staatliche Werbung, der Fairness und Transparenz dieser Zuweisungen und der politischen Einflussnahme im Zuweisungsvorgang". Diese Kritik erscheint Kaltenbrunner nach der Datenanalyse aus Forschungssicht weiterhin berechtigt.

In der Studie ist auch ein Exkurs zu den Inseratenausgaben der Stadt Wien enthalten, die nach der Regierung der zweitgrößte Zahler für Medienkooperationen ist. Die Stadt Wien buchte um 25,3 Mio. Euro, davon 15,6 Mio. Euro in Österreichs Tageszeitungen und deren Onlinemedien. Seit geraumer Zeit wird entgegen zur Bundesregierung ein Kommunikationsbericht mit genaueren Werten zur Verfügung gestellt. Bei den Ausgaben pro Kopf zeigt sich zudem ein anderes Bild: Für Leserinnen und Leser der "Presse" investierte die Stadt Wien 18,23 Euro pro Kopf, dahinter kommen der "Standard" mit 11,1 Euro, "Österreich"/"oe24" mit 9,52 Euro und der "Kurier" mit 9,38 Euro. Der Kontakt mit Lesern der "Kronen Zeitung" war der Stadt Wien 7,08 Euro pro Person Wert. Die Inseratenverteilung sei damit "deutlich weniger boulevardfreundlich" als bei der Bundesregierung, betonte Kaltenbrunner. In absoluten Zahlen habe aber dennoch "Heute" die Nase vorne.

Mit 1. Jänner 2024 treten Änderungen am Medien-Transparenzgesetz in Kraft. Künftig müssen alle Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand unabhängig von der Erscheinungsfrequenz eines Mediums und ab dem ersten Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet werden. Bisher waren nicht-periodische Medien ausgenommen und galt eine Bagatellgrenze von 5.000 Euro, womit einer Schätzung Kaltenbrunners zufolge grob 20 Prozent der Ausgaben unberücksichtigt blieben. Für Kampagnen ab gewissen Schwellenwerten muss ein Transparenzbericht vorgelegt und Wirkungsanalysen durchgeführt werden.

Künftig werden die Daten nicht mehr vierteljährlich, sondern halbjährlich von öffentlichen Stellen gemeldet. Die Information durch die RTR an die Öffentlichkeit erfolgt etwas zeitversetzt. Damit liegen erste Daten für 2024 erst Mitte Oktober vor, so Kaltenbrunner, der darauf verwies, dass es sich um ein Wahljahr handle, wo es immer wieder Debatten darüber gebe, wie Gelder eingesetzt werden.

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