„Die Stenografen der Regierung?”
© ROG Österreich
Im Talk Florian Klenk, Michael Nikbakhsh, Rubina Möhring, Krisztina Rozgonyi und Anthony Rozgonyi.
MARKETING & MEDIA Martina Berger 14.12.2018

„Die Stenografen der Regierung?”

Reporter ohne Grenzen Österreich lud zur Diskussion über Propaganda, Pressefreiheit und Zivilgesellschaft.

••• Von Martina Berger

WIEN. Vor knapp einem Jahr, am 18.12.2017, wurde die heutige ÖVP/FPÖ-Regierung in Österreich angelobt. Seitdem haben viele Menschen das Unbehagen, wie das politisches und soziales System unserer Gesellschaft verändert wird.

Zeichen der Einschränkung

So auch beim Recht auf Presse- und Informationsfreiheit. Wie war das letzte Jahr für die Pressefreiheit, in welche Richtung geht es weiter und wie geht es den betroffenen Journalisten damit? Das nahm Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG) am internationalen Tag der Menschenrechtserklärung zum Anlass und lud zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion in die APA ein.

Laut Rangliste der Pressefreiheit liege Österreich noch auf Platz 11 im gestern veröffentlichen Menschenrechtsbefund 2018, sagte Gastgeberin Rubina Möhring. Und: „Es mehren sich aber rapide die Anzeichen, dass in Österreich Medien- und Informationsfreiheit eingeschränkt wird.”
Das liege vor allem an der Übermacht von Social Media und dort agierenden Parteipropaganda-Medien, die Information nicht als ihre Hauptaufgabe sehen würden, erklärte Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Journalisten müssten sich dem stellen und Strategien finden, wie man mit der Flut an Falschmeldungen aus dem Netz umgehen könne. Auch fehle es der Presselandschaft hierzulande oft an Distanz. Er sieht die Verantwortung bei den Medien selbst: „Wir sind Stenografen und Mikrofonständer der Regierung geworden.”

Zahl der Journalisten sinkt

Michael Nikbakhsh, Wirtschaftsressortleiter beim profil, problematisierte die schrumpfende Zahl an Journalisten: „Allein im BKA sitzt drei Mal meine Firma. Und die bespielen sehr professionell die Medienklaviatur.” Klassische Medien sind damit für die Politik weniger wichtig als früher.

Krisztina Rozgonyi, Medien­expertin und bis 2010 Leiterin der ungarischen Telekommunikationsbehörde, sieht in Österreich durchaus Parallelen zur Situation in Ungarn: „Der größte Gegner der Pressefreiheit ist die Normalisierung, das Weiterleben, das Akzeptieren der Ausnahme.” Ungarn liege mit Platz 73 auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit weit hinter Österreich, und die Situation sei eine andere, doch Rozgonyi warnt, sie hätten die Entwicklung seinerzeit absolut unterschätzt.

Augen nicht verschließen

Rubina Möhring zog eine warnende Bilanz und appellierte: „Verschließen Sie nicht die Augen!” Nicht nur die Journalisten, sondern die Gesellschaft müssten eine starke Zivilgesellschaft bilden, um eine Gegenkraft zu entwickeln.

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