Drei Jahrzehnte nach dem EU-Beitritt ist Europa für die Tourismusschulen Modul, eine Privatschule der Wirtschaftskammer Wien, ein Bildungsraum ohne Grenzen. Mit Erasmus+, dem Bildungsprogramm der Europäischen Union, werden Auslandsaufenthalte wie etwa Praktika unterstützt. Im Jahr 2025 nutzten bereits 40 Modul-Schüler das EU-Programm, um Sommerpraktika in ganz Europa, von der Ostsee bis nach Barcelona, zu absolvieren.
Die Ergebnisse sind wertvolle Berufserfahrung, das Erlernen von Sprachen, neue Kontakte und ein kräftiger Schub für die spätere Karriere im Tourismus. Modul-Direktor Werner Schnabl unterstreicht im medianet-Interview die Bedeutung von internationalen Programme, die Benefits für Schüler und das ungebrochen große Interesse von Jugendlichen am Tourismus-Geschäft.
medianet: 30 Jahre Österreich in der EU – können Sie einen kurzen Überblick geben, was das für die Ausbildung an den Tourismusschulen Modul bedeutet?
Werner Schnabl: Der Tourismus ist ein Bereich, der ohne internationale Kooperation nicht funktioniert. Das Thema EU ist in unserer Ausbildung in der Form von Wirtschaftskontakten präsent und wir sind regelmäßig mit internationalen Ausbildungsstätten in Kontakt. Dazu gehören Austauschprogramme, bei denen wir Schüler aus dem Ausland bei uns begrüßen dürfen und unsere Auszubildenden internationale Erfahrungen sammeln. Das wird auch durch das Förderprogramm Erasmus+ ermöglicht, erleichtert und finanziell unterstützt. Diese Entwicklung hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, was ich für essenziell und großartig empfinde. Das Schulleitungsteam und ich sind deshalb sehr interessiert daran, dass die Jugendlichen Praktika im Ausland absolvieren. Unser Schultyp erfordert dreimalige Praktika mit einer Dauer von insgesamt acht Monaten. Wenn eines davon im Ausland verbracht wird, gewinnen die jungen Menschen sensationelle Einblicke. Die arbeitsrechtliche Situation von Praktikanten ist europaweit nicht einheitlich geregelt und es gibt Länder, in denen sie nicht entlohnt werden. Wenn wir das mit Erasmus+ fördern, erhalten die Praktikanten ein Taggeld und Unterstützung bei Reise- und Aufenthaltskosten. Im vergangenen Jahr haben 40 unserer Schüler ein solches Auslandspraktikum absolviert.
medianet: In Österreich gibt es hervorragende Tourismusschulen, doch die Absolventen bleiben selten im Land. Können Sie das auch beobachten?
Schnabl: Ich bin der Meinung, dass eine internationale Karrierestation wichtig ist. Auch wenn unsere Absolventen einige Zeit im Ausland verbringen, kommen sie irgendwann wieder zurück. Sie verfügen dann über eine hochqualitative Ausbildung in Österreich mit Erfahrung ‚on the job‘ im Ausland mit Sprach- und Kulturkenntnissen. Sie lernen andere Lebensweisen kennen. Davon profitiert die heimische Tourismusindustrie.
medianet: Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die Ihre Schüler durch das Erasmus-Programm gewinnen?
Schnabl: Man muss hier zwischen der Persönlichkeitsentwicklung, in der enorm viel passiert, und der Erkenntnis, dass im Ausland auch Menschen leben, die ebenfalls mit Freude und friedlich durchs Leben gehen wollen, unterscheiden. Damit wird zum Teil vermieden, dass Jugendliche hetzerischen Medien glauben. Und natürlich sammeln sie fachliche Erfahrung, etwa wie ein riesiges Hotel in Spanien funktioniert. Diese Bettenburgen und große Konzernbetriebe in der Ferienhotellerie gibt es in Österreich ja nicht.
medianet: Es gibt die Erzählung, dass Praktikanten oft nur als bessere Putzkräfte eingesetzt werden. Stimmt das?
Schnabl: Es gibt unzählige tolle Betriebe mit großartigen Führungskräften und Mitarbeitern. Mein Dank geht an die Tourismuswirtschaft, die mit den jungen Menschen hochprofessionell arbeitet. Ein Praktikum unterliegt einem Arbeitsvertrag und muss über einen Ausbildungsinhalt verfügen. Das verstehen auch alle und ich lasse mir das System nicht durch ein paar schwarze Schafe schlechtreden. Die Mehrzahl der Betriebe sind wichtige Partner. Aber natürlich müssen unsere Schüler schon einmal ihre Komfortzone verlassen.
medianet: Praktikanten sollten durchaus ab und zu putzen?
Schnabl: Ein Praktikantenvertrag wird zwischen den Erziehungsberechtigten und dem jeweiligen Betrieb geschlossen. In ihm sind Tätigkeitsbereiche festgeschrieben. Wenn der Tätigkeitsbereich die Küche ist, wird vermutlich eine gewisse Grundreinigung dazugehören. Bei einer Stelle im Sales und Marketing-Bereich ist Putzen nicht Teil der Ausbildung.
medianet: Ist es schon passiert, dass Praktikanten von Betrieben abgeworben werden und die Schule abbrechen?
Schnabl: Das ist bereits vorgekommen und nicht auf das Ausland beschränkt. Das passiert auch bei Schülern, die in Österreich ein Praktikum absolvieren.
medianet: Wie profitieren Ihre Lehrkräfte vom Erasmus-Programm?
Schnabl: Seit es das Erasmus-Programm gibt, sind Bildungsangebote für Lehrkräfte ebenfalls vorgesehen. Das ist vergleichbar mit einem Seminarbesuch. Dabei handelt es sich um mehrtägige Aufenthalte in Schulen im Ausland. Auch hier werden Reisekosten und der Aufenthalt durch Erasmus+ finanziert.
medianet: Der Tourismus klagt über Fachkräftemangel. Erkennen Sie einen Rückgang des Interesses bei Jugendlichen und bei der Anzahl an Schülern?
Schnabl: Nein. Wir sehen sogar ein steigendes Interesse. Jahrelang haben wir mit einhundert Schülern in drei ersten Klassen das Schuljahr begonnen, heuer haben wir eine vierte erste Klasse eröffnet. Trotzdem sind wir noch um mehr als 50 Prozent überbucht. Man muss dazusagen, dass unsere Absolventen meist nicht in der Küche oder im Service arbeiten, sondern sie machen Karriere in Sales und Marketing, in Human Resources, im Finanzbereich, der Projektentwicklung, bei WienTourismus oder bei Verkehrsbetrieben.
medianet: Das alte Motto ‚Arbeiten, wo andere den Urlaub verbringen‘ ist heute kein Argument mehr?
Schnabl: Für jene, die international Karriere machen, gilt das vielleicht. Die meisten unserer Absolventen übernehmen Verantwortung in modernen Büro- und Managementfunktionen.
