„Kein leichter Start für eine neue Regierung”
© Tanja Hofer
CAREER NETWORK Redaktion 09.05.2025

„Kein leichter Start für eine neue Regierung”

AMS-Vorständin Petra Draxl macht wenig Hoffnung auf eine rasche Erholung am heimischen Arbeitsmarkt.

••• Von Alexander Haide

Seit 1. Juli 2023 ist Petra Draxl Vorständin des AMS Österreich. Bis 2030 bestellt, ist sie die erste Frau in dieser Managementfunktion im AMS. Zur Vielzahl an Problemen am heimischen Arbeitsmarkt, dem Fachkräftemangel und dem Handelskrieg der USA gegen den Rest der Welt bat medianet die AMS-Vorständin zum großen Experten-Interview.


medianet:
Wie stellt sich für Sie derzeit der Arbeitsmarkt angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen dar?
Petra Draxl: Die jüngsten Prognosen der Wirtschaftsforscher haben einmal mehr die Erwartungen für einen raschen Aufschwung der Wirtschaft gedämpft. Trotzdem erweist sich der Arbeitsmarkt noch als relativ stabil. Tatsächlich stieg die Arbeitslosigkeit, inklusive Schulungen, mit einem Plus von 7,4 Prozent im März 2025 nicht so stark, wie es die wirtschaftlich angespannte Situation erwarten ließe. Auch erreichte die Zahl der Beschäftigten, die erst für den Februar endgültig vorliegt, mit 3.932.627 ein neues Februar-Allzeithoch.

medianet:
Woran mangelt es bei Langzeitarbeitslosen? Qualifikation, Motivation?
Draxl: Es gibt viele Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit, das können gesundheitliche genauso sein wie konjunkturelle, Strukturwandel, technologischer Wandel, oder Pflege- und Betreuungspflichten. Um diese Personen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, braucht es auch ein Umdenken in den Köpfen der HR-Verantwortlichen.

Laut einer Sora-Studie im Auftrag des AMS werden Menschen über 50 und Langzeitarbeitslose seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Jüngere und solche, die erst seit kurzem arbeitslos sind. Um den Personalmangel zu lindern, ist man gut beraten, auch eigene Re­krutierungsprozesse zu reflektieren.


medianet:
Einerseits mangelt es an Fachkräften, anderseits sind viele junge Menschen beschäftigungslos. Wie kann ein Lösungsansatz aussehen?
Draxl: Tatsächlich stieg die Arbeitslosigkeit inklusive Schulungsteilnehmern unter Jugendlichen im März 2025 um 8,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In einer Rezession ist es leider tatsächlich so, dass besonders junge Personen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Sie verlieren rascher ihre Anstellung als erfahrenere Mitarbeiter. Wir können hier mit Schulungen und Ausbildungen weiterhelfen. Ein Schwerpunkt dabei ist die überbetriebliche Lehre. In diesem Rahmen haben wie etwa im Jahr 2024 beinahe 23.000 Personen betreut.

medianet:
Für Jugendliche gibt es rund 100 Anlaufstellen, viele davon sind sogar Branchenkennern unbekannt. Wäre hier nicht eine zentrale Stelle zur Berufsberatung nach der Schulpflicht sinnvoller?
Draxl: Das AMS stimmt sich mit seinen Partnern eng ab, um eine möglichst engmaschige Betreuung der Jugendlichen zu gewährleisten. Die zentrale Stelle des AMS zur Berufsberatung sind unsere BerufsInfoZentren, die es 73 Mal in Österreich gibt. Jugendliche können diese kostenlose Berufs- und Bildungsberatung auf Wunsch auch mehrmals nutzen, bis der perfekte Lehrberuf gefunden ist. Berufsorientierungstests helfen, um erste Berufsideen zu entwickeln.

