Prozesse in Kanzleien gestalten sich zeitintensiv – viele Daten, viele Termine und viele Dokumente erfordern eine wohldurchdachte und lückenlose Kanzleiorganisation.
Von Unternehmensplanung, Honorarverrechnung, Mitarbeiterverwaltung, Leistungserfassung, Dokumentenarchivierung und -verwaltung bis hin zu Postbuch und Terminverwaltung kann – oder könnte? – sehr vieles digital erledigt werden … Am besten, zweckmäßigsten und kostengünstigsten in Form einer effizienten Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Unternehmer und „seinem” Steuerberater – so, wie es in diesem Dossier in mehreren Best Practice Beispielen beschrieben wird!
Aus der Alltagspraxis
„Für mich bedeutet Digitalisierung in erster Linie Dokumentenmanagement”, leitet Christa Farmer den Round Table ein. „Der nächste Schritt wäre dann beleglose Buchhaltung, wobei ich derzeit noch damit kämpfe, dass ein Teil meiner Klienten sagt, das ist für mich mehr Arbeit, als einfach wie gewohnt die Belege mit der Post zu schicken oder vorbeizubringen.”
Für Stephan Greiner gestaltet sich Digitalisierung oft „größen- und branchenabhängig” und sei in manchen Kanzleien durchaus noch verbesserungsfähig: „Wenn schon Digitalisierung, dann soll es wirklich funktionieren! Man ist ja auch nicht ein bisschen schwanger …” Außerdem sei Digitalisierung ein europapolitisches Projekt. „Ich glaube, wir benötigen technische Mindestvorgaben auf europäischer Ebene.”
Eine Lanze für die Datenschutzgrundverordnung bricht Michael Kowarik: „Die DSGVO hat so wesentliche Auswirkungen und Folgen, dass sogar die ansonsten eher abgeschotteten Amerikaner danach trachten, dass ihre Produkte der Grundverordnung entsprechen – den großen Markt Europa können sie nicht einfach ignorieren.”
Kowarik sieht die große Herausforderung für Steuerberater darin, diverse verschiedene Systeme einspeisen bzw. verarbeiten zu können. „Wir brauchen Schnittstellen, etc., da ist in letzter Zeit schon sehr viel getan worden.”
Digitalisierung = Chefsache!
Den „Druck der Klienten, digital automatisiert zusammenzuarbeiten”, erkennt auch Franz Nowotny. „Der Kunde will mobil(er) arbeiten, auf seine Daten von überall zugreifen können und vor allem die riesigen Datenmengen beherrschen.”
Zuerst müsse man doch die Qualität sichern und dann erst könne man digitalisieren, wirft Christa Farmer ein. „Digitalisierung und Qualitätssicherung in einem einzigen Schritt funktioniert nicht wirklich bzw. es ist zumindest nicht sinnvoll.”
Der „Faktor Mensch”
Unisono waren die Teilnehmer des medianet-Round Tables einig, dass es sich ganz generell um eine Generationenfrage handelt. Und: Es gibt sicher Kollegen, die sich mit IT noch besser und schneller anfreunden (können) als andere. „Für die Mitarbeiter ist eine solche Umstellung schon auch eine Zusatzbelastung, das muss man fairerweise erwähnen”, meint Greiner. „Sie müssen Neues lernen, gewohnte Wege ändern sich stark. Das braucht einige Zeit, bis das dann auch so eingespielt läuft wie zuvor.”
Auch hier Übereinstimmung: Digitalisierung ist Chefsache, „da kommt unsere Aufgabe ins Spiel, die Mitarbeiter richtig einzusetzen und zu verknüpfen”. „Die Digitalisierung wird sich auf jeden Fall durchsetzen”, ist Sabine Brandner überzeugt. Klaus Kiffmann nicht so ganz: „Meine Kanzlei arbeitet viel in und mit der Baubranche. Da gibt es viele Klienten, die wollen das überhaupt nicht, da ist Barzahlung noch sehr häufig.”
Auch Kunden aus anderen Branchen kämen oft direkt vorbei „und reden persönlich mit dem Buchhalter, obwohl es anders viel schneller gehen würde”. Jedoch: „Sachverständige und Ziviltechniker wollen schon sehr gern digitale Angebote, da bietet sich das auch an und da macht’s auch Sinn!”
Ein (sehr) bedenklicher Fall
Einer der Round Table-Teilnehmer berichtet dann von einem Klienten, der vor ca. fünf Jahren ein eigenes ERP-System eingeführt hatte. „Der erfasst Eingangsrechnungen selbst und fakturiert diese, und wir buchen einmal im Monat die restliche Buchhaltung.”
