Pflicht mit Potenzial: Barrierefrei im Netz
© Karin Lohberger Photography
Sabine Lacher und Andreas Malzner
MARKETING & MEDIA Redaktion 29.08.2025

Pflicht mit Potenzial: Barrierefrei im Netz

Sabine Lacher und Andreas Malzner (LDD) über die Chancen, die sich durch das BaFG ergeben.

Mangelnde digitale Barrierefreiheit kennen wohl mehr Menschen, als man glaubt. Wer hat nicht schon einmal vergeblich versucht, ohne Brille das Dropdown-Menü zu finden und dort den richtigen Link für den Ticketkauf in den Öffis zu finden? Keine allzu leichte Aufgabe, vor allem für 17% der Bevölkerung, die mit einer Behinderung leben. Dafür gibt es Abhilfe.

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz schreibt seit Ende Juni vor, dass alle im Netz befindlichen Angebote ohne Hilfe und ohne Barrieren nutzbar sein müssen. Das E-Government-Gesetz sieht zudem für alle Websites der Verwaltung die Einhaltung der „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) vor – ein international anerkannter Standard.
Wer Informationen, Waren und Dienstleistungen im Web anbietet und sich bislang nicht damit auseinandergesetzt hat, könnte eine weitere Regulierung sehen. Aber neben den gesetzlichen Pflichten sollte man vor allem die wirtschaftlichen Chancen dieser Vorschrift im Auge haben. Davon gibt es sehr viele.

Ohne Nachteile
Für alle, die sich bisher nicht mit digitaler Barrierefreiheit befasst haben, muss sich für LDD Communication-COO Andreas Malzner über grundsätzliche Inklusion hinaus vor allem eine Frage stellen: „Wer würde ein Fünftel bis ein Sechstel der Österreicher bzw. seiner eigenen Zielgruppe freiwillig ausschließen?“

Da gehe es weniger um die laut Gesetz vorgesehenen bis zu 80.000 € Strafe. Sondern auch darum, dass „ein barrierefreier Zugang schlichtweg niemanden ausschließt. Man verliert durch diese Vorschrift nichts. Und Benutzerzufriedenheit spricht sich herum.“ Unternehmen profitieren doppelt: Sie vermeiden rechtliche Risiken und gewinnen gleichzeitig neue Kundengruppen, die oft besonders loyal sind. Um bei dem Beispiel mit der Brille zu bleiben: Man erzählt Bekannten doch gerne, wenn man den Sehbehelf nicht gefunden hat, aber dennoch Tickets kaufen konnte. Das hilft nicht nur bei Empfehlungen, sondern auch bei der Suche.

Nebenbei SEO-optimiert
Eine einfache Bedienung (ohne Maus) sowie Anpassungsoptionen für Kontraste und Darstellungen sind wichtig, aber auch eine einfache Sprache und eine übersichtliche Navigationsstruktur. Für Barrierefreiheit ist es wichtig, Textalternativen für Bilder und Videos bereitzustellen. „In diesem Punkt wird oft übersehen, dass dies zu einem besseren Ranking in Suchmaschinen führt“, meint Malzner. Das geht alles klarerweise nicht ohne Arbeit bzw. Geld, weiß LDD-CEO Sabine Lacher. Aber keine Angst: „Wenn mehr Menschen meine Website barrierefrei nutzen können und sie dank SEO von mehr Menschen gefunden wird, dann muss sich der Traffic massiv steigern.“

Zahlen aus der Praxis zeigen, dass barrierefreie Seiten durch korrekt gepflegte Alternativtexte und klare Strukturierung ihre organische Sichtbarkeit stark steigern. Eine Studie von AccessibilityChecker untersuchte 847 Websites. Der organische Traffic bei besserer Bedienung ist im Durchschnitt um 12%, bei jeder zweiten Website gar um 50% gestiegen. Aus Business-Sicht erhöhen sich so die Chancen auf mehr relevante Besucher, höhere Verweildauer und oft auch eine gesteigerte Abschlussquote bei Online-Formularen oder Bestellungen. Diese Erfahrung machte LDD bereits bei Kunden. Eine Reihe an Vorteilen – und bei der Implementierung hat die Digitalagentur schon einen großen Erfahrungsschatz. Bei der konkreten Umsetzung braucht es kundenseitig aber auch Offenheit und Bewusstsein, dass sich die Investition lohnt.

Der Ablauf
„Wir raten ganz klar von Baukästen, Plug-ins und Co. ab. Sowas wird ja nicht umsonst ‚quick and dirty‘ genannt“, stellt sie klar. Hierbei kann es vor allem zu Problemen kommen, wenn durch die Anwendung von Fremdsoftware diverse Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllt werden können. „Wir benutzen offizielle Analysetools und dann wissen wir, was zu tun ist.“ Für Unternehmen bedeutet das: Erst wird eine fundierte Analyse durchgeführt, anschließend ein Maßnahmenplan erstellt – je nach Ausgangslage kann die Umsetzung zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten dauern. Ein großes Thema ist oftmals das Design. Nicht jedes Corporate Design ist mit Barrierefreiheit auch vereinbar.

Wunsch und Wirklichkeit
„Manchmal ist es ein Spagat, das Look & Feel der Marke zu erhalten. Da begibt man sich unter Umständen auf sehr dünnes Eis, weil es verständlich ist, dass der Kunde seine Marke genauso erhalten will.“ LDD weiß aber schon, wie man mit Zusatzfarben oder Erweiterungen arbeiten kann, damit das Design bzw. die Corporate Identity erhalten bleibt. Gerade bei B2C-Kunden ist es wichtig, dass Markenkonsistenz und Barrierefreiheit nicht als Widerspruch empfunden werden – sondern als Qualitätsmerkmal. Ist diese Hürde genommen, geht es in der Programmierung um eine passgenaue Lösung. Das ist, wenn man es so will, dann Handarbeit.

Sie meint abschließend: „Du brauchst Profis, sowohl im Design als auch beim Programmieren.“ Hat man diese gefunden, gibt es eine lange Liste an Vorteilen. Neben rechtlicher Sicherheit und höherer Sichtbarkeit zählen dazu stärkere Kundenbindung, eine inklusivere Markenwahrnehmung und langfristig geringere Anpassungskosten bei zukünftigen Webprojekten.

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