••• Von Sabine Bretschneider
WIEN. Die heimischen Sinus-Milieus wurden eben wieder aktualisiert. Prägende Trends sind zurzeit die Verunsicherung, die Suche nach Halt und der Versuch der Abgrenzung. „Österreich ist eine besorgte Gesellschaft”, so das Fazit der Integral-Geschäftsführer Bertram Barth und Martin Mayr. In der Folge entstünden vielfältige Rückzugs- und Abgrenzungsbedürfnisse.
Die daraus resultierenden „Leitsätze”, die die gesellschaftspolitische Diskussion bestimmen, zeichnen ein eher düsteres Bild: „Wir Österreicher gegen die Ausländer und das Ausland”, „Wir Tüchtigen gegen die ‚Minderleister'” und „Am wohlsten fühlt man sich in der eigenen Region”. „Ich finde, Ausländer, die sich nicht anpassen, sollten sofort ausgewiesen werden” – diesem Satz stimmten im Jahr 2015 noch 75% der Befragten zu, 2018 sind es 84%. „Österreich ist ein reiches Land, weil wir fleißiger und tüchtiger sind als andere” – dieses Statement fand vor drei Jahren bei 63% Anklang, 2018 sind es 70%.
Interessant ist der Vergleich mit dem Nachbarn Deutschland. Nach „Halt im Leben” suchen 62% der Österreicher (2014: 57%), jedoch nur 45% der Deutschen (2014: 48%).
Pauschales Misstrauen
Ausgeprägt ist das Misstrauen den Medien gegenüber – Motto: „Man kann nichts mehr glauben, was in den Medien berichtet wird” (70% stimmen „sehr” bzw. „eher” zu). „Wobei”, betont Mayr, „dieses Misstrauen ein pauschales ist. Fragt man die einzelnen Mediengattungen ab, so zeigt sich ein viel differenzierteres Bild.” Dann haben die Befragten immerhin zu 61% Vertrauen in die Printmedien, zu 71% in das Medium Radio, zu 72% ins Fernsehen und zu 43% in „das Internet”. Soziale Netzwerke rangieren im Vergleich zu den klassischen Medien mit 29% weit hinten.
Sinnsuche durch Konsum
Ein weiterer bestimmender Faktor ist die Ablenkung durch Konsum: „Ich kaufe mir oft Dinge, ohne lange darüber nachzudenken, ob ich mir das überhaupt leisten kann” – dieser Aussage stimmen 29% der Befragten zu (2015: 24%); „ich leiste mir oft die beste Qualität” bejahen 78% (2015: 72%). „Konsum dient zur Ablenkung, zum Selbstzweck und zur Sinnsuche”, so Barth. Er schaffe eine Art von „Sicherheitszone”. Was sich im Vergleich zu früheren Befragungen geändert hat, ist das zunehmende Problembewusstsein bezüglich einer nachhaltigen Produktion.
Auffällig ist: Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist geschwächt. In der österreichischen Gesellschaft zeichnen sich deutliche Bruchlinien ab. Die alten Eliten, die ihre Führungsverantwortung noch auf der Basis christlich-sozialer Werte definiert haben, scheiden inzwischen aus dem Berufsleben aus. Die aktuellen, früher großteils globalisierungsoptimistischen Eliten sind verunsichert.
Pessimismus und Trotz
Auch die an sich systembejahende Bürgerliche Mitte ist pessimistisch bezüglich der eigenen Zukunftsaussichten und jenen ihrer Kinder. Sie fühlt sich von der Politik, den Medien und den gesellschaftlichen Eliten missachtet. Wichtige Teile der Bürgerlichen Mitte sind zu Systemkritikern geworden und wählen rechtspopulistisch.
Die Milieus der unteren Mittel- bzw. der Unterschicht fühlen sich zunehmend abgehängt. Sie zeigen Tendenzen, sich von den Werten und Zielen des Mainstreams zurückzuziehen und der Gesellschaft den Rücken zu kehren.
Neue digitale Eliten
Als Milieus, die unsere Zukunft prägen werden, gelten laut Erkenntnissen der Marktforscher von Integral zwei Gruppen: Die erste sind die sogenannten Adaptiv-Pragmatischen (12% der Bevölkerung”): Sie sind die „neue Mitte”, navigieren flexibel und pragmatisch in der Welt, suchen aber primär sichere Rückzugsräume im engsten Kreis; ihr Ziel ist die Grenzziehung gegenüber einer unsicheren Welt.
Die zweite Gruppe (9% der Bevölkerung) sind die Digitalen Individualisten: Sie sind die „neue Elite”, experimentierfreudig und weltoffen. Sie scheuen feste Bindungen und suchen lose – internationale – Netzwerke, leben eine Entgrenzung und Öffnung.