Das unerwartete Mirakel an den Weltbörsen
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FINANCENET reinhard krémer 18.11.2016

Das unerwartete Mirakel an den Weltbörsen

Dow Jones auf einem All-Time-High, US-Dollar stark, Wirtschaft euphorisch – aber wie geht’s weiter?

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Eigentlich hätte Hillary Clinton der nächste Mieter in Washington, 1600 Pennsylvania Avenue, dem Weißen Haus, werden sollen. Und eigentlich hätte ein Wahlsieg von Donald Trump die Börsen in den Abyss stürzen sollen. Aber es kam alles anders – ganz anders ...

Denn der Dow Jones stürmte nach dem Sieg des Republikaners auf ein All-Time-High und gab seitdem kaum nach, die europäischen Börsen folgten dem Zug nach Norden, und auch die asiatischen Märkte legten nach einer langen Schocksekunde, die einen Tag dauerte, zu.

Greenback im Aufwind

Der US-Dollar gewann entgegen allen Erwartungen gegenüber den großen Weltwährungen an Wert. Jetzt zücken alle Auguren die Glaskugel und rätseln: Wie geht’s weiter? Trump kündigte enorme Investitionen in die Infrastruktur der Vereinigten Staaten an, sagt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management: „Diese dürften sowohl den Arbeitsmarkt anschieben als auch für Bau­unternehmen eine gute Nachricht sein. Zugleich sollen die Abgaben drastisch gesenkt werden; dabei hat Trump Firmen und Privatleute gleichermaßen im Blick.”

Schulden werden steigen

Dies dürfte, so Winzer, enorme Steuerausfälle zur Folge haben, die nur durch weitere Schulden gegenfinanziert werden könnten.

Handelskriege, etwa mit China, dem Trump immer wieder Manipulationen seiner Währung vorwarf, sind laut Winzer eher unwahrscheinlich: „Jedoch ist mit selektiven Erhöhungen von Zöllen zu rechnen, die den freien Handel behindern werden.” Das Resultat eines niedrigeren Potenzialwachstums, des volkswirtschaftlichen Angebots, würde bei einem gleichzeitig höheren Wachstum, der volkswirtschaftlichen Nachfrage, zu einem stärkeren Inflationsdruck führen. Laut Winzer wären in diesem Szenario Leitzinsanhebungen wahrscheinlich. Weitere Erste-Prognosen: Der US-Dollar wird sich festigen, die Rendite steigt an, der Ausblick für Aktien ist gemischt.

Ende der Nullzinspolitik

Auch Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater der Hello bank!, glaubt, dass der neue US-Präsident ein riesiges Wachstumsprogramm auflegen wird, das Inflation, Zinsen und Verschuldung in den USA nach oben treibt: „Das hat auch Auswirkungen auf europäische Geldanleger. Die schreckliche Zeit der Nullzinsen geht zu Ende”. so Hüfner. Es ist jedoch nur ein kurzfristiger Befreiungsschlag, ist der Experte überzeugt: „Wenn die Inflation steigt, müssen die Zentralbanken rechtzeitig gegensteuern.”

Reagan und Trump

Christian Nemeth, Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich, rät Anlegern, nicht aufgrund politischer Ereignisse in Panik zu verfallen und hektische Transaktionen zu vermeiden.

Er vergleicht das Trump-Programm mit jenem von Ronald Reagan; damals ging die Arbeitslosenrate deutlich zurück, der S&P-Index verdoppelte sich, und der US-Dollar legte handelsgewichtet zu.

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