Heimische Industrie hält sich tapfer und resilient
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 09.05.2025

Heimische Industrie hält sich tapfer und resilient

Österreichs Industrie hat ein Annus horribilis hinter sich. Was prognostizieren WKO, IV und Ökonomen für heuer?

••• Von Helga Krémer

Bei der Präsentation der Industriezahlen für das Jahr 2024 fand Siegfried Menz, Obmann der Bundessparte Industrie in der WKÖ, drastische Worte: „Die Lage der österreichischen Industrie ist dramatisch, wir befinden uns mitten im Prozess der Deindustrialisierung.”

Österreichs Industrieproduktion sei im vergangenen Jahr um weitere 6,2% gegenüber dem Vorjahr gesunken, so Menz: „Von den letzten 24 Monaten waren 23 Monate rückläufig, mit dem Juli 2024 gab es nur einen Monat mit einem Plus.”

Auftragseingänge mau

Eine weitere Kennzahl betrifft die Auftragseingänge der Industriebetriebe: Auch diese bezeichnet Bundessparten-Geschäftsführer Andreas Mörk als „desolat”: 2024 wurden mit Aufträgen im Wert von 128 Mrd. € noch weniger neue Fertigungsaufträge verzeichnet als im Jahr davor bzw. 2022. Der Rückgang beträgt damit seither schon mehr als 10 Mrd. €. Besonders betroffen: die Branchen Fahrzeugindustrie, Bergwerke/Stahl sowie die Elektro- und Elektronikindustrie. De facto wirken sich diese Rückgänge besonders drastisch im Bereich der energieintensiven Branchen aus: „Produktionseinschränkungen von Drei- auf Ein-Schicht-Modelle sind dort immer öfter notwendig, aber aufgrund des hohen Energieaufwandes nicht mehr kostendeckend machbar”, schilderte Branchensprecher Mörk aus der Praxis.

Die Aussichten seien laut den Umfrageergebnissen im ersten Quartal 2025 zufolge düster und besorgniserregend: In allen 16 Fachverbänden der WKÖ-Bundessparte Industrie würden weitere Produktionseinbußen und Beschäftigungsabbau drohen. Der Produktionsrückgang könne allenfalls gebremst, nicht aber gestoppt werden, hieß es bei der Wirtschaftskammer.

Anlass zur Hoffnung

Die Zahlen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Wifo, lassen hingegen einen zarten Silberstreif am Horizont erahnen. Denn gemäß der aktuellen Schnellschätzung des Wifo wurde die österreichische Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2025 leicht ausgeweitet: real +0,2% gegenüber dem Vorquartal.

Positive Impulse wären dem Wifo zufolge zu Jahresbeginn von der Industrieproduktion gekommen – dort sei die Wertschöpfung erstmals seit sieben Quartalen wieder leicht gestiegen. Gemäß vorläufigen Daten von Statistik Austria stieg der Produktionsindex der Industrie (ÖNACE 2008, Abschnitte B bis E) arbeitstagsbereinigt im Jänner und Februar im Jahresabstand. Damit dürfte auch die Wertschöpfung in der Industrie im ersten Quartal 2025 erstmals seit sieben Quartalen auf niedrigem Niveau ausgeweitet worden sein (+0,6% gegenüber dem Vorquartal).

Nicht rosig, aber tapfer

Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria sehen den angelaufenen Verbesserungstrend in der österreichischen Industrie zu Beginn des zweiten Quartals zwar eingebremst, aber: „Die Turbulenzen rund um die erratischen US-Zollankündigungen haben sich bisher kaum in der heimischen Industrie niedergeschlagen. Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ging zwar zurück, mit einem Minus von nur 0,3 Punkten lag der Indikator im April mit 46,6 Punkten dennoch über dem Durchschnittswert des ersten Quartals”, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Erneut wurde die Grenze von 50 Punkten, ab der Wachstum signalisiert wird, nicht erreicht. Angesichts der anstehenden Herausforderungen überrascht die weitgehend anhaltende Konsolidierung der Industriekonjunktur und spricht für die Resilienz der heimischen Produzenten.”

Die österreichische Industrie habe sich im April 2025 jedenfalls besser geschlagen als erwartet. „Trotz der Risiken durch die Kostenentwicklung sowie der Einführung bzw. Erhöhung von Zöllen durch die USA, immerhin die zweitwichtigste Exportdestination, zeigten sich die meisten Industriebetriebe in Österreich im April nicht allzu beunruhigt und scheinen eine abwartende Haltung einzunehmen. Obwohl der Zustrom in die Auftragsbücher nachließ, wurde der Produktionsrückgang deutlich zurückgeschraubt”, sagt Bruckbauer.
Nach einer Unterbrechung im Vormonat setzte sich die Verbesserung des Produktionsindex – er stieg auf 49,0 Punkte – im April wieder fort.

Es wird besser

Eine spürbare Erholung scheine laut Bruckbauer zwar weiter nicht in Sicht, doch die mittelfristigen Produktionserwartungen der Betriebe nährten die Hoffnung auf eine andauernde schrittweise Verbesserung der Industriekonjunktur im Jahresverlauf.

„Der Index für die Produktionserwartungen in den kommenden zwölf Monaten stieg nach dem Rückgang im Vormonat deutlich auf 55,9 Punkte, den höchsten Wert seit Sommer 2024”, betont Bruckbauer und ergänzt: „Die Sorgen über die schwache Nachfrage in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld und etwaige negative Folgen der US-Zollpolitik wurden durch die Hoffnung auf Rückenwind durch Investitionsprogramme in Europa, insbesondere in Deutschland, mehr als kompensiert.”

Kurz zum BIP

Laut ersten Wifo-Berechnungen stieg das Bruttoinlandsprodukt in Österreich im ersten Quartal 2025 real um 0,2% gegenüber der Vorperiode (Kennzahl laut Eurostat-Vorgabe). Damit zeigte sich, nachdem das BIP auf Quartalsbasis rund 2,5 Jahre stagnierte bzw. schrumpfte, erstmals wieder ein leichter Zuwachs.

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