Financial Planners ­haben die Nase vorn
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FINANCENET reinhard krémer 05.07.2019

Financial Planners ­haben die Nase vorn

Umfrage: Österreichs Berater sehen Probleme realistisch und handeln professioneller als andere Europäer.

••• Von Reinhard Krémer

Die European Financial Planning Association (EFPA) wollte es genau wissen und startete eine Umfrage unter knapp 1.500 ­Finanzberatern. Die hatte es in sich, denn sie brachte interessante und teils unerwartete Ergebnisse zutage. Die Befragten, Finanzexperten aus 16 europäischen Ländern, offenbarten im Rahmen der Studie ihre eigene Sichtweise zu branchenrelevanten Themen wie etwa der ganzheitlichen Beratung, Robo-Advice oder der Bedeutung von Millennials als Kunden und Kollegen. Die EFPA, der auch der Österreichische Verband Financial Planners seit dem Jahr 2009 angehört, hat im März und April diesen Jahres eine Umfrage unter ihren Mitgliedern – allesamt zertifizierte Finanzberater, die mindestens eine der drei EFPA-Zertifizierungen, EIP, EFA oder EFP besitzen – durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Befragung weisen dabei teils große internationale Unterschiede auf. Ein Trend, der jedoch europaweit auf dem Vormarsch ist, ist jener hin zur ganzheitlichen Beratung.

3,83 Themen im Angebot

Die österreichischen Finanzexperten beraten ihre Kunden im Schnitt zu 3,83 Themen, beziehungsweise Produktkategorien.

Damit liegen sie zwar im europäischen Durchschnitt, jedoch weit hinter ihren deutschen oder tschechischen Pendants, die Beratung zu jeweils 4,59, beziehungsweise 4,34 Themen anbieten.

Nachfolgeplanung gefragt

„Während die heimischen Finanzberater sehr stark auf die drei Klassiker Investments, Versicherungen und Hypotheken setzen, hinken sie beispielsweise beim Thema Nachfolgeplanung weit hinterher”, erläutert Otto Lucius, Vorstandsmitglied im Verband Financial Planners. Beratung zu diesem wichtigen Themenkomplex wird hierzulande lediglich von 48% der Befragten angeboten.

In Frankreich und Großbritannien liegen die Werte mit 89 und 88% hingegen weitaus höher. „Der Verband hat vor, hier stärker unterstützend einzugreifen und die Kompetenz in Sachen Nachfolgeberatung zu stärken”, erläutert Otto Lucius.

Keine Experten für „eh alles”

Was eine sehr detaillierte Expertise in allen Gebieten der Finanzberatung betrifft, haben die Österreicher die Grenzen der ganzheitlichen Beratung und ihrer eigenen Kompetenzen jedoch erkannt, und das viel stärker als die Befragten in allen anderen Ländern.

72% der heimischen Berater gaben an, es sei unmöglich, tiefgreifende Kenntnisse in wirklich allen Gebieten aufweisen zu können.
Im europäischen Durchschnitt waren nur 45% der Befragten dieser Meinung. „Die österreichischen Berater haben hier einen sehr realistischen Zugang und ziehen zunehmend Dritte als externe Spezialisten hinzu”, so das Vorstandsmitglied im Verband Financial Planners.

Begehrte Millennials

Wie die EFPA-Umfrage eindrucksvoll zeigt, haben die europäischen Finanzberater Millennials als interessante Zielgruppe identifiziert.

Die Angehörigen der sogenannten Generation Y sind mittlerweile sowohl als Kunden, als auch als Kollegen begehrt. Insgesamt gaben 43% der Befragten an, dass ihr Arbeitgeber Anstrengungen unternimmt, um Millennials mit dem Thema Finanzberatung in Berührung zu bringen.

Rot-weiß-roter Durchschnitt

Österreich liegt hier mit 41% nahe dem Durchschnitt. Während diese Anstrengungen auf Kundenseite vor allem auf Programmen zur besseren Finanzbildung und einem speziell für die junge Generation gestalteten Produktangebot beruhen, dominieren hinsichtlich der Rekrutierung von Millennials eigens strukturierte Trainingsprogramme und Praktika.

„Das Durchschnittsalter der in den Unternehmen der Befragten beschäftigten Finanzberater liegt übrigens europaweit, genauso wie auch in Österreich, bei 47 Jahren”, sagt Otto Lucius.

Besseres Verständnis

Die Stärken von Finanzberatern, die selbst der Generation der Millennials angehören, sehen die Befragten speziell im besseren Verständnis für gleichaltrige Kunden sowie im besseren Umgang mit neuen Technologien und Sozialen Netzwerken.

Die Kehrseite der Medaille: Millennial-Berater hätten laut Umfrageteilnehmern weniger Erfahrung im Umgang mit Kunden und deren Emotionen. Die Frage, ob ihre Gesellschaft oder ihr Arbeitgeber aktuell in Erwägung ziehen würde, einen Robo Advisor zu entwickeln, beantworteten international lediglich 32, in Österreich gar nur 22% der Finanzberater mit Ja.

Mensch und Maschine

Gesellschaften, die sich momentan mit diesem Gedanken beschäftigen, würden darüber hinaus mehrheitlich auf sogenannte Assisted Robo Advisors setzen, also Systeme, die gemeinsam mit einem Berater aus Fleisch und Blut zum Einsatz kommen und diesen unterstützen.

Trotz dieser geringen Prozentsätze ist man sich europaweit einig, dass die Einbeziehung von digitalen Technologien in die Beratungsbeziehungen einen Mehrwert bringt. In Österreich sind lediglich drei Viertel der Berater dieser Meinung. Das ist der, gemeinsam mit Polen, niedrigste Wert in ganz Europa.

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