Responsible AI als Schritt in die Zukunft
© Samrah Kazmi
Samrah Kazmi
MARKETING & MEDIA Redaktion 07.11.2025

Responsible AI als Schritt in die Zukunft

Samrah Kazmi, Chief Innovation Officer bei RESRG und Speakerin bei der kommenden Moving Forward Konferenz, im Interview mit medianet.

WIEN. Am 21. November versammelt sich die österreichische und internationale KI-Community in Wien zur Moving Forward Conference – der führenden Plattform für Artificial Intelligence & Future Skills. Unter dem Motto „AI x Human – The New Era of Synergy“ dreht sich alles um die zentrale Frage: Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz verantwortungsvoll, nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich gestaltet werden? Eines der Highlights der diesjährigen Konferenz ist die Keynote der New Yorkerin Samrah Kazmi, Chief Innovation Officer bei RESRG, Gründerin von Women in Sustainable Innovation und außerordentliche Professorin an der NYU. Kazmi gilt als führende Expertin für Unternehmens-KI, digitale Ethik und Innovationstransformation. Medianet bat Kazmi aus gegebenen Anlass zum Interview.

medianet: Was bedeutet „Responsible AI“ für Sie ganz konkret – und wo stehen wir weltweit auf diesem Weg?
Samrah Kazmi: Für mich ist „Responsible AI“ weit mehr als ein Policy-Framework oder eine Compliance-Checkliste – es ist eine Denkweise und ein Betriebsmodell. Es geht darum, Systeme zu entwickeln, die nicht nur intelligent, sondern auch intentionell sind. In der Praxis bedeutet das, ethische Überlegungen, Governance-Mechanismen und Risikomanagementprinzipien in jede Phase des KI-Lebenszyklus zu integrieren – von der Identifikation des Use Cases über die Datenerhebung bis hin zu Modellimplementierung und laufendem Monitoring.
Weltweit befinden wir uns noch in der Phase des Übergangs von Bewusstsein zu Umsetzung. Viele Organisationen haben die Bedeutung von verantwortungsvoller KI erkannt, aber nur wenige haben sie wirklich skaliert. Echter Fortschritt wird dann sichtbar, wenn Ethik nicht mehr als Einschränkung, sondern als Wettbewerbsvorteil verstanden wird – also dann, wenn Vertrauen zur Währung der KI-getriebenen Wertschöpfung wird.

medianet: Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine Innovation fördern – und gleichzeitig Angst und Widerstand abbauen?
Samrah Kazmi: Der Schlüssel liegt darin, KI nicht als Ersatz, sondern als Verstärkung menschlichen Potenzials zu begreifen. Ich spreche hier gern von einem Wandel von Artificial Intelligence zu Augmented Intelligence: Maschinen übernehmen das Wiederholbare, Analytische und Prognostische – während Menschen sich auf Kreativität, Urteilsvermögen und Empathie konzentrieren. Wenn Menschen KI als Partner statt als Bedrohung wahrnehmen, beschleunigt sich Innovation. Angst entsteht aus Intransparenz und Unsicherheit. Deshalb müssen wir Systeme schaffen, die erklärbar, transparent und partizipativ sind. Wenn Mitarbeitende in den Gestaltungsprozess einbezogen werden und erleben, wie KI ihre Arbeit bereichert, wird aus Widerstand Neugier – und aus Neugier Innovation.

medianet: Was dürfen die Besucherinnen und Besucher Ihrer Keynote auf der Moving Forward Conference erwarten?
Samrah Kazmi: Obwohl ich Zukunftsforscherin bin, ist Pragmatismus immer Teil meiner Botschaft.
Mein Vortrag „Collaborative Intelligence: Shaping AI Ecosystems for Human Empowerment“ zeigt, wie wir KI-Systeme gestalten können, die unsere Menschlichkeit verstärken, statt sie zu verdrängen. Das Publikum kann eine Mischung aus Praxisbeispielen, ethischen Denkanstößen und konkreten Frameworks erwarten, wie sich KI verantwortungsvoll in Wirtschaft und Gesellschaft integrieren lässt. Ich werde die Vorstellung infrage stellen, dass die Entwicklung von KI unausweichlich sei – und stattdessen argumentieren, dass wir Menschen immer noch die Gestaltungsmacht haben, die Zukunft aktiv zu formen. Wenn die Zuhörerinnen und Zuhörer eines mitnehmen sollen, dann das: Die Zukunft der KI dreht sich nicht darum, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, sondern darum, neu zu definieren, was Menschen erreichen können – wenn Maschinen mit uns arbeiten, nicht gegen uns.

