Rund um die individuelle Mobilität fühlen sich sehr viele Autofahrer angesichts der Ansichten oft ziemlich extremer Auto-Gegner, die praktisch nur Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel gelten lassen wollen, zunehmend bevormundet und eingeschränkt.
Dass sowohl Verbrauch wie auch Emissionen in den vergangenen Jahren durch technische Weiterentwicklungen signifikant gesenkt werden konnten, scheint für diese Populisten nicht zu gelten – genauso wenig wie die Tatsache, dass alternative Antriebe immer stärker im allgemeinen Bewusstsein „angekommen” sind und das in den kommenden Jahren noch stärker tun werden. Autohändler – und somit diejenigen, die für und auch vom Auto leben – entwickeln sich damit immer weiter von Verkäufern zu Mobilitätsberatern. Sie informieren über Vor- und Nachteile der unterschiedlichsten Antriebe und wissen ebenso über verschiedenste Finanzierungsmöglichkeiten Bescheid.
Die Top-Experten-Runde war darüber einig, dass es gilt, dem Anti-Auto-Lobbying gezielt entgegenzutreten und diverse Vorurteile gegen das Automobil zu widerlegen.
Unter der Gesprächsleitung von medianet-Herausgeber Oliver Jonke wurden konkrete Lösungsansätze und auch notwendige Wünsche an Gesellschaft und Politik dargestellt, die das Meinungsklima und das soziologische Umfeld zur Automotive-Situation deutlich verbessern können.
Zum Thema „Klimaziele”
Als Sprecher der Automobilimporteure weist Günther Kerle darauf hin, dass die ambitionierten Klimaziele (Stichwort: 95g CO2/km bis 2020) womöglich nicht mehr erreicht werden.
„Dann drohen hohe Strafzahlungen oder es kommt zum worst Szenario, dass sich einige nicht-europäische Automobilhersteller zurückziehen müssen, da die Vorgaben an sie zu extrem sind bzw. der Markt in Europa für sie nicht mehr so wichtig ist, weil sich die Präsenz nicht mehr rentiert.”
Die CO2-Vorgaben wären insofern ok, um die Ingenieure zu motivieren, Autos umweltschonender herzustellen bzw. den Verbrennungsmotor zu verbessern. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen schaffen, die Umsetzung muss der Industrie überlassen bleiben.
E-Autos werden eine sehr große Rolle spielen, aber in naher Zukunft wohl eher in urbanen Gebieten. Weiters darf auch auf Wasserstoff- und Erdgasfahrzeuge nicht vergessen werden. Insgesamt ist zu erwarten, dass das Spektrum an Antriebsarten in Zukunft wesentlich breiter sein wird, als wir es derzeit gewohnt sind.
„Wichtig sind daher klare Verhältnisse für die Besitzer von Diesel-Pkws und Kombis, dass es keine spezifischen Fahrverbote für diese Fahrzeugkategorie gibt”, fordert Josef Schirak, Vorsitzender des Fachausschusses „Einzelhandel im Bundesgremium des Fahrzeughandels” in der Wirtschaftskammer Österreich.
„Gott sei Dank hat die Politik diesbezüglich Verständnis gezeigt.”
Mobilitätsexperte Händler
„Für uns Händler ist absolut unklar, wo es in Zukunft hingeht, wie wir Geld verdienen können und wie unser Geschäftsmodell in Zukunft aussieht”, kritisiert VÖK-Obmann Stefan Hutschinski.
„Dabei haben wir Händler die jahrelange Beziehung zu unseren Kunden. Wir sind die Ersten, wo der Kunde Beratung und Hilfe sucht. Unsere Aufgabe ist es, die Kunden – trotz derzeit verwirrender Meldungen – richtig zu beraten!”
Als Beispiele führt Hutschinski die folgenden an: „Ein E-Auto ist für Ihre gewünschte Reichweite nicht zu empfehlen.” Oder: „Wenn Sie umweltschonend fahren möchten, ist ein Kleinwagen mit modernem, sparsamen Benzin- oder Dieselmotor derzeit noch immer die beste Empfehlung!”
Das Vertrauen zwischen Händler und Kunden sorgt laut Hutschinski für den derzeit noch ungebrochenen Erfolg seiner Branche. „Aber durch den großen Druck mancher politischer Fehlentscheidungen wie Fahrverbote, etc. wird es immer schwieriger!”
„Man sollte über flächendeckende Förderungen für die Anschaffung sowohl von Neu- als auch von Gebrauchtfahrzeugen, egal welcher Antriebsart, reden”, schlägt Schirak vor.
Bundesgremialobmann Klaus Edelsbrunner sieht die Aufgabe des Fahrzeughandels darin, „gemeinsam mit den Kunden für deren Bedürfnisse das genau richtige Fahrzeug auszuwählen – sei es jetzt konventioneller Antrieb, Hybrid oder Elektrofahrzeug.”
Zum Thema „Versicherung”
„Wir als Versicherer können dazu beitragen, dass das eine oder andere ältere Fahrzeug früher ersetzt werden kann”, meint Kurt Molterer, Vorsitzender des Vorstands der Nürnberger Versicherung AG Österreich.
„Bei Autos mit alternativen Antrieben könnten wir zusätzliche Rabatte gewähren – ebenso wenn ein Fahrzeug schon ein bestimmtes Alter aufweist und sich ein Kunde ein neues Fahrzeug mit deutlich reduzierten Werten anschafft.” Es sollten jedoch Industrie, Technik und Handel gemeinsam auftreten und die Fakten richtig und vollständig präsentieren, hofft Molterer.
