„Heimischer Handel hat massiven Aufholbedarf”
© Advicum Consulting
Andreas Kornberger
RETAIL Redaktion 12.04.2024

„Heimischer Handel hat massiven Aufholbedarf”

Retailexperte Andreas Kornberger sieht durch Temu, Shein und Co. neuartige Herausforderungen auf Österreichs Händler zukommen.

WIEN. Der europaweite Siegeszug der asiatischen E-Commerce-Player Temu und Shein hat für eine Welle an Kritik an deren Geschäftspraktiken gesorgt – und längst Interessenvertretungen des Handels sowie Konsumentenschützer wie den VKI auf den Plan gerufen.

Ob und inwiefern den beiden neuen Giganten nun mit Maßnahmen auf EU- oder Landesebene beizukommen ist, wird sich weisen – sie haben jedenfalls neue Wege gefunden, Shopping mit Entertainment zu verknüpfen, und damit wiederum neue konsumentenseitige Erwartungen an Österreichs Händler geweckt. Für zweitere gelte nun das Motto „disrupt or go broke”, ist Andreas Kornberger, Associate Partner bei Advicum Consulting, überzeugt.

Der „phygitale” Kunde

„Durch vollständig digitale Lieferketten und schnelle, kostengünstige Produktionen schreiben Modeunternehmen wie Shein und Temu Jahresumsätze zwischen 25 und 27 Mrd. Euro bei gleichzeitig sehr hoher Umsatzrentabilität. Digital-Ansätze sprechen Kunden auf allen Kanälen und Touchpoints an, integrieren und bilden Communitys und bieten eine bequeme Alternative zum traditionellen Handel”, erläutert Kornberger.

Insbesondere die Nachfrage nach nahtlosen Omni-Channel-Erlebnissen und KI-gestützten, aktiven Kundenengagements würden das Consumer-Verhalten zunehmend prägen – „und verdeutlichen den massiven Aufholbedarf zu den rasch wachsenden, innovativen E-Commerce-Modellen aus China”.
Um den „phygitalen” (physisch und digital shoppenden) Kunden der heutigen Zeit abzuholen und langfristig mit den modernen Marktanforderungen Schritt zu halten, sei es notwendig, sich strategisch etwas von der asiatischen Konkurrenz abzuschauen, ist Kornberger überzeugt. Konsumenten würden „durch die Vielzahl an Optionen und Vergleichsmöglichkeiten bereits vor der Kaufentscheidung über präzise Produktvorstellungen” verfügen; angesichts der „Komplexität von Online-Plattformen, digitalem Marketing und Logistik” brauche es daher einen innovativen strategischen Ansatz, bei dem zuvörderst die Stabilisierung des Geschäftsprozesses inkl. Sicherstellung der Liquidität, Steigerung der Produktivität, Flächenoptimierung und Anpassung des Sortiments im Mittelpunkt steht.

„Schneller Startschuss”

In einem zweiten Schritt gehe es dann um die „Vorbereitung zur Erneuerung”. Neben der Implementierung und dem Einsatz von KI und Big Data sei eine „klare Definition von Buyer Personas” für das „präzise Verständnis der Customer Journey und maximalen Kundenfokus” essenziell. Entschlossen müsse schließlich im dritten Schritt die Erneuerung angegangen werden, und zwar mit einem „schnellen Startschuss für die Transformation der Unternehmenskultur, angepasst an die neue Branchenentwicklungen”, welche auch personelle Entscheidungen wie die Ernennung eines „Chief Disruption Officers” oder „Future Managers” beinhalten solle.

Während sich Onlineshopping in Europa oft noch über den Laptop abspiele, gehe der Trend klar in Richtung Handy: „Der ‚phygitale' Kunde muss dort abgeholt werden, wo er sich aufhält – auf den Mobilgeräten und in sozialen Medien. Im Sinne einer Omnichannel-Strategie werden dort Anreize geschaffen, um das stationäre Einkaufs­erlebnis im Geschäft wieder zu attraktivieren”, so Kronberger. (red)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL