Stationäre Reisebüros punkten in Streik-Zeiten
© APA/Robert Jäger
DESTINATION Redaktion 05.04.2024

Stationäre Reisebüros punkten in Streik-Zeiten

„Da hat man gerne jemanden, den man anrufen kann”, so Gregor Kadanka vom Reisebüro-Fachverband.

••• Von Alexander Haide

Kaum eine Branche wurde durch die Pandemie kräftiger gebeutelt als die Reisebüros. Hinzu kamen steigende Preise, die Personalverknappung und nun die Streiks bei Fluglinien und Bahn. Gregor Kadanka, selbst Inhaber von Mondial Reisen und Obmann des Fachverbandes der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich, skizziert im großen medianet-Interview dennoch ein relativ freundliches Bild.


medianet:
Wie geht es den Reisebüros? Sind die Folgen der Pandemie überwunden?
Gregor Kadanka: Es gibt beinahe noch so viele Unternehmen wie vor der Pandemie, die Rückgänge bei den Gewerbeberechtigungen liegen ‚nur' im einstelligen Prozentbereich. Sie sind vor allem durch die Zusammenlegung von Standorten großer Reisebüroketten zu erklären. Diese Entwicklung haben wir bereits vor der Pandemie gesehen. Größere Einheiten sind einfacher zu managen, und es kann den Kunden mehr gebündeltes Know-how geboten werden.

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab es nach der Pandemie ein großes Loch, da rund 25 Prozent die Branche verlassen haben.
Zudem konnte man während der Pandemie keine Lehrlinge ausbilden, doch das ist der wichtigste Weg in die Branche. Hier fehlen uns zwei Jahrgänge. Auch wenn es langsam wieder bergauf geht, sind wir noch deutlich unter dem Niveau von 2019.
Was den Geschäftsverlauf betrifft, war 2023 das erste halbwegs vernünftige Jahr nach Corona – auch wenn die Buchungen später kamen als vor der Pandemie. Dies zog sich quer durch alle touristischen Branchen, von Airlines, über Hotels bis zu Restaurants. Das führte zu einer Angebotsknappheit und gab den Preisen einen zusätzlichen Auftrieb.


medianet:
Wie ist die Buchungssituation für den heurigen Sommer?
Kadanka: Bei Kunden, die bereits Ende Jänner ihren Sommerurlaub gebucht hatten, konnten wir eine Steigerung von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr beobachten. Damit ist das Frühbuchen wieder beinahe auf Vorkrisenniveau. Im Vorjahr konnten viele jener Kundinnen und Kunden, die erst spät gebucht hatten, nicht mehr ihre Wunschdestination bekommen. Momentan ist die Buchungs­situation für den Sommer gut.

medianet:
Wie sehr beeinflussen Online-Buchungen das Geschäft der Reisebüros?
Kadanka: Eine Studie aus Deutschland hat gezeigt, dass gerade das eher jüngere Publikum verstärkt das Reisebüro in Anspruch nimmt. Diese Altersgruppe ist zwar onlineaffin, hat aber schlechte Erfahrungen gemacht. Große Themen sind hier falsche Bewertungen, generell wenig Service im Internet, keine Erreichbarkeit bei Problemen und vieles mehr. Das spielt dem stationären Reisebüro derzeit in die Hände, gerade in Zeiten, wo es nicht immer reibungslos läuft, wie etwa durch Streiks. Da hat man sehr gerne jemanden, den man anrufen kann. Es ist auch mühsam, sich im Internet Flüge oder Hotels einzeln zusammenzusuchen. Im Reisebüro erhält man das gleiche Produkt, erspart sich aber sehr viel Zeit.

medianet:
Frühbuchen oder Last Minute – was raten Sie als Spezialist?
Kadanka: Das hängt vom geplanten Reisedatum ab. Reisen in der Hauptsaison, im Juli und August oder zu Weihnachten, sollte man unbedingt so zeitig wie möglich buchen. Es besteht sonst die Gefahr, dass die gewünschte Destination nicht mehr verfügbar ist, zudem wird es teurer. Generell steigen die Preise mit steigender Auslastung.

