Der Berater-Boom und seine Folgen
© Simon Cassetti
Wilfried ReiterReiter hat mehrere Bestseller veröffentlicht, mit denen er den Grundstein für die Führungsprinzipien von „Total-Ownership” in Organisationen und Unternehmen legte.
CAREER NETWORK Redaktion 09.12.2022

Der Berater-Boom und seine Folgen

In den Überlegungen von Wilfried Reiter steht das eigenständige Handeln und Denken im Vordergrund.

••• Von Alexander Haide

BAD VÖSLAU. Aufhören, anderen zu folgen oder es ihnen recht zu machen – und stattdessen eigenständig und verantwortungsvoll handeln: Das Denkmodell des „Total Ownership” von Wilfried Reiter hinterfragt den Berater-Boom der vergangenen Jahrzehnte. Wieder selbst Verantwortung zu übernehmen, aus Fehlern zu lernen und auf Augenhöhe zu kommunizieren gehören zu den Tipps am Weg zum Erfolg, die er seinen Klienten mitgibt.

medianet:
Haben wir zu viele Berater in den Management-Etagen. Sollten wieder Fehler selbst gemacht werden, um daraus zu lernen und Verantwortung zu übernehmen?
Wilfried Reiter: Mit der Frage haben Sie eine Zusammenfassung meiner Botschaft als Berater bereits vorweggenommen. Es ging in den 1980er-Jahren los und reichte bis in die 2010er und das war ein wirksames Konzept. Man konnte dem Berater viele Antworten entlocken. Ob das aber funktioniert hat, ist fraglich. Selbst denken und handeln in komplexen Situationen ist entscheidend.

medianet:
Dient der Berater nicht oft nur als Sündenbock, wenn etwas schief geht?
Reiter: Die großen Beratungsfirmen werden gerne geholt, denn man traut ihnen zu, eine gottgleiche Weisheit zu besitzen. Die sind zwar schlau, wissen viel und kennen den Markt und bei gewissen Fragestellungen ist es gut, mit solchen Beratungsfirmen zu arbeiten. Wenn es nur eine Alibi-Handlung ist, dann gibt man die Verantwortung aus der Hand. Mit Total Ownership möchten wir die Verantwortung wieder dorthin zurückgeben, wo auch gehandelt wird.

medianet:
Fehlt es am Mut, selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen?
Reiter: Die Eigenverantwortung ist für uns der zentrale Punkt. Dafür haben wir ein Werkzeug entwickelt, mit dem die Verantwortung nicht weggeschoben wird, da sie durch Erkenntnisprozesse wieder dorthin zurückkommt, wo sie gefordert ist.

Wir fragen danach, was die Menschen wirklich beschäftigt, wo es Unklarheiten oder Klarheit gibt, was sie sich wünschen und tun wollen. Am Ende steht immer eine handlungsorientierte Frage: Wie setze ich meine Ideen konkret in eine Handlung um und übernehme die Verantwortung für das Ergebnis?


medianet:
Wie sieht der Führungsstil der Zukunft aus? Ist die Rückkehr der großen Egomanen und autoritären Manager zu erwarten oder wird alles so lange mit allen Mitarbeitern ausdiskutiert, bis das große ‚Kumbaya' ausbricht?
Reiter: Es wird weiterhin beides geben, nur die Verhältnismäßigkeit wird sich ändern. Führungsgestalten wie die Musks und Bezos’ wird es weiterhin geben.

Das Prinzip der gemeinsamen, kooperativen und kollaborativen Führungsprozesse wird aber deutlich zunehmen und Verantwortungen werden deutlich nach unten verlagert. Klassisches Leadership wird an Bedeutung verlieren, weil es nicht mehr funktioniert.


medianet:
Sie haben die Methode der sogenannten ‚­Duralogie' entwickelt. Worum geht es ­dabei?
Reiter: Duraloge sind eine völlig neue Kategorie von Führungsprozessen und entspringen unserer Beratung von Führungskräften seit 1990. Duraloge sind das zentrale Werkzeug von Total Ownership. Sie ermöglichen es, dass alle Beteiligten für ihre Themen vollständig die Verantwortung übernehmen. So entsteht Augenhöhe. Rückdelegation und Schuldzuweisungen bleiben auf diese Weise aus.

Führen über Erkenntnisprozesse ist aus unserer Sicht der Führungsstil der Zukunft.


Wilfried Reiter betreibt gemeinsam mit Claudia Freund die Beratungsfirma „Freund & Reiter”.

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