Dominik Roth ist Headhunter und jüngster Partner der global führenden Personalberatung Mercuri Urval, die sich auf Executive Search und Management-Diagnostik spezialisiert hat. Nebenbei bietet er Karriere- und Bewerbungscoachings basierend auf seiner Erfahrung aus über 400 Executive Searches, also Führungskräfte-Vermittlungen, für Manager an und betreibt den Karriere-Podcast „CEO Career Code“. Im medianet-Interview verrät der Experte, wie sich Führungskräfte auf eine Bewerbung vorbereiten sollten, worauf zu achten ist und wie Arbeitgeber den Auswahlprozess gestalten.
medianet: Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit dem Thema Bewerbungsschreiben zu beschäftigen?
Dominik Roth: Die Motivation entstand nicht durch einen aktuellen Trend, sondern da ich nach mehr als 300 Executive-Searches festgestellt habe, dass es Dinge gibt, die Führungskräfte immer wieder falsch machen. Das könnte man sehr leicht beheben, damit sie sich bei Bewerbungen auch selbst gerecht werden.
medianet: Was sind die größten Fehler bei Bewerbungen?
Roth: Es beginnt dabei, dass sich Kandidaten nicht richtig positionieren. Es ist der größte Fehler von Führungskräften am Arbeitsmarkt, dass man denkt, man kann alles. Ist man selbst in der Entscheiderrolle in einem Unternehmen, sucht man immer Experten auf dem Executive Level, sonst gäbe es uns als Headhunter nicht und man würde bei einer Executive Search immer Generalisten empfehlen. Allerdings sind Spezialisten auf Management-Level gefragt. Das unterschätzen Bewerber und positionieren sich nicht richtig. Sie schießen viel zu viele Bewerbungen raus, wie mit einer Schrotflinte.
Der zweite Fehler ist, dass man sich in Unterlagen unter dem eigenen Wert oder gar nicht verkauft. Ein Unternehmen hat durch eine Vakanz immer auch ein Problem zu lösen. In einem Bewerbungsschreiben ist deshalb darzustellen, dass man dieses Problem bereits gelöst hat, man braucht einen sogenannten Track-Record. Ist er nicht vorhanden, stehen die Chancen sehr schlecht. Und ist ein Track-Record vorhanden, wird er oft nicht richtig in Unterlagen herausgearbeitet.
Der dritte Fehler kann sich auf eine Interviewsituation beziehen, obwohl Führungskräfte meist versuchen sehr authentisch zu sein, es werden sehr wenig Lügen verbreitet.
medianet: Macht es Sinn, alle Erfolge in der bisherigen Karriere aufzuzählen, oder muss selektiert werden?
Roth: Es sollten jene Erfolge aufgeführt sein, die für jene Challenge oder Situation relevant sind, in der sich das Unternehmen befindet und die einen strategisch relevanten Charakter haben. Das gehört zum Thema Deckungsgleichheit.
medianet: Das impliziert, dass vor einer Bewerbung eine Recherche nötig ist, um herauszufinden, welche Skills ein Unternehmen braucht und welche Probleme es hat?
Roth: Ja. Ich schreibe lieber zwanzig gezielte Bewerbungen als 200 wie mit einer Schrotflinte verschossen. Diesem Credo bei der Jobsuche sollte man folgen, denn diese Unternehmen sehen mich als Experten für deren Themen. Diese Unternehmen sind in der Branche angesiedelt, in der ich über Erfahrungen verfüge, sie haben Challenges wie einen Turnaround. Das sind eventuell Private Equity-Unternehmen.
Also muss ich mich zuerst positionieren und nur ausgewählte Unternehmen anschreiben, wofür ich genügend Zeit aufwenden muss. Wir sprechen aber in diesem Kontext ausschließlich über Führungspositionen.
medianet: Was darf im Lebenslauf verheimlicht werden?
Roth: Das Alter muss nicht angegeben werden. Altersdiskriminierung ist für viele Senior Manager ein Thema. Allerdings gibt es auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile eine größere Offenheit für Über-50-jährige. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall. Diesen Trend begrüße ich sehr.
Man darf in Bewerbungsunterlagen als Frau etwa auch auslassen, dass man schwanger ist, oder demnächst eine Schwangerschaft plant.
medianet: Gibt es Aspekte, die in Bewerbungsunterlagen oft schöngefärbt werden? Wird gelogen?
Roth: Es gehört mittlerweile zum guten Ton, dass man Erfolge eines Unternehmens dem CEO oder CFO zuschreibt. Aber jeder weiß, dass es nicht die alleinige Verantwortung eines Menschen ist, sondern er setzt strategische Impulse. Man spricht nicht mehr vom Team, man muss sich selbst verkaufen, denn es soll eine Führungskraft und kein Team eingestellt werden. Das ist aber keine Lüge, sondern heute Usus.
medianet: Bei Job-Interviews sitzen oft Profiler mit am Tisch …
Roth: Im Jargon eines Unternehmens ist ein Profiler im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs ein Diagnostiker. Er ist nicht darauf aus, Lügen zu entlarven, sondern die eigentliche Persönlichkeit in Bezug auf das Verhalten in Erfahrung zu bringen. Es gilt, mehr über die Hintergründe von Handlungen zu erfahren.
medianet: Wie weit soll man sich beim Bewerbungsgespräch optisch verstellen, etwa, was Kleidung betrifft? Ist der Anzug obligat?
Roth: Man sollte auf Konventionen achten, darauf, was Usus ist. Ein Journalist wird sich für eine Bewerbung bei einem großen Verlag nicht unbedingt eine Krawatte anziehen müssen. Bewirbt man sich im Bankenkontext, sieht das natürlich anders aus. Für Unternehmer ist es nicht der schlimmste Fehler, jemand einzustellen, der etwas vorgegaukelt hat. Der schlimmste Fehler ist, jemand nicht einzustellen, der die Aufgabe bewältigen, aber sich selbst nicht verkaufen
kann. Das ist der Beta-Fehler bei der Auswahl.
medianet: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Unwahrheiten bei einer Bewerbung später auffliegen?
Roth: Das ist innerhalb der ersten sechs Monate sehr wahrscheinlich.
medianet: Wie weit ist es sinnvoll, bei einem Bewerbungsschreiben KI einzusetzen?
Roth: KI wird derzeit überbewertet, was Themen wie den Lebenslauf angeht. Alles, was mit KI erledigt wird, geht in eine standardisierte Richtung. Ich plädiere dafür, dass man sich im Bewerbungskontext individualisiert. Wobei KI helfen kann ist, innerhalb des Kosmos der Individualisierung zu recherchieren und Details über das Unternehmen herauszufinden.
medianet: Welche Führungskräfte werden derzeit von Ihnen besonders gesucht?
Roth: Die meisten zu besetzenden Positionen sind CFOs und Head of Finance, da es in der Industrie eher zögerlich zugeht und wir wenig in Richtung Businessdevelopment und -wachstum beauftragt werden. Es ist auch nicht schwierig, geeignete Personen zu finden, denn es sind viele auf dem Markt. Die Schwierigkeit ist auch nicht, diese Menschen zu finden, sondern sie dazu zu motivieren, den Job zu wechseln – und die richtigen Persönlichkeiten mittels Management-Diagnostik auszuwählen.
