What’s App: der ­Fakten-Check
© APA/EPA/Alberto Estevez
TECHNOLOGY 09.10.2015

What’s App: der ­Fakten-Check

Warum der zu Facebook gehörende Instant ­Messaging-Gigant zur sinnvollen Option im digitalen Marketing-Mix wird.

••• Von Björn Tantau

Wie viele WhatsApp- Nachrichten haben Sie heute schon bekommen? WhatsApp hat allein in Deutschland mehr User als Facebook – was Facebook nicht sehr stört, denn WhatsApp gehört zu Facebook. Es ist schon eine Weile her, dass Facebook den Instant Messenger für 19 Milliarden USD kaufte, und es steht zu vermuten, dass es mit der Zeit ähnlich vorgehen wird, wie das bei Instagram der Fall war. Auch WhatsApp wird in Zukunft mit Sicherheit innerhalb des Facebook-Universums monetarisiert werden – bis es aber so weit ist, mache ich in diesem Artikel den ultimativen Faktencheck. Wie gut kennen Sie sich mit WhatsApp aus?

Richtige Zeit, richtiger Ort

WhatsApp wurde 2009 von den ehemaligen Yahoo-Mitarbeitern Jan Koum und Brian ­Acton gegründet. Lustige Geschichte am Rande: Sowohl Facebook als auch Twitter hatten die Chance, Koum und Acton einzustellen – beide hatten sich bei genau diesen großen Playern beworben. Zum Glück (aus heutiger Sicht) klappte das nicht, sodass die Entwicklung von WhatsApp ihren (beeindruckenden) Lauf nahm. Jan Koum hatte schon früh erkannt, dass es in Zukunft in den unterschiedlichen App Stores richtig abgehen würde – aus seiner Sicht ein optimales Umfeld für eine Instant Messaging App, mit der sich die User untereinander direkt via Smartphone austauschen können. Wichtig: 2009 war das iPhone erst seit zwei Jahren auf dem Markt – insofern hatte Koum definitiv den richtigen Riecher für künftige Entwicklungen. Der Name „WhatsApp” stammt von Koum selbst – und in der Tat hat die App ihren Namen von der Frage „Whats up?”, denn genau diese Frage fiel ihm sofort ein, als er über einen passenden Namen nachdachte. Nachvollziehbar, denn schließlich beantwortet WhatsApp die Frage „Was ist los?”, indem man selbst erfährt, was bei den eigenen Freunden und Kontakten aktuell los ist. Dass dieses System funktioniert, sieht man an den 800 Mio. Nutzern, die WhatsApp derzeit aktiv nutzen – Tendenz steigend.

„No Ads! No Games! No Gimmicks!”

Wo die Gründer von WhatsApp als Angestellte bei Facebook keine Chance auf einen Job hatten, überzeugten sie letztendlich mit ihrem Produkt. Die Bombe platzte 2014: Damals kaufte Facebook WhatsApp für schlappe 19 Mrd. USD. Böse Zungen behaupten, dass der Kauf eine Kurzschlussreaktion auf die Abfuhr von Snapchat war, die Facebook kassierte – viele wissen aber auch nicht, dass Google ebenso an WhatsApp interessiert war, aber „nur” 10 Mrd. USD auf den Tisch legen wollte. Für WhatsApp so oder so ein hervorragender Deal, denn Koum und Acton hatten selbst keinen müden Cent für die Vermarktung von WhatsApp ausgegeben. Ihr Motto war einfach: „No Ads! No Games! No Gimmicks!” – und dieser minimalistische Ansatz überzeugte letztlich auch die User des Messengers. Übrigens wurde der Deal zwischen Facebook und WhatsApp am Valentinstag 2014 eingetütet – eine echte „Hochzeit aus Liebe” also … Bleibt die Frage offen, wie WhatsApp überhaupt Geld verdient. Das einzige Mittel zu Monetarisierung ist ein „Mitgliedsbeitrag”: Das erste Jahr der Nutzung ist gratis, danach werden 99 US Cent fällig – auf den ersten Blick nicht viel, doch bei mehr als 800 Mio. Usern kommt ein nettes Sümmchen zusammen.

30 Milliarden Nachrichten Pro Tag

Im Schnitt werden täglich 30 Mrd. Nachrichten via WhatsApp verschickt und empfangen. Bei 800 Mio. Nutzern macht das fast 38 Nachrichten pro User: Ein extrem deutlicher Beweis dafür, dass WhatsApp wirklich sehr stark frequentiert wird – und pro Tag gewinnt WhatsApp im Schnitt eine Mio. neue User dazu. 72% der Nutzer checken ihren WhatsApp-Account mindestens einmal täglich, und ebenfalls täglich werden 700 Mio. Fotos geteilt.

Apropos Fotos: WhatsApp ist „verantwortlich” für 27% aller Selfies, die im Internet geteilt werden. Nachvollziehbar, dass die Nutzungsdauer entsprechend hoch ist – insgesamt 195 Minuten verbringen die User im Schnitt pro Woche mit WhatsApp. Doch nicht nur Fotos sind auf WhatsApp beliebt: 100 Mio. Videonachrichten werden jeden Tag geteilt. Und weil WhatsApp in der Regel automatisch Bescheid gibt, wenn es eine neue Nachricht gibt, wird das Smartphone entsprechend oft gezückt: Im Schnitt checkt jeder User WhatsApp satte 23 Mal am Tag.

