Die APA – Austria Presse Agentur hat 2024 erstmals die Umsatzmarke von 80 Mio. € überschritten. Im Interview spricht APA-Geschäftsführer Clemens Pig über die Treiber dieses Wachstums, die wirtschaftliche Lage der Medien im Jahr 2025, den Druck durch internationale Plattformen sowie über Regulierung, Jugendschutz und die wachsende Bedeutung von Kooperationen im österreichischen Medienmarkt.
medianet: Herr Pig, wir stehen am Ende des Jahres 2025 und bevor wir einen Ausblick auf das neue Jahr werfen, ein kurzer Rückblick auf den Sommer. Da hat die APA ihre Bilanz für 2024 vorgelegt und mit 80,3 Millionen Euro erstmals die 80-Millionen-Grenze durchbrochen. Wie ist das gelungen?
Clemens Pig: Das Jahr 2024 war ein sehr gutes Jahr für uns und es fühlt so an, als wäre es schon lange her. Aber zur Frage, wie uns das gelungen ist: Die APA hat als Kerngeschäft die Nachrichtenagentur, dazu kommen eine zweite und eine dritte Säule.
Die zweite Säule sind Kommunikationsdienstleistungen für Öffentlichkeitsarbeit und PR, Medienbeobachtung, Pressespiegel und OTS-Aussendungen, die dritte Säule sind unsere Technologielösungen. Im betreffenden Geschäftsjahr ist es uns gelungen, im Kerngeschäft ein leichtes und in der zweiten und dritten Erlössäule ein starkes Wachstum zu erzielen – vor allem durch unser Auslandsgeschäft. Es ist schön zu sehen, dass sich unsere Internationalisierungsstrategie ausgezahlt hat, vor allem in den restlichen deutschsprachigen Raum hinein, wo wir unsere IT- und Digitallösungen an andere Medien- und Kommunikationsunternehmen verkaufen konnten und können. Das war letztlich der Grund, warum wir 2024 ein sehr starkes Umsatzwachstum vorlegen konnten.
medianet: Aus dem kleinen Österreich heraus ist die APA zur größten unabhängigen nationalen Nachrichtenagentur Europas geworden. Wie erklären Sie sich das?
Pig: Der österreichische Medienmarkt ist für die APA immer schon ein sehr kleiner Markt gewesen. Damit waren wir sehr frühzeitig gefordert, in neue Geschäftsfelder zu gehen. Das führt dazu, dass wir heute die umsatz- und personalstärkste der unabhängigen, national tätigen Agenturen in Europa sind und innerhalb der europäischen Agenturlandschaft insgesamt unter den Top Five liegen. Das ist erfreulich, aber vor allem ein Beleg dafür, wie wichtig es ist, dass wir uns aus eigener Kraft selbst finanzieren müssen, um unsere Unabhängigkeit zu bewahren.
medianet: Auch wenn die APA selbst zulegen konnte; die Medienbranche insgesamt befindet sich in einer fundamentalen Disruption. Wie läuft Ihr Geschäft im Jahr 2025 mit Blick auf diese Entwicklung und was prognostizieren Sie für 2026?
Pig: Wir haben heuer eine Seitwärtsbewegung und werden letztlich 2025 ein leichtes Wachstum verzeichnen. Für 2026 erwarten wir ein Nullwachstum. In einigen Kundenbereichen gibt es Abgänge, gleichzeitig aber neue Umsätze durch neue Produkte und Services. So gelingt es zumindest, den Umsatzbestand insgesamt zu halten.
medianet: Die Kosten steigen trotzdem …
Pig: … Nullwachstum bei gleichzeitigem Kostenauftrieb bedeutet: Wenn man in der ergebnispositiven Zone bleiben will, muss man besonders intensives Kostenmanagement betreiben. Das tun wir seit Jahren, auch in den guten Zeiten – da eher in einer Art Salamitaktik, aber wir haben immer auf unsere Kosten geschaut. Gleichzeitig müssen wir den Raum für gezielte Innovationen und Investitionen freimachen. Da muss man genauer hinschauen: Auf welche Pferde setzt man, welche Strategien geht man? Die Zeit, in der man mit Trial and Error einfach Fehler machen konnte, ist vorbei. Es ist eine ausnehmend herausfordernde, schwierige und mittlerweile kritische, existenzbedrohende Situation für den gesamten Medienmarkt und damit auch für den Standort Österreich. Und das ist ein wesentlicher Punkt, denn Medien haben immer mit Demokratie zu tun und damit auch mit Stabilität für Wirtschaftsunternehmen, und hier steuern wir auf eine Kippung zu.
