„Loyalität muss dem Kunden etwas bringen”
© medianet/Katharina Schiffl
Dieter Scharitzer
MARKETING & MEDIA Redaktion 10.05.2024

„Loyalität muss dem Kunden etwas bringen”

Dieter Scharitzer von der WU Executive Academy über die Veränderungen des Marktes und der Konsumenten.

••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer/Dinko Fejzuli

Alles fließt”, sagte bereits Heraklit rund 500 vor Christus und begründete damit eine eigene philosophische Lehre. Knapp 3.000 Jahre später hat der Satz nichts an Bedeutung eingebüßt und umschreibt unter anderem die stetigen Veränderungen und damit einhergehenden Paradigmenwechsel in allen gesellschaftlichen, also auch wirtschaftlichen, Bereichen – wie im Marketing. Im Gespräch mit medianet geht Dieter Scharitzer, Lehrgangsleiter Universitätslehrgang Marketing & Sales an der WU Executive Academy, der Frage auf den Grund, wie sich Marketing in den vergangenen 30, 40 Jahren verändert hat und wo die Herausforderungen des heutigen Marktes liegen.

Für Scharitzer waren es vor allem die Krisen der vergangenen Jahre, wie die Coronapandemie oder die starke Inflation, die zu einer Veränderung des Konsumentenverhaltens geführt haben.
Die Frage nach der Qualität sei offensichtlich in den Hintergrund gerückt, vielmehr stelle sich nun vermehrt die Frage nach den Kosten – sowohl aufseiten der Kunden als auch aufseiten der Unternehmen. Und auch der Loyalitätsbegriff und die Kundenbindung haben sich verändert. „Loyalität muss mir heute etwas bringen, sonst kann ich als Konsument nach zwei Wochen ja Anbieter wechseln und mir einen besseren Tarif suchen”, sagt der Academic Director des Universitätslehrgangs an der Wirtschaftsuniversität.
„Und die Generierung von Kundenbindung ist heute für Unternehmen sehr teuer geworden – das heißt, auch hier stellt sich die Frage: Ist es ein Investment mit Wirksamkeit und Nachhaltigkeit? Oder sind es nur Kosten? Und ist das überhaupt für meine Beziehung, für meine Kundenbeziehung relevant?”

Eine Frage der Loyalität

Die Assoziationen aufseiten des Konsumenten mit Kundenbindung seien ebenso relevant: „Wenn die Leute ohnehin nicht mehr an Loyalität interessiert sind, wenn ich sie auch nicht mehr binden kann, wenn ich vielleicht auch über die Bindung eher suggeriere, dass ich sie an etwas Anderem, Besserem, Günstigerem hindere, dann mag das nicht dazu führen, dass die Menschen mein Produkt kaufen.”

Und es kommen sich unterschiedliche betriebswirtschaftliche Zugänge in die Quere: „Effizienzgewinn und Selbstbedienung spießen sich mit Verkaufserfolg und Beziehung.” Denn Bedienung und Kundenbeziehungen sind teuer und müssen sich erst einmal bezahlt machen.

Bedürfnis nach Sicherheit

Gleichzeitig herrschen Zeiten der Unsicherheit, und das hat Auswirkungen: „Wir haben verschiedenste Studien, die uns bestätigen, dass die Menschen sich nach Sicherheit und Stabilität sehnen – nach Arbeitsplatz-sicherheit, nach Versorgungssicherheit. Wir haben also eine Renassaicance des Sicherheitsdenkens.”

Das könnte also durchaus auch als Möglichkeit für Marketing und Verkauf gewertet werden. „Da geht es auch um Transparenz und Berechenbarkeit, die sich der Konsument erwartet. Er wird keine Kundenbindung eingehen, wenn er das Gefühl hat, er wird übervorteilt.”
Und Sicherheit hat durchaus unterschiedliche Ausprägungen, „sei es die Gewissheit, dass jeder seinen Tarif beim Mobilfunk ändern kann, wann er einen besseren Tarif findet”. Das alles sind vertrauensfördernde Maßnahmen, die letztlich auf die Kundenbindung einzahlen würden.
Die Krisen der vergangenen Jahre haben laut Scharitzer auch dazu geführt, dass Konsumentin und Konsument kritischer geworden sind und vieles, was bisher hingenommen wurde, hinterfragt. „Gerade bei der Preispolitik sagen sie sich dann zu Recht: Nicht jeder Markenartikel ist gut oder besser.”

Neues Bewusstsein

Und vor allem: Der Markt biete möglicherweise kostengünstigere Alternativen. „Das sind Entwicklungen, die gewissermaßen durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erzwungen wurden, dass hier jetzt ein neues Bewusstsein besteht, weil am Ende ist es ja mein Geld, das dann weniger wird.”

