Und jetzt haben wir wieder den Scherm auf
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FINANCENET Redaktion 22.11.2024

Und jetzt haben wir wieder den Scherm auf

Reaktionen und mögliche Auswirkungen von Trump 2.0 analysieren die Experten von Erste Group Research.

••• Von Reinhard Krémer

They never come back, sagt man über gescheiterte US-Präsidentschaftskandidaten. Nun, Donald Trump hat Auguren und Beobachter eines Besseren belehrt. Amerika hat gewählt – und die Welt in fassungslosem Erstaunen zurückgelassen. Was bedeutet das nun für Wirtschaft, politische Risiken und die Märkte? Viel Spielraum hätte Trump theoretisch nicht: Die Lage der Staatsverschuldung wird deutlich prekärer, wie das parteiunabhängige Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB) in einer Analyse zeigt.

Die Pläne der Trump-Administration würden die Verschuldungsquote bis 2035 von aktuell 99% auf bis zu 142% des BIP hinaufschnellen lassen. Ein mit europäischen Verschuldungszahlenvergleichbarer Wert wäre sogar um mehr als 20% höher, melden die Experten des Erste Group Research. Die Agenda von Trump beinhaltet die Verlängerung bestehender Steuererleichterungen, Steuerausnahme für Trinkgelder, Senkung des Unternehmenssteuersatzes von 21% auf 15% bei gleichzeitiger Aufweichung regulatorischer Anforderungen sowie das Ende der Besteuerung von Sozialleistungen.
Auch die Einnahmenseite wird in eine angespannte Situation geraten, denn gemäß der Analyse des CRFB ist davon auszugehen, dass 2035 pro ausgegebenem US-Dollar bis zu zwölf Cent geringere Einnahmen zu Buche stehen werden.

Zölle und die Inflation

„Als volkswirtschaftliches Hauptrisiko sehen wir einen markanten Anstieg der Inflation in den USA. Die Einführung breit gestreuter Zölle sowie eine Verknappung am Arbeitsmarkt aufgrund strengerer Immigrationskontrollen wirken wie auch fiskalischer Stimulus unter nahezu Vollbeschäftigung inflationstreibend. Nachhaltig anziehender Inflation würde die US-Notenbank ihrem Mandat gemäß mit höheren Leitzinsen begegnen, was ein Bremsklotz an der Konjunktur und mit Blickrichtung Zinszahlungen eine Belastung für den ohnehin angespannten Staatshaushalt wäre”, meinen die Erste Group-Experten.

Eurozone unter Druck

Eine neuerliche Präsidentschaft von Donald Trump wird die EU in vielen Bereichen unter Druck bringen – einen ersten Vorgeschmack lieferte der Euro, der schon am Tag nach der Wahl deutlich zum US-Dollar nachgab und wahrscheinlich noch schwächer werden wird – zumindest so lange, als sich keine Vertrauenskrise beim „Greenback”, etwa aufgrund der hohen staatlichen Verschuldung, entwickelt.

Nachdem die USA für einige Länder Europas ein wichtiger Handelspartner sind, wirkt allein die Aussicht auf mögliche Zölle in Höhe von zehn Prozent auf sämtliche Importe in die USA dämpfend auf die Wachstumsaussichten der Eurozone.
Dadurch haben europäische Unternehmen einen Anreiz, mittelfristig Produktionskapazitäten in die USA zu verlagern. Sollten die USA tatsächliche wie von Trump in Aussicht gestellt, die Zölle für chinesische Waren weiter auf 60% erhöhen, könnte dies dazu führen, dass chinesische Produzenten versuchen würden, ihre überschüssige Produktion zu Dumpingpreisen in Europa abzusetzen.
Dies würde die europäische Industrie zusätzlich unter Druck setzen und würde in weiterer Folge wahrscheinlich zu erhöhten politischen Spannungen zwischen China und der EU führen.
„Wir erwarten, dass sich der Wahlsieg von Trump durch den erwarteten Aufbau weiterer Handelsbarrieren dämpfend auf die Stimmung europäischer Unternehmen auswirkt und dadurch gleichzeitig auch die Konsumentenstimmung belastet”, so das Erste Group-Research.