Rasantes Wachstum, extreme Userbindung

WhatsApp hat sich schnell über die ganze Welt verbreitet. So sind 84% aller Einwohner von Argentinien mit Internetzugang via Smartphone gleichzeitig aktive User von WhatsApp. Ähnlich in Italien: Dort nutzen 81% aller iPhone-User WhatsApp. Mehr als 70 Mio. Menschen in Indien vertrauen auf WhatsApp, und in Irland beherrscht WhatsApp den Markt der Social Messenger mit einem Anteil von 31%. Fast zehn Prozent der 14- bis 17-Jährigen in den USA nutzen WhatsApp jeden Tag, und in Indonesien vertrauen 57% der Smartphone-User Fans auf WhatsApp.

All diese Zahlen könnten vielleicht sogar noch größer sein, hätte WhatsApp in den vergangenen Jahren nicht einige Sicherheitsprobleme gehabt, die Aufsehen erregten: 2011 gab es ein Sicherheitsleck, und wegen fehlender Verschlüsselungen war es für Hacker möglich, fremde Nachrichten zu lesen und Userdaten zu erbeuten. 2012 flog der Messenger erst aus dem App Store von Apple, 2014 dann aus dem von Windows – in beiden Fällen gab es „Sicherheitsprobleme”, die allerdings schnell behoben wurden, sodass die App schon nach wenigen Tagen wieder im jeweiligen App Stores gelistet wurde.

Die neue Cashcow von Facebook?

Kurios: Wenige Tage nach dem Kauf durch Facebook war WhatsApp 2014 für einige Stunden nicht erreichbar. Viele spekulierten, dass Mark Zuckerberg kurzerhand den Stecker gezogen hätte, um die Konkurrenz für den Facebook Messenger aus dem Weg zu räumen. Seit dieser Downtime läuft WhatsApp allerdings relativ zuverlässig – und selbstverständlich hatte man bei Facebook nicht den Stecker gezogen, WhatsApp hatte einfach nur technische Probleme! Eine solche Aktion wäre von Facebook auch mehr als fahrlässig, denn selbst wenn man den eigenen Messenger gegenüber WhatsApp bevorzugen wollte, dann würde man sich in Menlo Park deutlich intelligentere Lösungen einfallen lassen.

Um vorherzusehen, was Facebook mit WhatsApp vorhaben könnte, reicht ein Blick auf Instagram. Facebook hatte Instagram 2012 gekauft, und erst 2015 wurde die ernsthafte Monetarisierung der Plattform mittels Werbung in Angriff genommen. WhatsApp gehört seit 2014 zu Facebook – so gesehen ist noch genug Zeit, um sinnvolle Möglichkeiten zu entwickeln, wie sich mit WhatsApp viel Geld verdienen lässt, und Instagram ist durchaus als Vorbild bei der Strategie zu ­sehen.

Quasi 100%ige Sicherheit auf Smartphones

Die Zahlen sprechen in jedem Fall eine eindeutige Sprache: WhatsApp hat eine sehr große Reichweite und kann eine mehr als starke Nutzerbindung vorweisen – beste ­Voraussetzungen also, WhatsApp nicht nur als Messenger im privaten Bereich zu nutzen, sondern nach Möglichkeiten zu suchen, um WhatsApp auch im Internet Marketing erfolgreich einzusetzen. Eine logische Option ist der Einsatz von WhatsApp als Newsletter, denn dafür sprechen gleich mehrere Punkte. So ist WhatsApp anders als der klassische Newsletter per E-Mail viel sichtbarer, denn die meisten User haben WhatsApp so eingestellt, dass neue Nachrichten sofort angezeigt werden – das geht natürlich auch bei einer E-Mail, aber WhatsApp hat keinen Spamfilter, wie man ihn vom klassischen E-Mail-Marketing kennt. Jede neue Nachricht via WhatsApp landet sofort auf dem Smartphone, womit es möglich ist, die User eines eigenen WhatsApp Newsletters immer und überall zu erreichen. Die Sichtbarkeit von auf diesem Weg verschickten Nachrichten liegt nahe 100%, eben weil eine WhatsApp Message fast immer (zumindest auszugsweise) auf dem Startbildschirm des Smartphones sofort nach dem Empfang angezeigt wird – selbst wenn das Smartphone im Ruhemodus ist –, und auch die Klickraten können sich sehen lassen, sofern die Nachrichten entsprechend gut getextet sind und neugierig machen.

Das Fazit

WhatsApp wird mit diesen Möglichkeiten zu einer weiteren sinnvollen Option im digitalen Marketing-Mix. Wer es schafft, seine Zielgruppe zum Beispiel für einen eigenen WhatsApp Newsletter zu begeistern, kann seine Reichweite steigern und sein Publikum definitiv vergrößern. Im Idealfall gehört zu einem WhatsApp Newsletter auch eine spezielle Incentivierung, wie zum Beispiel ein White Paper oder ein themenrelevantes eBook, das neue Abonnenten downloaden können, wenn sie sich für den Newsletter angemeldet haben.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL