••• Von Martin Rümmele und Chris Radda
Die Medizinproduktebranche steht vor vielfältigen Herausforderungen, sagen Gerald Gschlössl, Präsident des Branchenverbands Austromed (Bild rechts), und dessen Geschäftsführer Philipp Lindinger. medianet hat mit ihnen über aktuelle Themen gesprochen.
medianet: Blicken wir auf zweieinhalb Jahre Pandemie zurück: Was hat sich verändert?
Gerald Gschlössl: Ganz generell haben Körperschaften, Unternehmen und Beschäftigte viel schneller agiert als sonst. Das hat viele Dinge angestoßen – und dieser Zugang sollte im Gesundheitssystem auch beibehalten werden. Im Konkreten gibt es natürlich Unternehmen, die profitiert haben, und solche, die es nicht getan haben. Die größte Herausforderung ist, dass das Gesundheitswesen auf verschiedenen Seiten unter Druck geraten ist.
medianet: Inwiefern?
Gschlössl: Zum einen ist die Lage durch die entstandenen Mehrkosten finanziell angespannt. Zudem gibt es Personalmangel, was sich etwa in Stationssperren zeigt und verschobenen Operationen. Die Ursache sind auch Versäumnisse in der Vergangenheit, weil wir zu wenige Menschen ausgebildet haben. Das wirkt sich für jene Unternehmen aus, die etwa Produkte für Operationen liefern. Einige Unternehmen, die Pandemieprodukte geliefert haben, sind wiederum gut über die Runden gekommen. Dazu kommen äußere Rahmenbedingungen: Alle sind gefordert, ihre Produkte rechtzeitig auf den Markt zu bringen, und hier spielen etwa Lieferprobleme in asiatischen Produktionsstätten eine Rolle. Zudem treffen die hohen Energiepreise und hohe Lohnabschlüsse die Branche zusätzlich. Es ist eine Herausforderung, das im Markt unterzubringen.
Philipp Lindinger: Diese Probleme werden allgemein erkannt. Es kommt in unserem breiten Segment aber darauf an, wo man hinschaut. Im niedergelassenen Bereich ist es für die Versorgung mit Heilbehelfen und Hilfsmitteln, die viele Menschen treffen, gelungen, eine Anpassung an die Inflationsrate zu schaffen. Im Spital sieht es anders aus und hier sind alle gefordert, Lösungen zu finden – vor allem Bund und Länder. Die Herausforderungen liegen aber nicht nur im Preis, sondern überhaupt bei der Frage, alle Produkte am Markt anbieten zu können. Da muss einiges auf EU-Ebene und nationaler Ebene gemacht werden.
medianet: Was ist das Problem?
Gschlössl: Das neue Medizinproduktegesetz ist da, aber es gibt zu wenige sogenannte benannte Stellen. Das bremst Unternehmen, ihre Produkte verkehrsfähig zu machen und verkaufen zu dürfen. Das ist europaweit eine Hürde, die wir gemeinsam nehmen müssen. Wir plädieren für eine zeitliche Verschiebung der Gültigkeit, um gleichzeitig Strukturen aufbauen zu können. Der Ball liegt bei der EU-Kommission.
Lindinger: Dazu braucht es auch notwendige legislative Maßnahmen. Denn nur das Erkennen der Probleme reicht nicht. Es braucht etwa ein Fast-Track-Verfahren für bestehende Produkte, die schon lange am Markt sind. Wenn diese Flexibilität nicht möglich ist, sehen wir die Gefahr, dass etwa 30 Prozent dieser Bestandsprodukte vom Markt verschwinden.
medianet: Ein anderes Thema ist der angespannte Arbeitsmarkt. Wie trifft Sie das?
Gschlössl: Die Ressourcen in Operationssälen wurden wieder hochgefahren, der Behandlungsstau hat sich aber noch nicht aufgelöst, weil eben Personal fehlt. Der Arbeitsmarkt ist für alle Unternehmen unter Druck – das gilt für alle Branchen, aber gerade auch für den Gesundheitsbereich. Ich sehe hier gesellschaftlich einen Umbruch – Wohlstand definiert sich nicht mehr über das Einkommen. Private Betriebe tun sich mit Angeboten leichter, wie ein Krankenanstaltenverbund mit starrem Dienstschema.
Lindinger: Wir sehen hier die Notwendigkeit, in die Prozesse genauer hineinzusehen. Hier können unsere Unternehmen Partner sein. Nehmen wir etwa die Digitalisierung, wo es Anwendungen und Konzepte von unseren Unternehmen gibt. Da ist es wichtig, dass Kunden nicht nur ein Produkt ausschreiben, sondern auch den gesamten Prozess im Fokus haben. Hier geht es um die Frage, wie man mit den geeigneten Medizinprodukte Abläufe optimieren kann.
medianet: Wie ist Ihr Ausblick?
Gschlössl: Die Energiepreise werden jetzt erst eingepreist. Dazu kommt die Dollar-Euro-Parität. Viele Rohstoffe – Holz, Papier, Kunststoffe, oder Gas, das man für die Sterilisation braucht – werden 2023 ein hohes Niveau halten. Da müssen wir zehn bis elf Prozent einpreisen. Das bedeutet auch, dass öffentliche Budgets unter Druck kommen.