Wir sind immer noch dieselben Affen
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CAREER NETWORK Redaktion 20.05.2022

Wir sind immer noch dieselben Affen

Gregor Fauma ist Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe. Sein USP am Trainermarkt ist die Wissenschaftlichkeit.

••• Von Sabine Bretschneider

WIEN. Hallo, Chef! – Die Biologie des Grüßens” – in dieser launigen Keynote wird der Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Gregor Fauma am HR Inside Summit (Summer Edition, 28.–29. Juni) die Mechanismen des Grüßens beschreiben: Wer muss im Unternehmen eigentlich wen grüßen, was hat das mit dem Militär zu tun und wieso gibt es dafür sogar ein klares Reglement? Damit – und mit viel Humor – hinterfragt Fauma alltägliche, zwischenmenschliche Rituale am Arbeitsplatz.

medianet hat mit Gregor Fauma im Vorfeld des Kongresses ein Gespräch geführt.

medianet: Sie sind Verhaltensbiologe und lehren an der Anthropologie in Wien. Sie sind außerdem Kommunikationstrainer und Systemischer Business-Coach, wurden zum ‚Trainer des Jahres 2018' gewählt, haben internationale Speakerpreise gewonnen – eine interessante Mischung. Wie hat das eine zum anderen geführt?
Gregor Fauma: An der Universität hatte ich die Möglichkeit, das Verhalten der Menschen wissenschaftlich analysieren zu lernen. Als Verhaltensbiologe hast du einen anderen Blick auf deine Mitmenschen und verstehst, warum sie sich so verhalten, wie sie es zeigen. Und diese Fähigkeiten konnte ich als Trainer sofort eins zu eins umsetzen. Mein USP am Trainermarkt war die Wissenschaftlichkeit. Evidence based, das sind meine Inhalte.

Sehr viele meiner Kollegen haben damals ziemlichen Holler in den Trainings erzählt; davon wollte ich mich distanzieren. Und man mag es nicht glauben, aber selbst ein simples Powerpoint-Design kann gegen die Biologie arbeiten – wissen muss man es halt. Aber auch Themen wie Aufmerksamkeit vor einer Gruppe erzielen, Glaubwürdigkeit attestiert bekommen, über die Wirkkraft von bewusst gesetzter Gestik und Mimik Bescheid zu wissen – das alles ist wissenschaftlich top untersucht und lehrbar.
Ich habe bei HPS (Hierhold Presentation Services, Anm.) und bettertogether den Beruf des Präsentations-, Rede- und Medientrainer von der Pike auf gelernt und die beiden Welten, Trainings und Wissenschaft, zusammengeführt. Denn wer verstanden hat, wie Dominanzverhalten, Territorialität und Leadership evolutionsbiologisch zusammenhängen, wie sich das in der Rhetorik und der Körpersprache äußert, wie auch in den Slides übrigens, hat natürlich in seiner sozialen Umgebung einen Vorsprung – das war und ist mein USP am Trainermarkt.
Die Speakerkarriere war nur eine logische Konsequenz dessen – ich spreche einfach unglaublich gerne über uns Menschen –, und viele wollen das hören. Und da ich jahrelang Menschen für Reden ausgebildet habe, habe ich mir gedacht ‚Machst das einfach einmal selber'. Und siehe da – die Nachfrage ist enorm.

medianet: Ihr Buch heißt ‚Unter Affen – warum das Büro ein Dschungel ist'. Ist es so? Ist der Arbeitsplatz ein Urwald? Und benimmt sich der Mensch, als offizielles Mitglied der Trockennasenprimaten, abseits von Sprache und Bürokleidung nicht viel anders als Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen …?
Fauma: Ja, leider – wir sind immer noch dieselben Affen. Womöglich einen Tick hygienischer, aber in den basalen Verhaltensmustern machen wir es nicht viel anders als unsere haarigen Mitaffen am Planeten.

Das fängt bei der Parkplatz-Zuordnung vor dem Konzerngebäude an und kulminiert in der Betriebskantine. Rang wird demonstriert, Macht ausgeübt, Ränke werden geschmiedet, Sexualpartnerinnen und Sexualpartner gemustert und subtil am Partnermarkt umworben. Wir sind deutlich affiger, als man es glauben mag.

medianet: Haben Sie sich dabei von Desmond Morris’ Klassiker ‚Der nackte Affe' inspirieren lassen?
Fauma: Bestimmt sogar. Ich habe das Buch auf italienisch gelesen, als ich in Rom studiert habe. Mein erster Superstar war natürlich Konrad Lorenz, ich bewunderte Irenäus Eibl-Eibesfeldt und hing an den Lippen von Otto König und Heinz Sielmann.

Ich kann mich an manchen Tieren nicht sattsehen – und an erster Stelle stehen da immer noch die Menschen. Deshalb ist mir unter Menschen nie fad – es gibt immer etwas zu beobachten und zu analysieren.

medianet: Sie coachen Top-Manager und -Politiker. Schlagen die sich besonders erfolgreich im Dschungel-Ambiente?
Fauma: Auf jeden Fall. Es braucht schon sehr viel soziale Intelligenz, um jene Netzwerke bedienen zu können, die einen für eine gewisse Zeit nach oben spülen.

Der große Unterschied in Sachen Rhetorik ist jener, dass man von den Politikerinnen und Politikern irrtümlich annimmt, sie seien die rhetorische Elite des Landes – ein reines Vorurteil! Die wirklich guten Redner, Präsentatoren und Gesprächspartner in Interviews kommen in der Regel aus der Privatwirtschaft oder aus den Interessenvertretungen.
Die Politiker repräsentieren Österreich in seiner gesamten Breite recht gut, das passt schon. Aber wirklich gut sind nur ganz wenige, und die stehen auch nicht immer in der ersten Reihe.

medianet: Welche Schlüsse dürfen wir daraus ziehen – für das eigene berufliche Fortkommen? Schluss mit der feinen Klinge im Büro?
Fauma: Das Fazit ist klar: Wir verdienen uns den Zusatz ‚sapiens' nur dann im Namen, wenn wir entsprechend weise, einsichtig und klug handeln. Und das erreicht man durch Impulskontrolle. Wer seinen ersten Impulsen nachgibt, schwingt sich noch von Ast zu Ast.

Wer es schafft, innere Impulse zwar zu spüren, aber noch Restkognition für eine Reflexion übrig hat, kann klügere, weisere Entscheidungen treffen – das wäre der wichtigste Schritt weg von den anderen Primaten, hin zum Homo sapiens.
Wie das gelingt? Ganz einfach: Mindestens zehn Stunden Selbsterfahrung bei drei bis vier unterschiedlichen Psychotherapeuten und Coaches buchen – und schon ist man dabei am Weg in die Zukunft.

medianet: Ihre Keynote betitelt sich ‚Hallo, Chef! – Die Biologie des Grüßens'. Würden Sie uns dazu schon etwas mehr ver-raten?
Fauma: Naja, wir haben das Grüßen ja nicht erfunden. Hundehalter wissen das, mitunter peinlich berührt. Ich nehme das Publikum mit auf eine Reise zu den anderen Wirbeltieren, wir schauen uns dann Grußrituale bei traditionellen Stammeskulturen an – und wundern und gemeinsam, was davon immer noch übrig ist. Der Vortrag kulmiert dann im Absurden, in einer Grußordnung eines Konzerns.

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