medianet: Sie haben große Transformationen begleitet – von der 200-Milliarden-Dollar-Risiko-Umstrukturierung bei GE bis zur Übernahme der NYSE durch ICE. Welche Lehren daraus lassen sich auf die heutige KI-Revolution übertragen?
Samrah Kazmi: : Transformationen in dieser Größenordnung zeigen: Technologie allein verändert kein Unternehmen – Menschen und Purpose tun es. Bei GE haben wir gelernt, dass Risikotransformation nicht nur Modelle und Kontrollen betrifft, sondern Kultur, Anreize und Kommunikation. Dasselbe gilt heute für KI. KI-Transformation sollte nicht als Technologieprojekt, sondern als Neugestaltung des Geschäftsmodells verstanden werden. Sie erfordert eine enge Abstimmung zwischen Vorstand, Fachabteilungen und Regulierungsbehörden – unter einer gemeinsamen Vision von Vertrauen und Transparenz. Erfolgreich werden nicht jene Organisationen sein, die KI am schnellsten einführen, sondern jene, die sie am besten integrieren – verantwortungsvoll, nachhaltig und inklusiv.

medianet: Welche Mythen oder Missverständnisse prägen derzeit die öffentliche Debatte über Künstliche Intelligenz?
Samrah Kazmi: Es gibt viele, aber drei stechen hervor.
Erstens: die Vorstellung, dass KI autonom sei. Das ist sie nicht. Jeder Algorithmus spiegelt menschliche Entscheidungen wider – unsere Daten, unsere Vorurteile, unsere Prioritäten.
Zweitens: dass KI ein Allheilmittel für Effizienz sei. In Wirklichkeit kann sie ohne gute Governance und Integrationsdisziplin zusätzliche Komplexität und Risiken schaffen.
Und drittens: der Mythos, dass Ethik Innovation bremst. Ich sehe das Gegenteil: Ethik beschleunigt Innovation, weil sie Vertrauen schafft – bei Öffentlichkeit, Regulatoren und Stakeholdern.
Responsible AI ist nicht nur das moralisch Richtige, sondern auch eine kluge Geschäftsstrategie.

medianet: Wenn Sie die größte Herausforderung, die KI für die Menschheit mit sich bringt, in einem Satz zusammenfassen müssten – welcher wäre das?
Samrah Kazmi: Sicherzustellen, dass das Tempo des technologischen Fortschritts nicht das Wachstum unserer kollektiven Weisheit überholt. Wir müssen nicht nur in unseren Fähigkeiten, sondern auch in unserem Gewissen voranschreiten – denn die eigentliche Frage lautet nicht, ob KI etwas tun kann, sondern ob sie es tun sollte.

medianet: Europa gilt oft als Nachzügler gegenüber den USA, wenn es um die Einführung von KI geht. Stimmen Sie dem zu – oder könnte Europas Fokus auf Ethik langfristig sogar ein Vorteil sein?
Samrah Kazmi: Ich sehe Europas ethischen Fokus nicht als Nachteil, sondern als strategischen Vorteil.
Der europäische Ansatz, Transparenz, Datenschutz und Verantwortlichkeit zu betonen, schafft die Grundlage für vertrauenswürdige Innovation. Während die USA in Tempo und Skalierung führen, führt Europa in Standards und Verantwortungsbewusstsein. Langfristig, wenn KI in kritische Infrastrukturen und Entscheidungsprozesse eingebettet ist, werden jene Märkte im Vorteil sein, die auf Sicherheit, Erklärbarkeit und Fairness setzen – sie werden stärker und widerstandsfähiger hervorgehen. In gewisser Weise ist Europa also nicht im Rückstand – es baut gerade die Leitplanken, von denen der Rest der Welt bald merken wird, dass er sie dringend braucht.

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