Braucht Wien mehr Hochhäuser?
© Buwog/Stephan Huger
FINANCENET Redaktion 27.10.2023

Braucht Wien mehr Hochhäuser?

Eine prominente Gesprächsrunde erörterte in der Buwog-Zentrale die städtebauliche Bedeutung von Wolkenkratzern.

••• Von Alexander Haide

Wien muss doch Chicago werden – mehr Platz durch Wohnhochhäuser” – unter diesen provokanten Titel stellte die Buwog ihre neue Veranstaltungsreihe, die in der Vorwoche im neuen Kunden- und Verwaltungszentrum in der Rathausstraße Premiere feierte. Unter dem Motto „Buwog im Gespräch” widmeten sich Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga – sie lieferte die Keynote zum Einstieg –, Architektin Sne Veselinović, Professor und Architekturkritiker Christian Kühn sowie Vonovia-Vorstandsmitglied Daniel Riedl dem durchaus kontroversiellen Thema.

Hochhäuser polarisieren

„Hochhäuser sind ein immer präsentes Thema, das polarisiert, sei es in der Literatur oder der öffentlichen Diskussion”, stellte Varga an den Beginn ihrer Ausführungen und unterstrich den Facettenreichtum des Wohnens und des Hochhauses im Allgemeinen. „Es geht um soziales, gesellschaftliches Wohnen”, so Varga, denn dabei spiegelt sich die Gesellschaft wider und gibt Auskunft über die Bedürfnisse der Menschen.

„Wir können die Zukunft des Wohnens nicht verstehen, wenn wir den gesellschaftlichen Wandel nicht verstehen”, erläutert die Zukunftsforscherin, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Architektur, an die sich die Bewohner anpassen müssen. Oftmals werden aber bei der Planung von Wohnhäusern die sich wandelnde Gesellschaft und deren Lebensformen nicht berücksichtigt, denn die klassische vier Personen-Familie ist – neben Singles, Alleinerziehern oder etwa Patchwork – heute nur noch eine von vielen.
Für Varga sollten die Lebensformen der Zukunft bereits bei der Planung von neuem Wohnraum die Basis darstellen, doch heute ginge man zumeist noch immer von der klassischen Familie aus.

„Visionen aufzeigen”

Dem Muster „Zuerst leben, dann Räume schaffen” widerspricht Veselinović: „Unsere Aufgabe als Planerinnen ist es, Visionen und Möglichkeiten aufzuzeigen.” Lebensräume für die Menschen zu schaffen, sei die Priorität, wobei das Gemeinwohl berücksichtigt werden muss.

Dazu gehöre, dass es nur einem kleinen Segment der Bevölkerung möglich ist, Wohnen und Arbeit zu koppeln, also hauptsächlich im Homeoffice tätig zu sein. Gerade in der Pandemie habe es sich gezeigt, dass, „wenn es in Wohnungen eng geworden ist, ist es extrem eng geworden”, ergänzt Kühn. „Es gibt das Konzept der smarten Wohnung, die räumliche Reduktion auf das Existenzminimum”, so der Architekturkritiker. „Das macht eine Pandemiesituation noch dramatischer.”

Thema Leistbarkeit

„Hochhäuser sind etwas für Eliten, für alle anderen ist das keine gute Lösung”, folgert Kühn, der für Wolkenkratzer im sozialen Wohnbau keinen Platz ortet.

Ambivalent sieht das Riedl: „Ich kann die Reduktion auf das Allernotwendigste verstehen, aber es hängt mit dem Thema Leistbarkeit zusammen. Was wir spüren, ist innerhalb der Wohnung ein gewisses Maß an Konzentration und wir versuchen, die Wohnungen noch effizienter zu gestalten.” Dabei, so erläutert Riedl, wird ein Teil der Nutzungen, die man sonst innerhalb der Wohnung gefunden hat, in Allgemeinflächen ausgelagert. „Wir bauen Gemeinschaftsflächen, wie Gemeinschaftsküchen, und im Marina Tower gibt es ein Gästeapartment. Bei anderen Projekten gibt es einen kleinen Kinosaal, in dem man etwa gemeinsam Fußball schauen kann”, umreißt der Vonovia-Vorstand.

Auf den Mix kommt es an

Natürlich spielt hier die Finanzierbarkeit beim Bau eine gewichtige Rolle.

„Wenn in einer größeren Struktur 300 oder 400 Wohnungen entstehen, kann man Gemeinschaftsflächen ganz gut umsetzen”, weiß Riedl aus der Praxis. Zudem kommt es auf den Mix an: „Wir haben mit dem Helio Tower einen Turm gebaut, in dem die ersten 15 Stockwerke geförderte Mietwohnungen sind, und darüber gibt es Eigentumswohnungen. Natürlich subventioniert der frei finanzierte Teil die geförderten Wohnungen.” Dabei spielt der aktuelle Trend am Wohnungsmarkt eine entscheidende Rolle, denn aufgrund der Marktsituation und gestiegener Baukosten stehen derzeit keine neuen Projekte am Start.
In der Stadt Wien beobachtete Kühn beim Antritt der rot-grünen Regierung, dass das Tor für Hochhäuser aufgemacht wurde, was er allerdings auf die „persönlichen Präferenzen Einzelner” zurückführt.

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