Die entsprechenden Schnittstellen waren sehr wohl definiert: bis wohin der Kunde die Verantwortung trägt und ab wann die Kanzlei. „Heuer kam die Anfrage, was ist, wenn ich ein Produkt in ein anderes EU-Land liefere – wie habe ich mich steuerlich zu verhalten?”
„Sie haben ja die Produktion in Österreich.” „Nein, die haben wir doch vor einiger Zeit in das Ausland verlegt …” Davon hatte der Klient nie gesprochen, und somit musste in kurzer Frist, mit viel Zeitaufwand eine große Anzahl an Rechnungen berichtigt und neu ausgestellt werden.
„Hätte das in Ihrer Kanzlei auffallen können?”, hakt an diesem Punkt Moderator Oliver Jonke nach. „Allerdings! Wenn wir zuerst die Rechnungen im Original und zur Beurteilung bekommen hätten …” Man müsse in solchen Fällen sehr auf das Haftungspotenzial achten. „Automatisierung kann eben auch dazu führen, dass die Kontakte viel lockerer werden. Es soll ja alles (viel) weniger kosten …”
Verändert sich das Berufsbild?
Für Sabine Brandner war das Thema „Mitarbeiter” rund um die Digitalisierung ein ganz zentrales. „Ich weiß nicht, ob es den Kollegen in Wien auch so geht: Wir kämpfen stark damit, qualifiziertes Personal in den ländlichen Regionen zu halten.”
Die Damen in ihrer Kanzlei sind sehr gut qualifiziert und arbeiten oft vom Home Office aus. „Das funktioniert natürlich nur bei entsprechend gutem Kontakt. Und bei der Qualität muss man ziemlich aufpassen, damit das nicht aus dem Ruder gerät.” Eine Mitarbeiterin habe auch beschlossen, „Home Office war zwar recht schön, aber ich möchte wieder in die Kanzlei kommen, weil eigentlich arbeite ich lieber den ganzen Tag und hab’ zu Hause frei”.
Christa Farmer bestätigt grundsätzlich den schönen Aspekt, dieses „mobil und zu Hause arbeiten”. Aber: Ein digitales Team könne auch sehr rasch zerbröseln. „Man braucht neue Strukturen und Wege. Wir erleben jetzt gerade aufgrund unserer Betriebsgröße genau einige negative Erfahrungen.” Einige Diskutanten haben ihre Mitarbeiter generell lieber in der Kanzlei: Auch beim Team Building kommt es also stark auf die Betriebsgröße an.
Wie es mit der vielgepriesenen Digitalisierungsinitiative aussieht? „Vom Gesetzgeber und auch von der Gesellschaft müssen die Rahmenbedingungen besser gestaltet werden – und da rede ich nicht nur von Daten”, bringt es Kowarik auf den Punkt. Weiters höre und lese man permanent von „Buchhaltung auf Knopfdruck” oder „Belege digital – ersparen Sie sich den Steuerberater!” Diese Slogans werden weit verbreitet und geben vor, die Buchhaltung habe kaum Wert mehr beziehungsweise dürfe fast oder gar nichts mehr kosten, weil „eh alles elektronisch geht”.
Auch bei diesem Problemfeld waren die Teilnehmer des medianet-Round Tables weitgehend einig, dass nämlich die Digitalisierung durchaus diverse Arbeitsplätze kosten werde, und diejenigen, die übrig bleiben, sich verändern müssen und eine andere Aufgabenstellung erhalten. Außerdem kämen neue Mitbewerber wie etwa die Banken (Stichwort: „George”) hinzu – auch hier werde sich viel verändern, und man werde einiges lernen müssen.
Keine Angst!
Stephan Greiner hat ebenso wie die Kollegen für die Branche im Allgemeinen keine großen Vorbehalte: „Ich glaube schon, dass in Österreich – möglicherweise anders als in anderen Ländern wie etwa im amerikanischen Raum – der persönliche Kontakt zum Berater noch viele Jahre im Vordergrund stehen wird. Ich halte die Digitalisierung dennoch für notwendig, und wir müssen alle unsere entsprechenden Hausaufgaben machen – aber wir sollten Menschlichkeit und Persönlichkeit, Kompetenz und die Freundlichkeit keineswegs außer Acht lassen, denn damit holen wir unsere Kunden ab und nicht mit irgendwelchen elektronischen Zahlen!”
Ein schönes Schlusswort für einen sehr spannenden medianet-Round Table!