medianet: Sie sprechen es gerade an: Es gibt kaum noch einen Monat ohne Krisengipfel im Bundeskanzleramt, bei dem es um die Lage der Medien geht. Ein Hauptgrund ist, dass immer mehr Werbegeld in internationale Plattformen fließt und immer weniger in Österreich verbleibt. Welche Folgen hat das – auch mit Blick auf Themen wie Plattformökonomien, aber auch Desinformation und Fake-News, die am Ende unsere Demokratie destabilisieren?
Pig: Auch wenn die APA mittlerweile weit mehr als die Hälfte des Umsatzes mit neuen Geschäftsfeldern erzielt, ist und bleibt sie im Kerngeschäft eine Nachrichtenagentur. Und natürlich wirkt die Lage der Eigentümer immer auch auf das eigene Unternehmen. Vor genau 20 Jahren, im Jahr 2005, kam Facebook auf die Welt, wenige Wochen später der erste Twitter-Tweet.
Da begann eine Entwicklung für die Medien, bei der vor allem die Werbegelder ins Plattform-Internet gegangen sind. Im letzten Jahr haben erstmals mehr Werbegelder aus Österreich das Land verlassen und sind auf US- und chinesische Plattformen gewandert, als national investiert wurden.
medianet: Aber auch der von den Medien produzierte Content ist quasi ein Spielball im freien Spiel der digitalen Kräfte geworden.
Pig: Absolut richtig. Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns nicht nach einem beträchtlichen Teil der Werbegelder auch die Inhalte der Medien über die Plattformen abhandenkommen. Das sind zwei zentrale Gründe, warum die Medienlandschaft so massiv unter Druck steht. Es ist „high time“, diese Themen nicht nur nach Brüssel zu spielen und hier auf eine Entscheidung zu warten. Denn die Art und Weise, wie Plattformen Inhalte absaugen, monetarisieren und gleichzeitig keinen Haftungen und nicht der gleichen Besteuerung unterliegen, ist in Wahrheit verrückt.
medianet: Was bräuchte es darüber hinaus?
Pig: Hier sehe ich das Thema Kooperation als einen zentralen Punkt. Wir müssen viel mehr gemeinsam auftreten, mit gemeinsamer Sprache, und der Bevölkerung klarmachen, warum unabhängige Medien wichtig sind. Wir haben als Medien den Auftrag, deutlich zu machen und es auch zu kommunizieren, was digitalen Informationsschrott, den es leider häufig und in Übermaß gibt, von qualitätsjournalistischen Angeboten unterscheidet. Das ist eine Herkulesaufgabe, aber sie ist zu tun, weil es dazu keine Alternative gibt, wenn wir überleben wollen.
medianet: Sie sprechen auch sehr deutlich den fehlenden Jugendschutz an. Was stört Sie hier besonders?
Pig: Wie kann es sein, dass wir unsere Kinder so völlig ohne Jugendschutz auf diese Plattformen loslassen? Das ist nicht hinnehmbar. Wenn ich im ORF einen Tatort schauen will, dann unterliegt das zu Recht dem Jugendschutz und diverse Inhalte sind von 20:00 bis 6:00 Uhr nur für Erwachsene zugänglich. Aber ich kann am gleichen Laptop, wenn ich den Tatort nicht sehen kann, untertags ganz andere Inhalte konsumieren. Am Ende des Tages bräuchte es nicht nur den starken Aufschrei der Medien, der ohnehin da ist, sondern auch einen starken Aufschrei der Zivilgesellschaft, damit hier endlich eingegriffen wird. Das ist eine Entwicklung, die am Ende unsere Demokratie kaputt macht. Das können, dürfen und werden wir nicht zulassen.
medianet: Beim technischen Fortschritt gibt es etwa in der Industrie oder Infrastruktur strenge Kontrollen, bei digitalen Plattformen hingegen kaum. Braucht es hier ähnliche Regeln wie im analogen Leben?