Speziell für Jugendliche von 13 bis 15 Jahren entwickelt wurde der ‚Biz-Bot', ein Berufsorientierungstest, der spielerisch hilft, die eigenen Interessen und Stärken zu erkennen, und mögliche Berufe vorschlägt. Für Besucher ab zwölf Jahren gibt es den AMS-Interessentest, der innerhalb von 15 Minuten zeigt, welche Berufsbereiche am besten zu den eigenen Interessen passen. Hier fanden im vergangenen Jahr mehr als 40.000 Beratungen statt.


medianet: Das Budgetdefizit macht Österreich zu schaffen. Wie sehr wirkt sich das auf das AMS aus, was Weiterbildung und Qualifikationen betrifft?
Draxl: Es ist kein leichter Start für eine neue Bundesregierung. Seit rund 2,5 Jahren befindet sich Österreich in einer Rezession und das zeigt sich auch am Arbeitsmarkt deutlich. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, das AMS mit deutlich mehr Budget zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auszustatten. Das ist ein wichtiger erster Schritt.

medianet:
Jeder 25. erwartet, dass sein Job durch den Einsatz von KI wegfallen wird, Experten sprechen von einer weit höheren Zahl. Wie können Betroffene in Arbeit gehalten werden?
Draxl: Es ist zwar richtig, dass durch neue Technologien immer wieder Berufe und auch zahlreiche Jobs verloren gingen, aber ein Blick in die Geschichte zeigt, dass im Endeffekt durch Innovationen auch immer viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstanden sind. Oft waren dies höherwertige, attraktivere und auch besser bezahlte Jobs.

Also ich würde empfehlen, sich nicht vor der Veränderung zu fürchten, sondern die Chancen zu nutzen, die sich bieten.


medianet:
Welche Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt erwarten Sie durch den Handelskrieg der USA und die weltweiten Folgen?
Draxl: Aus allem, was wir bisher sehen, kann ich nur Verlierer erkennen. Und das auf allen Seiten. Ich kann nicht erkennen, dass Protektionismus irgendjemanden zum Vorteil gereichen wird.

medianet: In vielen Bereichen herrscht Mangel an qualifizierten Fachkräften, von Pflege bis IT. Wie lässt sich die Situation kurz- bzw. mittelfristig durch Weiterbildungsmaßnahmen lösen?
Draxl: Von Fachkräftemangel sprechen wir, wenn auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Arbeitssuchende kommen. Die Mangelberufsliste des Sozialministeriums weist österreichweit 81 Berufe als Mangelberufe aus. Hinzu kommen 48 Mangelberufe in einzelnen Bundesländern.

Wir erleben aktuell das Paradoxon, dass trotz steigender Arbeitslosigkeit auch Fachkräfte fehlen. Demografie und Arbeitszeitverkürzung tragen zum Fachkräftemangel bei, weil weniger Junge nachkommen und gleichzeitig immer mehr Menschen Teilzeit arbeiten.
Gegenmaßnahmen sind, das Arbeitskräftepotenzial heben, die Beschäftigungsquote bei Frauen verbessern und geflüchtete Personen rasch und nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren.


medianet:
Wird sich die Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten nicht existenz­bedrohend auf manche Arbeitssuchende auswirken? Bzw. setzt es nicht Betriebe unter Druck, die auf solche Arbeitskräfte angewiesen sind, wie etwa der Reinigungsbereich, Catering, Gastronomie oder Transportwirtschaft?
Draxl: Studien zeigen, dass ein Zuverdienst zu Beginn der Arbeitslosigkeit oft kontraproduktiv ist, da er die Bereitschaft zur raschen Arbeitsaufnahme verringern kann. In späteren Phasen der Arbeitslosigkeit kann ein geringfügiger Zuverdienst hingegen sinnvoll sein, weil er hilft, wieder in eine geregelte Tagesstruktur und Arbeitswelt zurückzufinden. Gerade angesichts des bestehenden Fachkräftemangels ist es entscheidend, arbeitslose Personen möglichst rasch und nachhaltig in reguläre Beschäftigung zu integrieren.

Die Erfahrung zeigt auch, dass sich mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Betrieben durch ein vollver­sichertes ersetzt werden können.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL