„Köder muss dem Fisch schon auch schmecken”
© Martina Berger
RETAIL Redaktion 01.03.2024

„Köder muss dem Fisch schon auch schmecken”

Im jüngsten medianet Round Table ging es um die Rolle von Loyalty-Programmen im Social Media-Zeitalter.

••• Von Georg Sohler

Wer nicht wirbt, stirbt, soll der erfolgreiche Autobauer Henry Ford einmal gesagt haben. Wirft man einen Blick ins eigene Geldbörsel, könnte man anhand der Zahl der Karten zum Schluss kommen, dass dies auch für Loyalty-Programme gilt, egal ob Multipartner oder unternehmenseigen. So manch große Firma verzichtet dennoch ganz auf Bonusprogramme.

medianet-Herausgeber Oliver Jonke ist in einer Expertenrunde der Frage auf den Grund gegangen, ob es Loyalty überhaupt noch braucht, wenn die Firmen klassisch und via Social Media-Plattformen ohnehin direkt mit den Kunden sprechen können. Der Ausgangspunkt für ihn: „Der uns allen wohl bekannte Werbeprofi Mariusz Demner würde dazu sagen: ‚Werbung kann Loyalty zwar nicht ersetzen, aber sehr fördern.'”

Österreich als „Loyaltyland”

Die Runde, bestehend aus Harald Gutschi, CEO von Unito/Otto, Payback-Geschäftsführer Walter Lukner und SlopeLift-CEO Konstantin Kasapis sowie JKU-Forscher Ernst Gittenberger, ergründet, warum Loyalty nicht durch Werbung in der Tat nicht ersetzt werden kann. Dabei geht es zunächst darum, was ein derartiges Programm bieten muss. Ein wichtiger Ausgangspunkt für den Payback-Geschäftsführer sei folgende Erkenntnis: „Österreich ist ein Loyalty-Land.” In einer Befragung unter 1.500 Personen im D-A-CH-Raum im Jahr 2023, die der Handelsverband mit den Pendants aus der Schweiz und Deutschland durchführte, gab die Mehrheit der Konsumenten (92,2%) an, sich regelmäßig Informationen zu wünschen und sogar 65% mindestens einmal pro Woche über Angebote und Neuigkeiten informiert werden möchten. Vor allem in wirtschaftlich unsicheren Zeiten erklärten 25,4% der Konsumenten, Kundenbindungsprogramme häufiger als zuvor zu nutzen. Sieht man sich die Nutzungsregelmäßigkeit näher an, hat sich diese im Vergleich zum Vorjahr ebenso stark erhöht: Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, Kundenbindungs-Lösungen mehrmals pro Woche zu nutzen.

Doch alles beginnt mit der Entwicklung. „Die Grundleistung, um ein Loyalty-Programm aufzusetzen, kostet in etwa immer gleich viel – egal ob in Deutschland mit 80 Millionen Menschen, Polen mit halb so vielen oder im kleineren Österreich”, weiß etwa Walter Lukner, Geschäftsführer von Payback Österreich. Die Faustregel für Länder und Unternehmen: Je kleiner, desto besser muss gerechnet werden. Ein Multipartnerprogramm könne da hilfreich sein, für ein komplett eigenes Kundenbindungsprogramm brauche es eine gewisse Größe.

Das richtige Programm

„Ein Singleprogramm, das schafft nur eine Handvoll Firmen”, ist sich Unito/Otto-CEO Gutschi sicher und nennt Ikea als Beispiel. Seine Firma macht übrigens beides. Neben Payback gibt es ein internes Loyalty-Programm, mit Rabatten und schnelleren Lieferungen. Die Kombination mache es aus, weil österreichische Unternehmen alleine beim Preis mit großen internationalen Playern nicht mithalten könnten. Ein Kühlschrank wäre beim „Ein-Mann-Garagenabwickler” schon billiger zu haben: „Es braucht einen vergleichbaren Preis und gutes Service. Wir schließen zum Beispiel den neuen Kühlschrank an, nehmen den alten mit, akzeptieren Rechnungskauf und dafür gibt es auch noch Punkte. Wer bietet so etwas sonst an?”

Ein entscheidender Faktor ist es, das Richtige anzubieten. Denn es gehe um die Relevanz des Kundenbindungsprogramms. Die müsse geschaffen werden, ist sich SlopeLift-CEO und Marketing-Experte Kasapis sicher. „Bei Lidl bekommt man auf den Preis mit der App noch einen Rabatt. Wenn ich als Kunde bei dm meine Gutscheine aktiviere, bekomme ich auch noch mehr Punkte”, illustriert er die Kundensicht: „Die Kombination macht es also aus.” Kurzum: Man ist nur loyal, wenn es daraus einen wie auch immer gearteten Mehrwert gibt. Wer zufrieden ist, der bleibt. Gutschi bemüht dazu einen bekannten Satz: „Es ist immer teurer, in die Neukundengewinnung zu investieren, als bestehende Kunden zu behalten.”

Der Mix entscheidet

Ernst Gittenberger, der an der JKU zum Thema Marketing forscht, pflichtet bei: „Loyalität zielt auf langfristige Kundenbindungen.” Lukner stellt ebenfalls klar, dass Loyalty eine Marke nicht aufbauen könne, allerdings durch das konsequente Erinnern die Marke im Kopf behalten werde. Bei Spar mache man das etwa über die stets neu verfügbaren Ermäßigungen. Aber incentivierte Loyalität in dieser Form sei gefährlich. Wichtiger, so Gittenberger, wäre die emotionale Loyalität. Die Werbung selbst lädt die Marke mit positiven Gefühlen auf. Das sei mit einem Kundenbindungsprogramm allein nicht möglich. „Loyalty ersetzt keine Werbung, gleichzeitig gibt es ausschließlich durch Werbung auch keine Kundenbindung”, stellt er klar. Kluge Unternehmen hätten dies erkannt.

Im Kommunikationsmix, so Moderator Oliver Jonke, nehme Loyalty eine immer wichtigere Rolle ein. „Bei uns ist es Teil der Werbekosten”, erzählt Gutschi, „Man muss die Kunden aber emotional binden.” Er führt ein Beispiel an: Wenn ich seit 17 Jahren Otto-Kunde bin oder Geburtstag habe, bekommt man etwas – und wenn es nur ein Glückwunsch oder Danke ist. Auf den Punkt bringt es Kasapis: „Die besten machen beides.”

Gewusst wie

Doch wie geht man klug vor? Während sich der Lebensmittelhandel leicht tut, weil Essen und Trinken oft gekauft werden, gehe man Bekleidung eben nicht so oft einkaufen. Doch die Frequenz ist nicht die einzige Frage. „Die Leute haben schon keine Lust mehr auf mehr Apps und Karten. Die Tendenz geht zu wenigen großen Anbietern”, gibt Gutschi zu bedenken.

Kasapis bringt eine Consumer-Sicht ein, mit der wohl viele etwas anfangen können. Man entscheidet sich für oft gebrauchte oder persönlich wichtige Apps: „Ich habe die für mich wichtigen, wie die jö-, Spar- oder Lidl-App, weiters eben Ikea oder Nike.” Die Relevanz muss hochgehalten, den Kunden ein gutes Gefühl vermittelt werden. Wer – etwa wie die Telekommunikationsbranche – eine lange Zeit Neukunden alles verspricht und Bestandskunden wenig bietet, macht etwas falsch. „Ein A-Kunde will seinen Goldstatus”, weiß Lukner durch das Multipartnerprogramm. „Der B- oder C-Kunde wird hingegen mit einer eigenen App kaum bei der Stange gehalten werden.” Eine persönliche Ansprache, die möglichst punktgenau ist, sei on- wie offline entscheidend. Wichtig ist dabei, auch die teureren Printmailings weiterhin zu machen. Zwar würde die Gen Z, wie Kasapis anmerkt, keine Pickerl auf Produkte kleben, denn „the trend is your friend”. Digital werde zwar zunehmen, aber umgekehrt lassen die, die nur auf die App setzen, Umsätze liegen. „Es wird noch eine Zeit lang beides brauchen”, ist sich Gittenberger sicher. „Im Internet ist die Penetrationsrate sehr hoch. Flyer und Pickerl funktionieren.” Aber egal, welchen Kommunikationskanal man wählt, es sei wichtig, dass die Kunden möglichst positive Gedanken haben, wenn sie an die Marke denken.

Schnäppchenjäger

Dabei spielen Rabatte durchaus eine Rolle, gerade in Zeiten der Teuerung. Manche betreiben das schon immer als Sport, weiß Gittenberger. Aber in Zeiten von hoher Inflation achtet man mehr auf den Preis. Sein Department führt regelmäßige Erhebungen durch, rund zwei Drittel geben an, Vergünstigungen im Auge zu behalten: „In dem Punkt stoßen Loyalitätsprogramme an ihre Grenzen. Hier bekomme ich Punkte, dort etwas günstiger.” Lukner registriert das auch, er geht davon aus, dass Menschen aktuell um rund zwölf Prozent mehr Coupons wollen.

Das sieht man bei Unito anders. Die Hälfte der Kunden löst gar keinen Rabatt ein. Die Experten gehen auch davon aus, dass eine gewisse Gruppe gar keine Rabatte will. Man müsse eben schon genau wissen, was die Zielgruppen brauchen.

Verbindung

Letztlich brauche es beides. Ausgehend von einem ansprechenden Geschäftsmodell, das Kunden anziehe, gehe es für Gutschi um „mehr Pull, weniger Push. Dann macht es hochgradig Sinn, Werbung und Loyalty zu betreiben.” Die Neukunden zu Stammkunden zu machen, das sei eine Kunst und das „magische Kochrezept”, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Bei Bestandskunden, bei denen man top-of-the-mind sei, könne man eben gutes Geld verdienen. Kommunikation, Punkte und Rabatte müssen spezifisch eingesetzt werden, es sei kein „Entweder-oder”, sondern ein „Sowohl-als-auch”.

Dem stimmt auch Lukner zu. „Es geht um die Verzahnung. Dazu braucht es die Analyse und den richtigen Kanal. Der Köder muss dem Fisch schon auch schmecken.” Auch wenn es Papier ist, hält er nochmals fest. Wiederum die Zukunft im Blick hat abschließend Kasapis: „Auch Gamification ist ein grundlegender Bestandteil. Es geht uns da letztlich ums Jagen und Sammeln.” Gittenberger resümiert: „Aufgrund der langfristigen Beziehungsausrichtung kann Loyalty mit Werbung unterstützt werden.”

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