Moderator Oliver Jonke fragt nach dem Unterschied zwischen Besitz- und Vermietmodell. Beim Vermieten ist das Risiko laut Molterer deutlich höher, weil das Fahrzeug im Tagesschnitt viel länger verwendet wird. „Die Personen fahren eine Spur unsicherer, weil sie die Autos nicht so gut kennen.” Es sei eine Frage der Breite: Wie viele versicherte Risiken hat man, wie gleicht sich das über die kalkulatorische Menge wieder aus? Molterer: „Ich denke, der Handel ist der Experte und es wäre schön, wenn der Konsument zuallererst eine Frage zur Mobilität hat, egal zu welchem Detail.”
Zur Sprache kommen dann die Full Service-Pakete, die es ja bei den Betrieben schon länger gibt, z.B. mit Winterreifen oder Operating Leasing. Diese werden jedoch noch nicht richtig angenommen.
Hutschinski verweist auf die unterschiedlichen Bedürfnisse im ländlichen und städtischen Bereich sowie auf neue Lebenssituationen wie z.B. Familiengründungen. „Es gibt viele Momente, wo das Automobil unverzichtbar ist und immer gefragt sein wird.”
„Das ist in unserer Branche eine absolute Haftungsfrage, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen eben nicht existieren”, pflichtet Molterer bei. „In Österreich ist der Versicherungsnehmer versichert, nicht das Auto …”
Into the Future
Moderator Jonke fragt, welche Verkehrskonzepte wirklich sinnvoll sein könnten, beispielsweise, wie wichtig es in Zukunft sein wird, den öffentlichen Nahverkehr sicherzustellen, ohne ihn gegen die individuelle Mobilität auszuspielen (bzw. vice versa)?
Kerle: „In Zukunft brauchen wir intelligente, stark vernetzte und integrierte Verkehrskonzepte. Jedes Verkehrsmittel hat seine Berechtigung und sollte entsprechend zum Einsatz kommen. Es darf keine Benachteiligung eines Verkehrsträgers geben – ein sinnvolles Nebeneinander ist das Ziel.”
Hutschinski bestätigt die „Wiener Misere” vollinhaltlich: „Es wird nur demotiviert, statt zu optimieren oder öffentlich vernünftig auszubauen. Man muss den Verkehr fließen lassen, dann werden auch weniger Abgase und Schadstoffe produziert! Aber dieser Gedanke ist noch nicht angekommen, und ich habe den Eindruck, dass so manche Politiker in der Bundeshauptstadt gar nicht wollen, dass sich etwas bewegt.”
Die Expertenrunde weist darauf hin, dass eine Zugfahrt von Wien ins Burgenland teurer ist, als wenn man selbst mit dem Auto fährt. „Es fährt auch beispielsweise nichts Entsprechendes zur SCS”, klagt Hutschinski. „Hier hätte man schon längst eine U-Bahn bauen können bzw. müssen. Dies blockiert die Stadt Wien und verantwortet dadurch eine entsprechende Umweltbelastung!”
„In Salzburg gibt es seit einigen Jahren eine interessante Entwicklung”, berichtet Molterer. „Junge Leute, die alleinstehend waren und Mietwohnungen hatten und jetzt eine Familie gegründet haben, müssen aufs Land hinaus, weil sie sich die Immobilienpreise in Salzburg Stadt nicht mehr leisten können.
Dadurch entsteht das absolute Verkehrschaos: Es vergeht kein Tag in Salzburg, an dem die drei bis vier Hauptrouten nicht komplett verstopft sind.”
Signale braucht das Land
Macht die aktuelle Verkehrspolitik mit z.B. 140 statt 130 km/h oder Rechtsabbiegen bei Rot Sinn?
„Sämtliche Maßnahmen, wie Tempo 140, temporäre Benützung des Pannestreifens oder auch das Rechtsabbiegen bei roten Ampeln, sind zu begrüßen, da sie ein wichtiges Zeichen ,pro Auto' sind und wir Statements dieser Art von der Politik bis dato vermisst haben”, sagt Christian Pesau, Geschäftsführer des Arbeitskreises der Automobilimporteure der IV.
„Mir geht es eher um das positive politische Signal, dass endlich einmal etwas für die Autofahrer gemacht wird”, regt Hutschinski (wieder einmal) eine Ökoprämie an. „Es kann durchaus (noch) mehr kommen als eben „nur” das Abbiegen oder die 140 km/h.
Positive Ansätze
„Die Verteufelung des Autos muss eingebremst werden und man müsste die Infrastruktur zu Verfügung stellen, egal womit wir fahren”, fordert Schirak.
Für Molterer wäre es „ein großer Fehler, den Wunsch bzw. Bedarf der individuellen Mobilität der Bevölkerung zu unterschätzen”. Kerle vermisst nach wie vor von allen politischen Strömungen das Bekenntnis zur individuellen Mobilität als Bestandteil unserer Gesellschaft. „Wir wollen nicht wieder in die Steinzeit zurück, sondern auch einmal einen Ausflug machen.”
Das allgemeine Round Table-Fazit: „Im Bereich der Verkehrspolitik sehen wir positive Ansätze, allerdings liegt noch einige Arbeit vor uns.”