Nachhaltigkeit ist nicht mehr Kür, sondern Pflicht
© Florian Lechner, Völs 2021
DESTINATION Redaktion 03.05.2024

Nachhaltigkeit ist nicht mehr Kür, sondern Pflicht

Der Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung, Walter Veit, über Zustand und Zukunft der Branche.

••• Von Alexander Haide

Im April ging in Graz der Kongress der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) über die Bühne. 600 Teilnehmer aus Hotellerie und Tourismus diskutierten unter dem Motto „Zukunft. Gestalten.” über aktuelle Branchenthemen. Im Nachgang zeichnet der Präsident des ÖHV, Walter Veit, ein durchwachsenes Bild des aktuellen Zustands dieser Sektoren und deren Zukunft.

 

medianet: Wie geht es der heimischen Hotellerie?
Walter Veit: Gut, dennoch gibt es Herausforderungen. Nachfrageseitig sind wir wieder auf Vorkrisenniveau, allerdings hat sich die Kostenlage dramatisch geändert. So gut wie alles ist teurer.

Dazu kommt: Während das in anderen Branchen eins zu eins weitergegeben wird, können wir das nicht. Die schon knappen Gewinne werden damit noch schmäler.

 

medianet: Existieren am heimischen Markt bei der Nachfrage bestimmte Trends?
Veit: Den einen Trend gibt es nicht. Aber die Unternehmen haben es geschafft, Nischen herauszuarbeiten. Wir haben ein grundlegend starkes Produkt, ‚Urlaub in Österreich', mit all seinen Vorteilen wie einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis und der sehr hohen Dienstleistungsqualität. Gleichzeitig werden unterschiedliche Interessen gut bedient – von Aktiv- und Kultur- über Genuss- bis hin zu Bade- und Wellnessurlaub.

medianet:
Spürt die Branche inzwischen eine verstärkte Nachfrage nach ökologischen bzw. nachhaltigen Hotels?
Veit: Vor allem jüngeren Gästen ist Nachhaltigkeit wichtig. Die ÖHV unterstützt die Branche seit Jahren dabei, grüner zu werden. 2019 haben wir unsere Nachhaltigkeitsinitiative ‚Zeichen setzen' gestartet, 2023 die europaweit erste ‚Green Tourism Conference' in Wien für die EU organisiert und gehostet.

Lief Nachhaltigkeit früher eher unter Kür, ist sie mittlerweile Pflicht. Nicht nur, weil Betriebe damit Geld sparen und die Umwelt schonen, sondern auch, weil mit den ESG-Kriterien ein großer Brocken in Sachen Finanzierung auf uns zukommt. Erfüllt man bestimmte Parameter nicht, bekommt man von Banken schlichtweg kein Geld mehr.


medianet:
Bereiten sich Hotels auf die ‚nachhaltige Anreise' – also abseits des eigenen Pkw – vor? Mit Angeboten wie Abholservices, Leihfahrzeuge, etc.?
Veit: Ja, das und ähnliche Services bieten viele Betriebe längst an. Wir selbst holen Gäste mit dem Bus vom Flughafen in Salzburg ab. Die Überwindung der ‚letzten Meile' ist ganz zentral bei einer CO2-schonenden Anreise.

Mindestens genauso wichtig sind der Ausbau der Schiene und modernere Züge. Da haben wir noch Luft nach oben. Die Schweiz ist da die Benchmark in Europa. Da müssen wir hin.


medianet:
Die Nächtigungszahlen sind in einigen Bundesländern auf Rekordniveau. Wird das zu halten sein, oder rechnen Sie mit einer Stabilisierung auf ‚normalem' Niveau?
Veit: Ich bin ein Vertreter des Ansatzes ‚Klasse statt Masse'. Am Ende des Tages können wir uns mit Nächtigungsrekorden nichts kaufen, wenn die Wertschöpfung nicht stimmt.

Wir haben viel in Qualität investiert, den Weg müssen wir fortsetzen. Dafür braucht es die passenden Rahmenbedingungen, Stichwort Abschreibung. Die aktuellen Regelungen spiegeln nicht die Praxis wider.


medianet:
Sehen Sie, auch aufgrund der Inflation und Teuerung, ein verändertes Urlaubsverhalten, etwa kürzere Aufenthalte oder Sparsamkeit bei der Konsumation?
Veit: Ja, das merkt man deutlich. Zwar fahren die Leute weiterhin auf Urlaub, den lässt sich niemand nehmen. Allerdings sparen Gäste bei Zusatzausgaben. Da fällt die zweite Flasche Wein am Abend weg, werden Kosmetik- und Wellnessbehandlungen weniger.

medianet:
Hat der Fachkräftemangel bereits konkrete Auswirkungen auf den Hotelbetrieb, wie Schließungstage oder verminderte Angebote?
Veit: Ja, die gibt es. Aufgrund fehlender Mitarbeiter müssen Betriebe die Dienstleistung herunterfahren und können nicht ihr volles Potenzial heben. Das kostet natürlich – nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch den Standort.

Genau dazu haben wir am ÖHV-Kongress in Graz eine aktuelle Studie von EcoAustria präsentiert. Dem Wirtschaftsstandort entgehen aufgrund nicht besetzter Stellen allein dieses Jahr rund 1,2 Milliarden Euro. Am Arbeitsmarkt braucht es dringend neue Impulse und eine Öffnung in Richtung qualifizierter Zuwanderung und weg vom alten Kontingent-Denken.


medianet:
Welche Rezepte hat der ÖHV gegen den Fachkräftemangel und wie sollen junge Menschen für Jobs im Tourismus begeistert werden?
Veit: Wir setzen seit Jahren selbst Initiativen, aktuell gerade ‚Young Talents', eine Jobbörse. Wir bringen Jugendliche mit den besten Ausbildungsbetrieben zusammen und zeigen, wie großartig die Branche ist.

Unterm Strich muss man an vielen Rädchen drehen. Das fängt beim härteren Vorgehen gegen schwarze Schafe an, geht über einen massiven Ausbau der Kinderbetreuungsplätze bis hin zur steuerlichen Attraktivierung von Zuverdiensten für Pensionisten oder Studenten.


medianet:
Wie sehr beeinträchtigt der Klimawandel das Buchungsverhalten?
Veit: Der Trend zur kurzfristigen Buchung setzt sich fort, je unberechenbarer das Wetter wird. Für die Planbarkeit ist das alles andere als ideal.

medianet:
Wie sehr bereiten die immer unkalkulierbaren Schneeverhältnisse in Hinblick auf die kommende Wintersaison Ihnen Kopfzerbrechen?
Veit: Für Kollegen in tiefer gelegenen Skigebieten wird es schwieriger. Viele bauen sich seit Jahren zusätzliche Standbeine auf und fokussieren zusätzlich auf Kulinarik, Kultur und mehr. Das hilft – und man wird auch weiter darauf setzen und die Abhängigkeit vom Wetter reduzieren.

medianet:
Müssen sich heimische Hotels gravierend verändern, um in Zukunft reüssieren zu können?
Veit: Nein, das denke ich nicht, solange die Betriebe weiter auf Qualität und Innovation setzen. Wir haben ein großartiges Angebot, das gilt es nur entsprechend weiterzuentwickeln.

Das bedeutet, dass Hotels zukünftig digitaler und noch nachhaltiger werden. Genau bei diesem Weg unterstützt sie die Hoteliervereinigung.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL