••• Von Marie-Thérèse Hartig
Gärten sind Wohnräume im Freien – doch beim Möblieren dieser Räume lassen viele Gartenbesitzer die wünschenswerte Sorgfalt vermissen. Nichts gegen Gartenzwerge und Repliken, aber dass zipfelbemützte Gnome und Gipsversionen der Venus von Milo den Maßstab heimischer Outdoor-Kunst bilden, ist eigentlich ein Armutszeugnis.
Andererseits muss man zugeben, dass es nicht ganz einfach ist, hierzulande höhere künstlerische Ansprüche zu befriedigen. Wohl tauchen im Dorotheum immer wieder dekorative Sandstein- oder Marmorelemente auf, aber eigene Gartenkunst-Auktionen gibt es nur im Ausland, und der Weltmarktführer sitzt – erraten! – in England. Und zwar im malerischen Städtchen Billingshurst in West Sussex, etwa eine Stunde von London entfernt. Dort hat Summers Place Auctions seinen Firmensitz, ein Versteigerungshaus, das – 1985 gegründet – ursprünglich zu Sotheby’s gehörte, seit 2008 aber von zwei ehemaligen Experten, James Rylands und Rupert van der Werff, geführt wird. (Wobei die Hausherren großen Wert auf die Tatsache legen, dass man mit dem früheren Arbeitgeber immer noch eng kooperiere – insgesamt bringt es die zehnköpfige Summers-Place-Crew auf mehr fast 200 Jahre Sotheby’s-Mitarbeit.)
From Rome to chrome
Viermal im Jahr, nämlich im April, im Juni, im September und im November, pilgern Kunst- und Naturfreunde aus aller Welt nach Billingshurst, wo Rylands und van der Werff auf einem knappen Hektar typisch englischer Landschaft ein breites Spektrum von Kunstwerken für den Garten präsentieren: Statuen und Springbrunnen, Mobiliar und Pflanzgefäße aus unterschiedlichsten Materialien, zu Preisen von wenigen Hundert bis zu einer Viertelmillion Pfund.
„Everything from Rome to chrome”, also „alles von Rom bis Chrom”, beschrieb einst ein überwältigter Besucher das Angebot, das er in Summers Place vorfand, und tatsächlich reicht die Palette des spezialisierten Weltmarktführers von antiken Skulpturen bis hin zu zeitgenössischen Arbeiten von Künstlern aus aller Welt.
„In den letzten Jahren hat sich der Geschmack unserer Kunden beträchtlich verändert”, schildert James Rylands die Gründe für die verstärkte Ausweitung seines Sortiments in die Gegenwart. „Vor zehn Jahren interessierten sich weniger als fünf Prozent unserer Besucher für zeitgenössische Skulpturen, heute sind es rund 60 Prozent. So wie die Käufer heute eher auf minimalistische und daher zeitgenössische Einrichtungsgegenstände im Haus Wert legen, so tun sie das – allerdings in geringerem Maße – auch im Garten.”
Neben dem Trend zu Contemporary Design ist laut Rylands vermehrt auch das Bestreben der Gartenbesitzer zu beobachten, ihrem grünen Wohnzimmer einen persönlichen Look zu verpassen, sei dieser nun klassisch, modern oder rustikal. Unbeschränkt von den architektonischen Zwängen, die Räume in einem Haus vorgeben, könne ein Sammler sich im Freien nach Herzenslust austoben.
Bieten im Blindflug
Und je nach Budget natürlich. Doch auch da sind dem Kunstfreund kaum Grenzen gesetzt, denn schon ab wenigen Hundert Pfund ist man beim Steigern mit dabei. Traditionell kommen am ersten Tag der jeweils zweitägigen Auktionen die teureren Objekte zur Live-Versteigerung, am zweiten bieten die Interessenten schriftlich in sogenannten Sealed-Bid-Auktionen auf preisgünstigere Objekte. Bei diesen Höchstpreisauktionen werden sämtliche Gebote verdeckt eingereicht und vom Auktionator zu einem späteren Zeitpunkt miteinander verglichen. Jeder Bieter darf nur ein Angebot abgeben, den Zuschlag erhält der Höchstbietende zu seinem gebotenen Preis.
Jeweils einen Monat vor der Versteigerung geht der Katalog mit allen aktuellen Objekten online, eine Vor-Ort-Besichtigung im zweieinhalb Hektar großen Walled Garden sowie in der mehr als 450 m2 großen Galeriehalle ist natürlich ebenfalls möglich.