Pig: Ich denke, die Regeln, die wir im analogen Leben zu Recht haben, sollten auch im digitalen Raum gelten. Das ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, das ist eine völlige Verdrehung in der Argumentation, wenn man das behauptet. Wir wollen Meinungsfreiheit, das muss und soll immer möglich sein, das ist überhaupt keine Frage. Aber so wie ich in Medien auch nicht alles einfach hineinschreiben oder hineinschreien kann, was unwahr ist, sollte das auch für Plattformen gelten.
Wir haben da einen kritischen Punkt erreicht – auch aus wirtschaftlichen Gründen, damit es Medien in Zukunft überhaupt noch geben kann, und aus gesellschaftlichen Gründen. Niemand will in einer Gesellschaft leben, in der wir am Ende am Gängelband von Propaganda internationaler Plattformen hängen. Wir wollen freie, unabhängige Medien.
medianet: Und wir wollen einen vielfältigen Medienmarkt haben.
Pig: Ja, und in Österreich haben wir ja eine gute Tradition eines pluralistischen Medienmarkts. Das ist wahnsinnig wichtig. Es gibt neben der klassischen Nachricht in Zeitungen, Magazinen und Radios auch Raum für Meinungsteile. Das ist gelebte Pluralität. Die Menschen sollen das in ihrer Vielfalt konsumieren, lesen und dann ihre Entscheidungen treffen. Aber wir müssen endlich diese Algorithmen durchbrechen und sie am Ende des Tages auch loswerden.
medianet: Die Zahlen zeigen aber eine andere Entwicklung. Wir haben etwa in Österreich weiterhin eine Werbeabgabe von fünf Prozent auf klassische Anzeigen, während Onlinewerbung außer auf den ganz großen Plattformen de facto nicht besteuert wird.
Pig: Diese Strukturen haben sich leider vor vielen Jahren mit der Etablierung des Internets festgefahren. Inzwischen ist die Frage, wie man mit Plattformen umgeht, Teil der globalen Diskussion geworden. Wenn wir uns an den Auftritt von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz erinnern, wo die Unterstützung der USA für Europa auch daran gekoppelt wurde, deren Plattformen nicht zu regulieren, weil sie im Dienstleistungssektor das zentrale Exportgut Amerikas sind, dann sieht man: Plattformen sind in ihrer schieren Größe und Meinungsmacht ein totales Politikum.
medianet: Apropos Exportgut. Auch beim Thema Steuer herrscht ein Ungleichgewicht, weil sich Google und Co. durch Steuerschlupflöcher in Europa ihre Gewinne quasi auf Null kleinrechnen können.
Pig: Zum Thema Besteuerung: Es gibt in Österreich eine Abgabe auf Plattformen, und daher wissen wir überhaupt erst, wieviel Werbung wohin abwandert. Das ist in Gesamteuropa nicht so. Hier würden Gelder liegen, die man an heimische Medien rückführen könnte – als ein Baustein. Die Medienförderung steht ohnehin vor einer Neuordnung.
medianet: Ein Grund, warum so viel Werbegeld zu den Plattformen abfließt, ist auch der Umstand, dass sie bequem buchbar sind. Programmatische Plattformen für heimische Medien oder überhaupt die Möglichkeit, heimische Medien gemeinsam zu vermarkten – auch etwa über Sendergruppen hinweg – wurden hingegen nie konsequent umgesetzt. So gibt es jetzt erst etwa die Kooperation zwischen dem ORF und der RTL Gruppe. War das ein großes Versäumnis?
Pig: Ich teile die Meinung, dass es neben vielen anderen guten Gründen, Werbung in einem vertrauenswürdigen Umfeld zu schalten und die Wertschöpfung in Österreich zu halten – das ist ein riesiges Asset für die Werbewirtschaft –, tatsächlich auch schlichtweg um den Convenience-Faktor geht. Dass man in wenigen Minuten über die großen Plattformen ganze Kampagnen schalten kann, ist immer schon ihre große Stärke gewesen. Ich sehe es auch so: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir durch Kooperation dieses Thema in Angriff nehmen müssen.
medianet: Ein Grund, warum so viel Werbegeld zu den Plattformen abfließt, ist auch der Umstand, dass sie bequem buchbar sind. Programmatische Plattformen für heimische Medien oder überhaupt die Möglichkeit, heimische Medien gemeinsam zu vermarkten – auch etwa über Sendergruppen hinweg – wurden hingegen nie konsequent umgesetzt. So gibt es jetzt erst etwa die Kooperation zwischen dem ORF und der RTL Gruppe. War das ein großes Versäumnis?