Sind Zeitraum und Destination nicht wichtig, kann man abseits der Hauptsaison das eine oder andere Last Minute-Schnäppchen machen.


medianet:
Orten Sie bestimmte Trends bei Reisezielen in diesem Sommer?
Kadanka: Im Juli und August sind seit Jahrzehnten die Hauptreiseziele Länder rund um das Mittelmeer – Griechenland und Kroatien, Italien, Spanien und seine Inseln. Ägypten, Tunesien und Marokko gehören auch dazu, sind aber etwas abgeschlagen und eher Destinationen für den Herbst oder das Frühjahr. Hier hat sich nicht viel geändert. Man sieht kleinere Trends. Trotz hoher Kosten sind die USA beliebt, und es kommt Asien, wie Thailand, nach den Lockdowns wieder zurück. Zuwachsraten gibt es auch bei Zielen im Norden.

medianet:
Gibt es wirklich einen Boom bei Bahnreisen?
Kadanka: Das Angebot wurde nicht wirklich ausgeweitet, wenn man über größere Entfernungen oder Nachtzüge spricht. Das Angebot ist noch sehr klein, und der mediale Aufschlag ist deutlich größer, als das verfügbare Produkt.

Die Bahn hat bis jetzt weder das Auto, noch das Flugzeug als Verkehrsmittel in den Urlaub abgelöst.


medianet:
Hat sich das Reiseverhalten durch den Klimawandel verändert, sodass viele in den heißen Sommern in Österreich bleiben?
Kadanka: Wir sehen, dass sich Reisen in die Vor- und Nachsaison verlagern, da es etwa in Griechenland bereits früher wärmer ist als noch vor einigen Jahren. Spanien hatte einen sehr guten Jänner, der sonst nie ein besonders starker Monat war.

medianet:
In Österreich klagt man über Fachkräftemangel im Tourismus; manche Betriebe haben deshalb ihre Angebote eingeschränkt, oder es kommt sogar zu Schließtagen. Sehen Sie dieses Problem auch bei internationalen Destinationen?
Kadanka: Manche Betriebe haben sich bereits im vergangenen Jahr schwergetan und mussten mit einem Drittel weniger an Personal auskommen. Ich glaube, dass sich die Situation entspannt. Das Problem in Österreich ist, dass es immer viele Saisonniers in der Hotellerie und Gastronomie gab. Wenn jemand aus Kroatien aber einen guten Job im Heimatland findet, geht er nicht auf Saison nach Österreich.


medianet: Hat sich das Kundenverhalten durch die ständigen Streiks bei Airlines und Bahn verändert?
Kadanka: Angst vor Streiks sehe ich noch nicht; wenn das aber so weitergeht, möchte ich das nicht ausschließen. Wenn es zu Verspätungen kommt, werden Reisende entschädigt. Das ist auch ein Grund, weshalb die Menschen verstärkt ins Reisebüro kommen. Hier haben sie eine Ansprechstelle, die das für sie erledigt, und sie müssen sich nicht selbst darum kümmern. Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das ein erheblicher Mehraufwand.

medianet:
Aktuell ist KI ein Dauerbrenner. Ist Künstliche Intelligenz im Reisebüro einsetzbar?
Kadanka: Das ist ein großes Thema. Wir haben als Fachverband gemeinsam mit Studenten der Wirtschaftsuniversität eine halbjährliche Arbeit zu KI im Reisebüro durchgeführt, dazu gibt es auch Info-Veranstaltungen. Es existieren bereits erste Produkte. KI ist bei der Erstellung von Texten im Einsatz, und es gibt erste Versuche, KI bei der Reiseberatung einzusetzen.

Derzeit sollte man das noch nicht auf Kunden ‚loslassen'. Das Problem dabei ist die Haftung des Reisebüros für die Richtigkeit von Informationen, die im Katalog stehen. Wenn ein Chatbot nun eine falsche Auskunft gibt, haftet das Reisebüro. Derzeit ist KI ein Werkzeug für Profis, aber kein Ersatz für Profis.


medianet:
Ihre Funktionsperiode endet im kommenden Jahr. Werden Sie danach wieder dafür zur Verfügung stehen?
Kadanka: Die Wahl findet auf Bundesländerebene statt, und ich werde in Wien aller Voraussicht nach wieder als Fachgruppenobmann antreten.

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