„What’s in it for me”

Ein großes Thema sei der Anspruch der Nachhaltigkeit, der zunehmend auch vonseiten der Konsumenten erhoben werde. „Gerade die nachkommenden Generationen haben in dem Zusammenhang auch eine große Sensibilität dem Thema Greenwashing gegenüber, das ist wirklich ein No-Go”, betont Scharitzer. „Aber grundsätzlich muss man in Bezug auf Nachhaltigkeit sagen: die funktioniert dann gut, wenn Konsumentin und Konsument in irgendeiner Form davon profitieren. Sie werden immer als Erstes sagen: What’s in it for me.” Denn Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck und vor allem dann erfolgreich, wenn sie für den Konsumenten einen Mehrwert bringt und sei es nur die Tatsache, dass sie sich mit den Vorstellungen und idealen des Kunden deckt.

Win-win für alle

„Und da, denke ich, liegt auch die Zukunft von Nachhaltigkeit”, so Scharitzer. „Wenn es eine mehrfache Win-win-Situation ist, dann betreiben es auch mehrere Seiten. Das muss auch deutlicher werden: Dass durch Nachhaltigkeit nicht nur dem Konsumenten geholfen ist, sondern auch das Unternehmen und die Produzenten langfristig ökologisch davon profitieren.”

Überhaupt sollte man in der Nachhaltigkeitsdebatte so kommunizieren, dass sich alle auch etwas unter den Begriffen vorstellen können. „Denn wenn die ÖBB mir sagen, dass ich gerade so und so viel Kilos CO2 eingespart habe, dann kann ich damit nicht viel anfangen und es nicht in Relation setzen, weil es zu abstrakt ist.”
Summa summarum bietet das Thema Nachhaltigkeit für Scharitzer vor allem Potenziale: „Es wird ökonomisch interessant, weil sich neue Geschäftsmodelle, neue Perspektiven daraus ergeben. Weil Trends natürlich auch kommerziell anders genutzt werden können.” Aber nicht als Verbotsmodelle, wie der Ökonom meint, sondern als Incentivierung: „Weil die Menschen es einfach wollen.”
Zwangsläufig verändert hat sich Marketing unter anderem auch durch die vielen verschiedenen Kommunikationskanäle, die dem Konsumenten heute zur Verfügung stehen. „Mittlerweile ist es keine One-to-many-Kommunikation mehr, sondern eigentlich ein Dialog, und das ist eine große Herausforderung für Marketeers”, meint der Experte.

Wer bestimmt die Botschaft?

„Denn die Frage, die sich stellt, ist, ob es nicht heutzutage sogar der Konsument ist, der die Botschaft mittlerweile bestimmt und nicht, so wie früher, das Unternehmen.” Aufgrund der Sozialen Medien ist eine völlig andere Art der Beziehungsgestaltung entstanden, als das noch vor 30 Jahren der Fall war, in der Zeit des Direktmarketings.

„Damals habe ich als Marketeer etwas an den Kunden verschickt mit der Aufforderung, zu kaufen. Heutzutage, in der Generation Facebook, funktioniert das nicht mehr so; heute muss ich tatsächlich an einer Beziehung arbeiten, mit vielen Kontakten, bis es irgendwann zu einer Reaktion kommt. Dann bekommt man ein Like, das ist aber auch noch kein Kauf. Der Weg zum Call-to-Action ist viel länger.” Diese Welt ist also viel sensibler geworden.
Veränderungen im Markt und Konsumentenverhalten haben natürlich auch immer Einfluss auf die Ausbildungsinhalte im Bereich Marketing.
„Da stellt sich für uns als WU die Frage: Sind wir eher Generalist und wie gestalten wir da die Inhalte?”, so Scharitzer. „Denn die Leute, die zu uns kommen, haben natürlich das Thema, dass sie sich einmal im Themenbereich Marketing verorten müssen – das ist ja sehr breit aufgestellt und oftmals nicht so ein­deutig.”
Das reicht vom Social Media-Management bis zum Logistik-Experten. Zudem gibt es in Österreich natürlich auch ein sehr großes Angebot.
„Wir haben heute 170 bis 200 Ausbildungsangebote in Österreich, wo Marketing, Kommunikation und Vertrieb draufsteht”, erklärt der Academic Director des Universitätslehrgangs Marketing & Sales. „Und das reicht halt von mehrjährigen akademischen Ausbildung bis zum Schnellsiedekurs.”

Berufsbegleitender Bachelor

Hier hat die Executive Academy jetzt den Vorteil, einen berufsbegleitenden Bachelor anzubieten, was auch von den von Studenten nachgefragt wird.

„Damit haben sie einen offiziell anerkannten Abschluss, eine praxisbezogene Ausbildung mit akademischem Abschluss”, so Scharitzer. „Und das Neue ist, dass erstmals ein berufsbegleitender Bachelor an der Wirtschaftsuniversität Wien angeboten wird, mit geblockten Modulen – das gab es vorher noch nicht. Und wir haben gemerkt, die Leute wollen hier auch ein Upgrade haben.”

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