Weniger Bock auf Konsum

Die Investitionsneigung der Unternehmen sowie die Konsumneigung könnten somit sinken, mit entsprechend negativen Konsequenzen für das Wachstum.

Mit einem US-Präsidenten Trump ist die Wahrscheinlichkeit für raschere Zinssenkungen durch die EZB 2025 gestiegen, da ein schwächerer Wachstumsausblick dämpfend auf die Inflationserwartungen wirkt. „Derzeit gehen wir davon aus, dass die EZB den Einlagenzinssatz bis September 2025 auf 2,25 Prozent senken wird”, so die Analysten der Erste Group.

Euro-Zinsen könnten sinken

Unter Trump werden Inflationserwartungen aufgrund geplanter Zölle, Steuererleichterungen und Einwanderungsbeschränkungen angeheizt.

„Es erscheint uns wahrscheinlich, dass die vom Congressional Budget Office (CBO) erwartete Durchschnittsrendite von 3,9 Prozent bei zehnjährigen US-Treasuries über die nächsten Jahre merklich übertroffen wird. Wir denken, dass das allgemeine US-Renditeniveau mittelfristig höher wird, und sollte die US-Notenbank wegen anziehender Inflation die Leitzinsen anheben müssen, könnte die Zinskurve abflachen oder sogar wieder invertieren. Die erwartete Politik von Trump könnte dazu führen, dass die EZB schneller als bisher erwartet ihre Geldpolitik lockern wird, wodurch deutsche Renditen vor allem am kurzen Ende sinken können und die Renditekurve steiler werden würde. Bei langen Laufzeiten stellen US-Vorgaben das wahrscheinlich größte Aufwärtsrisiko für Renditen dar”, so die Erste Group-Experten.

Frohlocket, Aktionäre!

Gut sieht es für Aktien aus: „Die bevorstehende Präsidentschaft von Herrn Trump hat initial zu steigenden Indizes geführt. Die Erwartung sinkender Steuern auf Unternehmensgewinne hat positive Auswirkungen auf alle Unternehmen, insbesondere auch auf Small Caps. Die wichtigsten US-Leitindizes erzielten am Tag nach der Wahl neue Rekordhochs. Hierbei gehen Investoren auch davon aus, dass sich die US-Zölle positiv auf die lokalen Firmen in den USA auswirken”, so die Erste-Experten. „Auf den US-Technologiesektor erwarten wir im Zuge der zweiten Trump-Präsidentschaft positive Auswirkungen. Die Anti-Monopol Initiativen der US Federal Trade Commission (FTC) werden im Vergleich zur Biden-Regierung deutlich abgeschwächt. Auch die Pharmaindustrie wird mit weniger Klagen der FTC wegen hoher Preise konfrontiert sein als bisher. Es ist wahrscheinlich, dass die FTC wieder so wenig aktiv sein wird wie im Zeitraum 2017 bis 2021”, heißt es vom Erste Group Research.

Drill, Baby, drill!

Die Relevanz fossiler Energien (Öl und Erdgas) wird zulasten alternativer Energien wieder ansteigen.

„Es ist anzunehmen, dass die herkömmlichen Energiekonzerne weniger Restriktionen bei der Förderung und Weiterleitung der Energieträger haben werden. Eine Ausweitung der Vergabe von neuen Konzessionen zu Explorationen von Öl- und Gasfeldern ist zu erwarten. Generell werden die Länder der Emerging Markets belastet, wenn deren Exporte durch Zölle oder die Finanzierungen von Investitionen durch einen festeren US-Dollar belastet werden”, so die Analysten.
Und: Die kommende Präsidentschaft Trumps wird zu einem höheren politischen Risiko weltweit beitragen und damit den Anstieg des Goldpreises fördern.
Dies und das Haushaltsdefizit der USA werden den Trend mittelfristig anfeuern, meint man beim Erste Group Research.

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