Der weltweite Wandel in der Automobilindustrie ist unumkehrbar und wird sich in den kommenden Jahren weiter rasant beschleunigen”, betont Automotive-Expertin Gundula Pally, Managing Partner Roland Berger Österreich. „Dieses hohe Tempo wird für zahlreiche Unternehmen eine Herausforderung darstellen. Dennoch ist Pessimismus nicht angebracht. Denn der Umbruch eröffnet neue Chancen, die jene Marktteilnehmer nutzen können, die sich vorausschauend auf die kommenden Veränderungen einstellen und strategisch klug positionieren.”
Wandel mit vier großen Trends
Um die Treiber dieser Entwicklung herauszuarbeiten und Szenarien für die Zukunft zu entwerfen, hat Roland Berger eine eingehende Analyse der Branche und ihrer Märkte durchgeführt und im „Automotive Outlook 2040” zu einem Gesamtbild zusammengeführt. Dabei treten vier zentrale Trends hervor, die den Wandel bis 2040 prägen werden: Polarisierung, Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung.
Die Polarisierung zeigt sich besonders an den Neuwagenverkäufen: In den westlichen Märkten – also Europa, USA und Kanada – hat deren Zahl den Höhepunkt („Peak Auto”) bereits erreicht und teilweise schon überschritten. Dementsprechend werden diese Märkte voraussichtlich stagnieren beziehungsweise leicht schrumpfen.
Sie bieten aber angesichts ihrer Größe immer noch ein erhebliches absolutes Wachstum, das die Roland Berger-Experten auf 520 Mrd. € im Zeitraum bis 2040 schätzen.
Globales Wachstum
Eine starke Zunahme der Neuzulassungen wird es demnach in China (+1,2% pro Jahr), Indien (+4,2%), Süd- und Mittelamerika (+2,4%) sowie anderen Ländern des globalen Südens geben. In absoluten Zahlen wachsen die Einnahmen in China im Zeitraum bis 2040 mit rund 590 Mrd. € am stärksten. Die Märkte im globalen Süden steigern ihren Umsatz um rund 480 Mrd. €.
Insgesamt wächst das weltweite Verkaufsvolumen der Studie zufolge zwischen 2025 und 2040 um durchschnittlich 1,1% pro Jahr (nach 2,4% in 2010 bis 2019).
„Shared Mobility” kein Faktor
Ein Faktor, der entgegen früheren Prognosen nur geringen Einfluss auf die weltweiten Fahrzeugverkäufe haben dürfte, sind geteilte Mobilitätslösungen („Shared Mobility”). Nach Ansicht der Roland Berger-Experten wird deren Nutzung zwar weiter zunehmen, aber nicht in dem bisher erwarteten Tempo und zudem nur in Ballungsräumen.
Da in diesen nur rund zehn Prozent der Fahrstrecken zurückgelegt werden und geteilte Mobilität die private Autonutzung häufig nicht ersetzt, sondern ergänzt, bleibt sie somit ein untergeordneter Faktor für die Entwicklung der Automobilindustrie.
Dagegen dürfte der Trend zu Elektrofahrzeugen unumkehrbar sein. Weltweit wächst die Zahl der rein elektrischen Pkw schnell, und für 2040 gehen die Roland Berger-Experten je nach Szenario von einem Anteil an den Neuwagen zwischen 64 und 71% aus.
Dazu kommen 20% Hybride, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe dürften kaum eine Rolle spielen.
Tiefgreifende Veränderungen
„Die Elektrifizierung verändert das Kräfteverhältnis in der Automobilbranche grundlegend – nicht nur, weil die Abhängigkeit von China in Bezug auf Rohstoffe zunimmt”, erklärt Gundula Pally. „Wir sehen tiefgreifende strukturelle Verschiebungen innerhalb der Komponentenbereiche, entlang der Lieferketten und in den Zielmärkten. Der Rückgang bei Komponenten für Verbrennungsmotoren wird durch das Wachstum bei Elektroantrieben und Batterien sowie durch den steigenden Bedarf an Elektronik sowie Komponenten für Assistenzsysteme und Automatisierung ausgeglichen.”
Insgesamt werde der weltweite Umsatz für Zulieferer bis 2040 um 3,4% pro Jahr wachsen.
Chinas Zulieferer wachsen
Im Zuge der zunehmenden Konnektivität werden zudem bis 2040 fast alle Neuwagen auf dem Konzept des „Software-defined Vehicle” basieren, bei dem das Fahrzeug um die Softwareplattform herum gebaut wird und nicht umgekehrt.
„All diese Entwicklungen verändern den Bedarf an Komponenten, schaffen neue Geschäftsmodelle und verstärken somit die Verschiebungen in der Branche”, führt Pally aus. „Wir erwarten, dass die Zahl der europäischen Zulieferer unter den weltweiten Top 20 bis 2040 von derzeit sieben auf fünf sinken wird. Die Zahl der chinesischen Anbieter in diesem Ranking könnte von zwei auf sechs steigen. Auch der weltgrößte Zulieferer wird im Jahr 2040 nicht mehr in Europa, sondern in China beheimatet sein.” (red)