Pig: Ich teile die Meinung, dass es neben vielen anderen guten Gründen, Werbung in einem vertrauenswürdigen Umfeld zu schalten und die Wertschöpfung in Österreich zu halten – das ist ein riesiges Asset für die Werbewirtschaft –, tatsächlich auch schlichtweg um den Convenience-Faktor geht. Dass man in wenigen Minuten über die großen Plattformen ganze Kampagnen schalten kann, ist immer schon ihre große Stärke gewesen. Ich sehe es auch so: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir durch Kooperation dieses Thema in Angriff nehmen müssen.
medianet: Wie könnte das aussehen?
Pig: Es gibt schon gute Beispiele, denn alle haben erkannt, dass Kooperation das neue Rollenmodell ist. Alle erkennen, dass es alleine nicht mehr geht – ob bei KI, diversen Infrastrukturlösungen oder eben dem Thema Werbung und Werbeallianzen. Dafür braucht es Gefäße, also Gemeinschaftsunternehmen. Das könnte auch die APA sein, weil wir das gelernte Gemeinschaftsunternehmen für den österreichischen Medienmarkt sind. Ich finde, das ist eine sehr moderne Rechtsform, gerade in der Digitalwirtschaft. Die Technologie und Programmierung gehen oft zügig von der Hand, und man kann Dinge sehr „one click“ und convenient machen. Die größere Herausforderung ist die gemeinsame Willensbildung. Das ist der schwierige Teil bei Kooperationsprojekten. Ich nehme sehr wohl wahr, dass in diesem österreichischen Medienmarkt der Wunsch und die Notwendigkeit bei fast allen Marktteilnehmern gegeben sind. Es ist die Stunde, vielleicht sogar die Sternstunde der Kooperation.
medianet: Ein Grund, warum so viel Werbegeld zu den Plattformen abfließt, ist auch der Umstand, dass sie bequem buchbar sind. Programmatische Plattformen für heimische Medien oder überhaupt die Möglichkeit, heimische Medien gemeinsam zu vermarkten – auch etwa über Sendergruppen hinweg – wurden hingegen nie konsequent umgesetzt. So gibt es jetzt erst etwa die Kooperation zwischen dem ORF und der RTL Gruppe. War das ein großes Versäumnis?
Pig: Ich teile die Meinung, dass es neben vielen anderen guten Gründen, Werbung in einem vertrauenswürdigen Umfeld zu schalten und die Wertschöpfung in Österreich zu halten – das ist ein riesiges Asset für die Werbewirtschaft –, tatsächlich auch schlichtweg um den Convenience-Faktor geht. Dass man in wenigen Minuten über die großen Plattformen ganze Kampagnen schalten kann, ist immer schon ihre große Stärke gewesen. Ich sehe es auch so: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir durch Kooperation dieses Thema in Angriff nehmen müssen.
medianet: Wie könnte das aussehen?
Pig: Es gibt schon gute Beispiele, denn alle haben erkannt, dass Kooperation das neue Rollenmodell ist. Alle erkennen, dass es alleine nicht mehr geht – ob bei KI, diversen Infrastrukturlösungen oder eben dem Thema Werbung und Werbeallianzen. Dafür braucht es Gefäße, also Gemeinschaftsunternehmen. Das könnte auch die APA sein, weil wir das gelernte Gemeinschaftsunternehmen für den österreichischen Medienmarkt sind. Ich finde, das ist eine sehr moderne Rechtsform, gerade in der Digitalwirtschaft. Die Technologie und Programmierung gehen oft zügig von der Hand, und man kann Dinge sehr „one click“ und convenient machen. Die größere Herausforderung ist die gemeinsame Willensbildung. Das ist der schwierige Teil bei Kooperationsprojekten. Ich nehme sehr wohl wahr, dass in diesem österreichischen Medienmarkt der Wunsch und die Notwendigkeit bei fast allen Marktteilnehmern gegeben sind. Es ist die Stunde, vielleicht sogar die Sternstunde der Kooperation.
Langfassung des Interviews unter www.medianet.at/tv/