Geheimnisse der Preise
Doch was sind die Kriterien, die den Preis eines Objekts bestimmen? James Rylands nennt drei Faktoren: „Erstens sind Käufer heute besonders an der Provenienz interessiert. Das Alter eines Stücks spielt weniger eine Rolle, 18. Jahrhundert ist nicht mehr automatisch besser und teurer als 19. Jahrhundert.” Zweitens, so Rylands, sei wichtig, in welchem Zustand sich ein Los befindet. „Unsere Käufer sind generell Privatpersonen, die die Gegenstände ohne Aufwand und Renovierungsmaßnahmen sofort in ihren Garten stellen möchten. Leider sind viele Gartenobjekte über die Jahre von Gärtnern oder Wetter beschädigt worden, und im Allgemeinen werden Outdoor-Gegenstände nicht so sorgfältig gepflegt wie Möbel im Haus. Daher lehnen wir beschädigte Stücke meistens ab, da es schwer ist, für sie einen Käufer zu finden.”
Als drittes relevantes Preiskriterium sieht Rylands die Seltenheit eines Objekts, die von Angebot und Nachfrage gesteuert wird. „In den letzten 20 Jahren haben wir beispielsweise zuschauen können, wie der Nachschub an Bleigegenständen aus dem 18. Jahrhundert versiegt ist”, schildert der Experte. „Während wir früher in jeder Auktion zwei bis drei Bleizisternen (eine Art Tank auf dem Dach großer Häuser, in dem Regenwasser gesammelt wurde) angeboten haben, kommen solche Stücke heute höchstens noch einmal pro Jahr zur Auktion. Das hat sich auf die Preise ausgewirkt: Vor 20 Jahren konnte man Bleizisternen für rund 2.000 Pfund kaufen, heute sind sie 5.000 bis 10.000 Pfund wert.”
Noch drastischer ist die Preisentwicklung bei Bleifiguren: „Mitte der Neunzigerjahre bekam man solche Skulpturen aus dem 18. Jahrhundert für weniger als 10.000 Pfund. Die letzte gute Figur, die wir 2011 verkauft haben, hatten wir bereits auf 70.000 bis 100.000 geschätzt, und tatsächlich spielte sie knappe 150.000 Pfund ein.”
Ein Kapitel für sich sind die Wertsteigerungen bei zeitgenössischer Kunst – indoor wie outdoor. Auch hier kann James Rylands ein beeindruckendes Beispiel anführen: „Die rosa Granitskulptur zweier ,Lovers' des britischen Künstlers David Wynne wurde 2006 bei Christie’s in New York für 32.400 Dollar versteigert; neun Jahre später brachte dieselbe Figurengruppe bei uns 63.750 Pfund – das ist fast das Dreifache.”
Antizyklische Schnäppchen
Allerdings – und das ist ein Trost für alle Gartenfreunde mit beschränktem Budget – gibt es immer auch Schnäppchen, insbesondere dann, wenn man antizyklisch kauft. „Traditionellere Stücke wie Löwen oder Adler will derzeit niemand, obwohl Tierskulpturen, insbesondere Hunde, an sich immer populär sind. Ein Paar französischer Terracotta-Löwen blieb im April 2015 unverkauft, obwohl wir sie mit einem moderaten Schätzwert von 1.500 bis 2.500 Pfund angeboten haben; vor zehn Jahren wären sie für 5.000 bis 10.000 Pfund weggegangen”, so Rylands. Ebenfalls günstig zu haben seien viktorianische Gusseisen und Bronzen, verrät Rylands: „Dieser Stil ist auch bei Möbeln gänzlich aus der Mode gekommen. Zwischen 500 und 5.000 Pfund gibt es bei uns daher sehr schöne Stücke, die sich als gute Investition erweisen könnten.” Hochpreisige Objekte sollten Sammler aber unbedingt bei renommierten Häusern kaufen, empfiehlt Rylands: „Es gibt leider Unmengen an Fälschungen, vor allem aus Gusseisen, weil es sehr einfach ist, Gegenständen einen verwitterten Look zu verpassen. In Fernost verwenden Fälscher spezielle Farben und tauchen die Objekte dann in Salzwasser – so wirken sie viel älter, als sie tatsächlich sind.”